Apothekeraktion

Apotheker: Sexy, sehr persönlich und Pfennigfuchser

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Berlin -

Mit Witz und Herzblut trommeln zwei Apotheker aus Niedersachsen und Baden-Württemberg auf Facebook für die Offizin vor Ort. Ihre Posts mit Hashtag #DaumenhochfürmeineApothekevorOrt verbreiten sich seit einigen Tagen wie ein Lauffeuer durchs Internet.

Geografisch trennen sie viele Kilometer, doch dank der sozialen Medien fanden die beiden Apotheker zusammen: „Ich habe einfach mal geschaut, wer von den Kollegen ähnlich viel wie ich auf Facebook aktiv ist“, erzählt Ann-Katrin Kossendey-Koch, Inhaberin von Kossendeys Gesundheitshaus im niedersächsischen Wiefelstede. „So stieß ich auf Jan Reuter.“ Vor zwei Jahren rief sie ihn das erste Mal an und schlug ihm vor, doch etwas zusammen zu machen. Das konnte sich der Betreiber der Central-Apotheke im baden-württembergischen Walldürn gut vorstellen.

Seit Oktober 2016 nutzt er digitale Plattformen wie Youtube und Facebook zur pharmazeutischen Aufklärung. „Apotheke auf den Punkt gebraucht“ ist der Titel seiner Videoreihe. Unterstützt von Maskottchen Bruno aus dem Kinderzimmer seines Sohnes klärt er hier etwa über die Wirkung von Opioiden und anderen Schmerzmitteln, Antibiotika und Viren, zum Pro und Contra von Methadon gegen Krebs oder Potenzmitteln auf. Mit Kossendey-Koch bereitet er einmal in der Woche auf Skype ein pharmazeutisches Thema auf. Gemeinsam diskutieren sie über Empfehlungen von Arzneimitteln.

Das EuGH-Urteil rief ihre ganze Kreativität auf den Plan. Gemeinsam ersannen sie eine multimediale Aktion unter dem Hashtag #DaumenhochfürmeineApothekevorOrt. „Wir sagen nicht 'weg mit dem Versandhandel', sondern stellen in den Vordergrund, was die stationären Apotheken leisten“, sagt Kossendey-Koch. „Jeden Tag liefern die Apotheken fantastische Arbeit ab, wir reden nur viel zu wenig darüber.“

Die beiden Initiatoren verstehen sich hier auch als Dienstleister und Impulsgeber für ihre Kollegen. „Der Apotheker an sich ist nicht immer technikaffin, da wollen wir gute Inhalte liefern, um unterstützend zur Seite zu stehen“, sagt Reuter.

Den Anfang machte am 20. Juli ein gemeinsames YouTube-Video. Unter dem Motto „Damit deine Gesundheit ein Heimspiel bleibt“. In knapp vier Minuten liefern die beiden Initiatoren „Fakten, Fakten, Fakten“ pro Vor-Ort-Apotheke in „Dalli Dalli“-Manier. Sie kündigten dabei bereits die Inhalte der zehn Facebook-Posts an, die in den Abenden darauf nach und nach gepostet werden sollten.

Vier davon sind bis heute veröffentlicht. „Wir sind sexy“ heißt da etwa, denn von den 160.000 Arbeitsplätzen in der Branche sind 90 Prozent von Frauen besetzt. „Wir nehmen‘s persönlich“, denn der Kunde vor Ort werde als Mensch behandelt. „Wir sagen nein“, denn eine ehrliche und gute Beratung bedeute auch, von einem überteuerten oder sinnlosen Produkt abzuraten. „Bei uns bist Du keine Nummer, keine IP-Adresse, kein Warenkorb.“

Auch Gesundheitspolitik und Kostenträger werden charmant auf die Schippe genommen: „Wir sind Pfennigfuchser“, denn durch die Rabattverträge sparten die Apotheker für die gesetzlichen Krankenkassen 3 Millionen Euro ein. Wichtig ist Reuter und Kossendey-Koch, dass die Botschaften prägnant sind, dabei aber lustig und locker verpackt werden.

Aktuelle Kampagnen der ABDA wie eine Unterschriftensammlung oder die neue Welle der Plakataktion richten sich direkt an die Politik. Die beiden Basisapotheker wollen dagegen die Kunden mobilisieren. „Die Politiker interessiert in einem Wahljahr weniger das, was Verbandspolitiker sagen, als die Meinung der Kunden, denn das sind ihre Wähler“, meint Reuter. Was nicht heißt, dass die Politiker „unbearbeitet“ bleiben: „Den Bundestagsabgeordneten vor Ort, der bei mir Stammkunde ist, kann ich direkt ansprechen. Bei anderen ist etwas mehr liebevolle Diplomatie nötig.“

Gerade mal wenige Tage ist die Aktion online, doch verbreitet sie sich bereits wie ein Lauffeuer. „Die Reaktionen sind bislang klasse, unsere Beiträge werden fleißig geteilt“, freut sich die Niedersächsin. „Unter dem Hashtag #DaumenhochfürmeineApothekevorOrt erreichen uns viele eigene Ideen von Kollegen für neue Posts.“ So steuerte Tatjana Zambo aus dem Vorstand des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg bereits ein eigenes Video bei. Und auch aus dem Großhandel kommen positive Resonanzen. „Mit Alliance sind wir schon im Gespräch. Der Großhandel braucht schließlich auch die Apotheke vor Ort.“

Demnächst sollen die Botschaften auch auf Postkarten gedruckt und in ganz Deutschland verteilt werden. „Damit wollen wir auch die Kollegen erreichen, die nicht auf Facebook sind“, sagt Jan Reuter. „Die genaue Auflege stehe noch ebenso wenig wie fest wie die Finanzierung. „Aber wir denken in großen Dimensionen, und ich glaube, dass wir auch Sponsoren finden können."

Dem einen oder anderen möge das Design etwas unprofessionell daherkommen: „Aber uns ist Hochglanz weit weniger wichtig als dass die Botschaft gehört wird“, betont Ann-Katrin Kossendey-Koch. „Ein bisschen Unprofessionalität kann sehr charmant sein. Wir wollen vor allem, dass herüberkommt, wie viel Herzblut wir jeden Tag in unsere Arbeit stecken. Und wir wollen uns auch mal selbst auf die Schulter klopfen, positive Energie können wir als Mitarbeitern gut gebrauchen.“

Geht es nach den beiden, dann wird diese Aktion zum Selbstläufer. „Wir freuen uns über jeden, der unter dem Hashtag postet oder uns ein kurzes Statement per Video, Foto oder Text schickt.“ Wer kein Konto bei Facebook hat, kann seinen Beitrag an die Email-Adresse [email protected] schicken.

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