Das Ärztehaus in Selters steht unter keinem guten Stern. Zunächst gab es einen langen Streit darüber, wer es bauen darf. Dabei wurde die Apothekerfamilie Gondermann aus Bad Camberg ausgebootet. Nachdem alle Fragen geklärt schienen, kommt es zum Baubeginn zum Paukenschlag. Der Investor sagte Hubertus Kühnl, dem Apotheker, der in das Ärztehaus einziehen sollte, ab. Vermietet wird nun stattdessen an – die Gondermanns. Für Kühnl und seine Brunnen-Apotheke geht es um die Existenz.
Die Bauarbeiten für das medizinische Zentrum in dem Stadtteil Niederselters haben vor wenigen Wochen begonnen. Bis Ende des Jahres, so der Plan des Investors Klaus Altenheimer, soll es bezugsfertig sein. Doch statt der Niederselterser Apothekerfamilie Kühnl wird die Bad Camberger Familie Gondermann dort die Apotheke betreiben. Der Mietvertrag ist unterschrieben, bestätigte Altenheimer gegenüber APOTHEKE ADHOC. Damit sind sich zwei ursprüngliche Kontrahenten handelseinig geworden.
Das ist wohl das endgültige Ende der langen und konfliktreichen Geschichte um das Ärztehaus in Selters. Lange hatte sich die Gemeinde bemüht, ein medizinisches Zentrum auf die Beine zu stellen. Vor zwei Jahren hieß es, dass die Firma Abeco, die den Gondermanns gehört, das Ärztehaus bauen und folgerichtig auch die Apotheke im Erdgeschoss betreiben soll. Alles schien in trockenen Tüchern.
Dann gab es jedoch Widerstand gegen das Projekt. Es stellte sich die Frage, was aus der Apothekerfamilie Kühnl wird, die die Brunnen-Apotheke im Stadtteil Niederselters betreibt. Die Familie sah ihre Existenz gefährdet, sollte sich in unmittelbarer Nähe ein Mitbewerber in neuen, modernen Räumen ansiedeln. Daher unterstützte sie tatkräftig Altenheimer, der ebenfalls das Ärztehaus bauen und die Kühnls mit ihrer Apotheke dort einziehen lassen wollte. So wurden fast 1000 Unterschriften von Bürgern gesammelt, die damit ihren Wunsch ausdrückten, dass die örtliche, alteingesessene Brunnen-Apotheke in Kooperation mit Altenheimer den Zuschlag für das geplante Ärztehaus bekommen soll.
Die Diskussion startete, prägte 2016 den Bürgermeister-Wahlkampf, bei dem die politischen Unterstützer von Abeco an Boden verloren, und erregt bis heute die Gemüter. Am Ende zog sich Abeco zurück und beklagte „die Art und Weise“ der Auseinandersetzung. Zu den Details wollte sich Achim Godermann allerdings nicht äußern.
Damit war der Weg frei für Altenheimer und die Kühnls. Doch kurz nach Beginn der Bauarbeiten kam nun der Paukenschlag: Statt Hubertus und Kathrin Kühnl, die die Apotheke im Ärztehaus als OHG führen wollten, haben die Gondermanns den Zuschlag bekommen. Er habe sie retten wollen, sagt Altenheimer heute und meint die Brunnen-Apotheke. „Aber man kann nichts tun, wenn jemand nicht gerettet werden will“, so der Investor, der damit auf die Geschehnisse der vergangenen sechs Monate anspielt, die zum Zerwürfnis mit den Kühnls führten.
Nachdem er das Grundstück erworben, sich in der Gemeindepolitik durchgesetzt und etliche baurechtliche Hürden überwunden hatte, habe er bereits im Mai des vergangenen Jahres den Kühnls – aus seiner Sicht – unterschriftsreife Mietverträge vorgelegt. Die Apothekerfamilie war jedoch anderer Meinung und verlangte Nachbesserungen. Laut Altenheimer wurde moniert, dass der langfristige Mietvertrag mit einer Index-Klausel versehen werden sollte. Stattdessen seien umfangreiche Sonderkündigungsrechte und eine geringere Miete gefordert worden.
Außerdem gab es Streit um eine Klausel des Mietvertrags: So sollte Kühnl Senior, dem die Brunnen-Apotheke gehört, der sich aber mit 77 Jahren weitestgehend aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen hat, eine Bürgschaft für seine Kinder übernehmen. „Die Beiden sind ja nur Angestellte des Vaters und haben keine nennenswerten Vermögenswerte“, so Altenheimer. Man müsse doch Verständnis für diese Forderung haben, rechtfertigt er sich weiter. Schließlich gebe er als Investor viel Geld aus und müsse sich so gut wie möglich absichern.
Bis heute ist Altenheimer der Ansicht, er habe ein mehr als faires Angebot unterbreitet. Schließlich hätten auch andere Mieter, unter anderem zwei Ärztinnen, ein Malteser-Hilfsdienst und ein Physiotherapeut, ohne zu Murren unterschrieben. Nur die Verhandlungen mit den Kühnls stockten.
Bis November habe er gewartet und dann sei ihm der Geduldsfaden gerissen, sagt Altenheimer, der heute nicht mit kritischen Worten über seine ehemaligen Verbündeten spart. Anschließend ist der Investor auf seine ehemaligen Kontrahenten, die Apothekerfamilie Gondermann, zugegangen und hat ihnen den Standort angeboten. Innerhalb weniger Tage sei der Mietvertrag unterschrieben worden.
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