Das Anti-Korruptionsgesetz macht Apotheker wie Hersteller nervös. Zu unbestimmt sind viele Formulierungen im Entwurf der Bundesregierung, der am Freitag in den Rechtsausschuss des Bundestags überwiesen wurde. Vor allem die Anbindung an des Berufsrecht der Ärzte und Apotheker wirft viele Fragen auf. Theoretisch können die Berufskammern damit künftig selbst Strafrecht schreiben, wenn sie ihre Berufsordnungen anpassen. Die Branche steht dem skeptisch gegenüber.
Bei einer Umfrage von APOTHEKE ADHOC hält die große Mehrheit von 45 Prozent es für „Unsinn“, dass die Kammern mit definieren sollen, was Korruption ist. Dies sei Aufgabe des Gesetzgebers. Weitere 11 Prozent finden die starke Rolle der Kammern „bedenklich“, die Berufsorganisationen seien dazu einfach nicht in der Lage.
Etwas mehr als ein Viertel (27 Prozent) würden der Einbindung der Kammern zustimmen, unter einer Bedingung: Die Folgen für das Strafrecht müssten bundesweit einheitlich sein.
Einer der großen Kritikpunkte in der aktuellen Debatte um das Gesetz ist, dass das Berufsrecht je nach Bundesland unterschiedlich ausgestaltet ist – mit Folgen für die strafrechtliche Relevanz. Das widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz im Strafrecht. Sollte es bei dem Bezug bleiben, müssten die Landesapothekerkammern ihre Vorschriften aufeinander abstimmen, fordern Experten. Die Ärzte verfügen immerhin schon über eine Musterberufsordnung.
Andere Teilnehmer der Umfrage sehen die starke Einbindung der Kammern positiv: „Richtig so, die Kammern sind praxisnah“, gaben 8 Prozent der Teilnehmer an. Ebenso viele finden das Konstrukt jedoch „unglücklich“, da es zu Interessenkonflikten bei den Kammern führen könnte. An der Umfrage nahmen von 13. bis 15. November insgesamt 212 Leserinnen und Leser von APOTHEKE ADHOC teil.
Die Annahme von Geschenken und Vergünstigungen kann Ärzte, Apotheker, Physiotherapeuten oder Pflegekräfte künftig ins Gefängnis bringen. Den Akteuren im Gesundheitswesen drohen bis zu drei Jahren Haft, wenn sie bestechen oder sich bestechen lassen. In besonders schweren Fällen soll Korruption im Gesundheitswesen sogar mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden. Die Hersteller befürchten bei der Strafverschärfung überhart behandelt zu werden, da eine – in Unternehmen typische – Beteiligung mehrerer Personen immer als besonders schwerer Fall angesehen werden kann.
Dies könnten je nach Anwendung des Gesetzes auch Apotheken betreffen. In der Branche herrscht derzeit Unsicherheit, inwiefern Einkaufskonditionen als unzulässige Einflussnahme gewertet werden könnten. Das Gesetz stellt die heilberufliche Unabhängigkeit in den Fokus. Die ABDA kann hier noch auf eine Klarstellung hinarbeiten: Zum Anti-Korruptionsgesetz wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit eine öffentliche Anhörung geben. Das Gesetz soll vor der Sommerpause 2016 in Kraft treten.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sagte nach der ersten Lesung im Bundestag am vergangenen Freitag, Patienten hätten ein Recht darauf, von ihrem Arzt die für sie beste Versorgung zu erhalten und nicht diejenige, die dem Arzt am meisten einbringe. Bestechlichkeit untergrabe das Vertrauen von Patienten in die Integrität von Heilberufen. Und sie verteuere medizinische Leistungen, so der Justizminister.
Nach den Worten der Grünen-Gesundheitspolitikerin Maria Klein-Schmeink ist eine strafrechtliche Regelung längst überfällig. Doch: „Korruption lässt sich nicht allein mit dem Strafrecht verhindern. Notwendig sind darüber hinaus verbindliche Regelungen für mehr Transparenz von ökonomischen Verflechtungen zwischen Herstellern und Leistungserbringern und zum Schutz von Hinweisgebern.“
Der Vorstand des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), Gernot Kiefer, erklärte: „Die mit dem aktuellen Gesetzentwurf absehbare Einführung neuer Straftatbestände der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen begrüßen wir ganz ausdrücklich.“ Korruption im Gesundheitswesen „geht zulasten der Qualität der medizinischen Versorgung und verursacht im Ergebnis ganz erhebliche Kostensteigerungen“. Damit aber Bestechlichkeit und Bestechung tatsächlich bekannt werden, „wäre eine klare gesetzliche Regelung zum Schutz der Hinweisgeber (Whistleblower) sehr wichtig“.
Der Bundesgerichtshof hatte 2012 entschieden, dass die geltenden Korruptionstatbestände für niedergelassene Ärzte grundsätzlich nicht gelten. Der Gesetzentwurf von Maas soll diese Lücken schließen.
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