Jeder Dritte nimmt Rezeptpflicht nicht so genau APOTHEKE ADHOC, 23.07.2015 14:27 Uhr
Die Rezeptpflicht gilt für Apotheken absolut – Notfälle ausgenommen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) erneut bestätigt und der Klage eines Apothekers gegen seine Kollegin stattgegeben. Aus Sicht der Karlsruher Richter kann ein Verstoß gegen die Rezeptpflicht nie als Bagatelle gewertet werden. Eine Umfrage unter den Nutzern von APOTHEKE ADHOC zeigt aber, dass in der Praxis durchaus regelmäßig Ausnahmen gemacht werden.
Immerhin 23 Prozent der Teilnehmer gaben an, dass sie – Hand aufs Herz – bei Stammkunden schon mal eine Ausnahme machen. Weitere 10 Prozent sehen bei bestimmten Präparaten sowieso kein Problem – Apotheker seien schließlich Arzneimittelfachleute.
Etwas mehr als die Hälfte (51 Prozent) – und damit die deutliche Mehrheit der Teilnehmer – beteuert aber, nur in medizinischen Notfällen Rx-Arzneimittel ohne Rezept abzugeben. Und dafür gebe es gesetzliche Regeln. Laut der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) dürfen Apotheker Rx-Arzneimittel ohne Rezept abgeben, wenn die Anwendung keinen Aufschub erlaubt. In diesem Fall kann der behandelnde Arzt fernmündlich über die Verschreibung und deren Inhalt informieren. Der Apotheker muss sich über die Identität der verschreibenden Person Gewissheit verschaffen, das Rezept muss unverzüglich nachgereicht werden.
Bei der Umfrage gaben weitere 12 Prozent an, Rezeptverstöße seien grundsätzlich nicht tolerierbar, da dies die Rezeptpflicht untergrabe. 4 Prozent hatten zu dem Thema keine Meinung. An der Umfrage beteiligten sich am 20. und 21. Juli insgesamt 335 Leserinnen und Leser von APOTHEKE ADHOC.
Der BGH hat im Januar darüber zu entscheiden, ob sich eine Apothekerin fernmündlich die Freigabe einer befreundeten Ärztin holen durfte, die die Patientin nicht selbst behandelt hat. Aus Sicht der Karlsruher Richter ist dies nicht möglich, nur der behandelnde Arzt dürfe dies ausnahmsweise tun.
In dem Fall hatte eine Kundin im Februar 2011 zunächst in der Apotheke des Klägers ohne Rezept den Blutdrucksenker Tri Normin 25 verlangt. Eine Mitarbeiterin der Apotheke verweigerte die Abgabe und verwies die Kundin an den ärztlichen Notdienst im 15 Kilometer entfernten Nachbarort. In der Apotheke seiner Konkurrentin erhielt die Kundin dagegen wie gewünscht eine 100er-Packung des Blutdrucksenkers – ohne Rezept.
Aus Sicht des BGH ist jeder einzelne Verstoß gegen die Rezeptpflicht auch wettbewerbsrechtlich relevant. Das hohe Schutzgut der Gesundheit und die großen Gefahren einer Fehlmedikation bei Rx-Arzneimitteln erforderten eine unbedingte Beachtung der gesetzlichen Vorschriften. Die beklagte Apothekerin muss nach der jetzt vorliegenden Urteilsbegründung gegenüber ihrem Kollegen erklären, wie oft sie Medikamente ohne Vorlage einer Verordnung abgegeben hat.