Der Arzt Dr. Hans Alfred Nieper (1928-1998) war ein begeisterter Vertreter der „othomolekularen Medizin“. Die von ihm entwickelten Substanzen und Kombinationen hat eine Apotheke aus Hannover für ihn umgesetzt. Bis heute sind im Shop der Apotheke knapp 200 Präparate gelistet, die auch über die angeschlossene Versandapotheke verschickt werden. Das Problem: Ein Produkt fällt in der angebotenen Konzentration unter die Verschreibungspflicht, ein anderes ist überhaupt nicht mehr verfügbar. Das hat der Apotheke jetzt Ärger eingehandelt
Im Blog auf der Homepage der Apotheke hieß es: „Strophantus-Tinktur: jetzt wieder lieferbar“. Der darin enthaltene Wirkstoff Strophantin ist ein Herzglykosid, der natürlicherweise in Strophantus-Pflanzen vorkommt. Von Wala gibt es tatsächlich ein homöopathisches Produkt als anthroposophisches Arzneimittel bei Störungen im Herz-Kreislauf-System.
Doch die Apotheke in Hannover antwortete auf die Anfrage eine Nutzerin: „Es handelt sich um eine Urtinktur/D1 im Sinne der Homöopathie. Strophantin-Gehalt 0,3-0,6 Prozent.“ Nach der Aussage „Sie möchten Strophantus kaufen? Das ist bei uns jetzt wieder möglich, auch per Versand.“ Folgt der Hinweis: „Eine Abgabe von unseren Strophantus-Produkten erfolgt nur auf ärztliche Verordnung.“ Darunter ist direkt eine Preisliste verlinkt. Die Versandapotheke verkauft die Strophantus-Tinktur für knapp 60 Euro pro 100 ml.
Die Wettbewerbszentrale sah darin eine Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel und hat die Apotheke zunächst abgemahnt und dann verklagt. Das Landgericht Hannover hat die Apotheke in erster Instanz verboten, für das Produkt zu werben. Ebenfalls moniert wurde das Angebot von Strodival-Kapseln, die seit 2012 nicht mehr im Handel sind.
Die Richter weisen zunächst darauf hin, dass die Therapie umstritten sei und es keine Nachweise der Wirksamkeit gebe. Die Strophantus-Tinktur sei als Arzneimittel einzustufen, in der angebotenen Konzentration auch verschreibungspflichtig. Denn die Ausnahme für Zubereitungen aus Stoffen nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik gelte nur, wenn die Endkonzentration dieser Arzneimittel im Fertigprodukt die vierte Dezimalpotenz nicht übersteigt. Strophantine sind in der Anlage 1 der Arzneimittel-Verschreibungsverordnung (AMVV) gelistet. Die in der Apotheke angebotene Urtinktur mit 0,3-0,6 Prozent liege über dem Grenzwert.
Damit war auch die Werbung für ein verschreibungspflichtiges Präparat inklusive Preisangabe aus Sicht des Gerichts unzulässig. Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) kennt zwar die Ausnahme des Schriftwechsels zur Beantwortung einer konkreten Anfrage zu einem bestimmten Arzneimittel. Hier sei aber nicht ersichtlich, dass der Blog-Eintrag auf eine konkrete Verbraucheranfrage antwortet. Eine „antizipierte“ Beantwortung möglicher zu erwartender Fragen ließ das Gericht auch nicht durchgehen. Ob es sich um eine Rezeptur oder Defektur handelt, konnte aus Sicht der Richter dahinstehen, da das HWG-Verbot trotzdem gelten würde.
Bei den ebenfalls angebotenen Strodival-Kapseln ging das Gericht von einer Täuschung über die Verfügbarkeit aus. Denn das Produkt sei schon lange nicht mehr lieferbar. Mit der Angabe eines Preises werde aber suggeriert, dass die Kapseln zu kaufen seien. Die Versandapotheke mache sogar explizit das Angebot, die Medikamente zuzusenden. Damit werde wiederum ein potenzielles Kaufinteresse geweckt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Apotheke kann noch in Berufung gehen.
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