Work-Life-Balance

Apotheke für Familie aufgegeben

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Berlin -

Erst 2012 hat Jan-Wilhelm Hörstrup die Apotheke im niedersächsischen Neuhaus von seinen Schwiegereltern übernommen. Bereits nach fünf Jahren ist nun Schluss. Der Pharmazeut hat die Apotheke zugunsten seiner Familie aufgeben und ist nun in der Rathaus-Apotheke, die seine Frau im Nachbarort führt, angestellt. Seitdem muss sich das Apothekerpaar nicht mehr zwischen den beiden Apotheken und dem Anforderungen des Familienlebens mit zwei kleinen Kindern aufreiben. Ein Gefühl von Befreiung, wie Hörstrup sagt.

Vor wenigen Wochen hat Hörstrup zum letzten Mal die Apotheke abgeschlossen. „Beim Ausräumen hatte ich schon ein komisches Gefühl“, erzählt er. Dennoch habe das Gefühl der Befreiung überwogen. „Die Schließung hatte mehrere Gründe“, erklärt Hörstrup seine Entscheidung. An der wirtschaftlichen Lage habe es allerdings nicht gelegen. Die Landapotheke, die er gemeinsam mit einer PTA geschmissen hat, lief seinen Angaben nach gut.

Vielmehr lägen die Gründe im privaten Bereich, so der Apotheker. Während er hinter dem HV-Tisch seiner Apotheke in Neuhaus stand, führt seine Frau Clara ebenfalls seit 2012 die Rathaus-Apotheke im benachbarten Cadenberge. Zwischenzeitlich hat das Apothekerpaar zwei Kinder bekommen. „Sie sind zwei und vier Jahre alt und brauchen noch viel Betreuung. Aber auch wir möchten möglichst viel Zeit mit unseren Kindern verbringen“, so der Pharmazeut. Die Entscheidung sei daher nicht unbedingt gegen die Apotheke, sondern in erster Linie für die Familie gefallen.

In den Wochen vor der Schließung seien die Kinder fast dauerhaft von ihrer Oma betreut worden, so Hörstrup: „Sie ist aber auch schon Anfang 70. Ein dauerhafte Lösung konnte es nicht sein.“ Ein Grund für die Probleme bei Kinderbetreuung war, dass die Apothekerin, die neben seiner Frau in Cadenberge tätig war, vor Kurzem „wegen der Liebe“ in die USA ausgewandert sei. So musste Hörstrups Frau seitdem aufgrund der gesetzlichen Vorschriften während der Öffnungszeiten in der Apotheke anwesend sein. Erst nach einem langen Arbeitstag hatten sie nun Zeit für ihre Kinder. „So ging das einfach nicht weiter. Es war purer Stress für alle“, so Hörstrup.

Außerdem hätte einer der beiden Apotheker alle vier Tage einen Notdienst gehabt. Seine Frau musste außerdem jeden Samstag in der Apotheke anwesend sein. „Nicht nur die täglich Kinderbetreuung, sondern beispielsweise ein Urlaub oder zumindest ein Wochenendausflug waren unter diesen Umständen für uns im normalen Maß nicht mehr möglich. Dann hätten wir eine externe Vertretung holen müssen“, erklärt Hörstrup den täglichen Spagat zwischen Job und Familie.

Einen neuen Apotheker zu finden, der seine Frau dauerhaft entlastet, sei in der Gegend „utopisch“. „Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist schlicht katastrophal. Die Perspektive, hier in dieser strukturschwachen Region jemanden in Vollzeit zu finden, ist gleich null“, erklärt er. Dass das Apothekerpaar vor zwei Jahren die nun ausgewanderte Apothekerin hat für sich gewinnen können, bezeichnete Hörstrup als „echten Glückfall“.

„Und ehrlich gesagt kann ich jeden Kollegen verstehen, der sich beispielsweise für die Industrie und gegen eine Anstellung in einer öffentlichen Apotheke entscheidet“, gibt der Pharmazeut zu. Denn die Rahmenbedingungen, angefangen bei Arbeitszeiten über Notdienst bis hin zum Gehalt, seien „gelinde gesagt“ nicht gerade attraktiv.

Ein weiterer Schicksalsschlag war der Tod des Schwiegervaters, Ludger Hörstrup, der jahrelang die Rathaus-Apotheke Cadenberge geleitet hatte. Er starb Weihnachten 2016 und hinterließ nicht nur im privaten, sondern auch im beruflichen Bereich eine große Lücke. „Noch vor seinem Tod hat er tageweise ausgeholfen und auch Urlaubsvertretung übernommen“, erklärt der Apotheker.

Und so hat das Apothekerpaar beschlossen die Apotheke in Neuhaus zugunsten der Familie aufzugeben und sich voll und ganz auf die größere Rathaus-Apotheke in Cadenberge zu konzentrieren. Demnächst steht dort nach Angaben von Hörstrup ein aufwendiger Umbau an. „Wir haben uns in Cadenberge für die große Lösung entschieden, um modern und zukunftsfähig zu sein“, sagt der Apotheker, „dort wird ordentlich investiert.“ Unter anderem soll eine Automatiktür eingebaut werden und eine Automatisierung des Warenlagers stattfinden.

Und das Wichtigste sei, dass die Eheleute nun genug Zeit für ihre Kinder haben. „Ich genieße die Freiräume, die sich aus der Schließung ergeben haben“, so der Apotheker. „Jetzt kann ich mit Kindern ohne Probleme auch übers Wochenende wegfahren und zum Beispiel meine Eltern besuchen“. Diese „Gefühl der Freiheit“ sei wirklich gut.

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