Wenn Johann-Magnus von Stackelberg in eine Apotheke geht, ist es ihm egal, ob ein Apotheker vor ihm steht oder wer diese leitet. Der stellvertretende Vorsitzender des GKV-Spitzenverband hält die bisherigen „Gildenstrukturen“ für mittelalterlich und stellt sie zur Diskussion. Fremd- und Mehrbesitzverbot sollten der Vergangenheit angehören, er will eine radikale Reform für die Arzneimittelversorgung. Das geht zu weit, finden die Teilnehmer einer Umfrage von APOTHEKE ADHOC.
Stackelbergs Vorschlag, Filialapotheken ohne Apotheker vor Ort zu betreiben, geht aus der Sicht der Mehrheit an der Realität vorbei. 45 Prozent der Befragten meinten, eine Umsetzung dieser Idee wäre das Ende der Pharmazie. Fast jeder Dritte (30 Prozent) fand den Vorschlag gar so realitätsfern, dass sie ihn nicht ernst nahmen: Es sei eine reine Provokation – eben typisch Kassen.
16 Prozent gaben an, sie fänden Erleichterungen gut, was aber Stackelberg fordere, gehe zu weit. Immerhin 8 Prozent standen Stackelberg bei: die Idee sei gut, auf dem Land könne es ein Kompromiss sein. Vom 23. bis 26. Januar beteiligten sich 232 Leser und Leserinnen von APOTHEKE ADHOC.
Die Kassen halten auch – gegen die Bundesregierung – an ihrer Forderung nach Apothekenketten fest, denn „vernünftige Forderungen sollte man mit Hartnäckigkeit durchsetzen“, so von Stackelberg. Wenn die Vorgaben für Filialapotheken reduziert würden, ließe sich zudem die ländliche Versorgung sicherstellen. So könnte ein Approbierter mittels Teleassistenz zugeschaltet werden, statt vor Ort zu beraten.
Von Stackelberg forderte, „Vorteile für die Versicherten zu erschließen und nicht den Apotheken zu überlassen“. So müssten, mit Blick auf die Honorarforderungen der ABDA, die Vorschläge des Berufsstandes immer wieder daraufhin geprüft werden, ob sie tatsächlich die Versorgung auf dem Land stärken würden. Er forderte die Apothekerschaft auf, endlich repräsentative Daten zu Kosten und Aufwand vorzulegen. Grundsätzlich zeigte sich Stackelberg offen für den „Traum von zusätzlichen Vergütungsformen“. Nur sei ein Zusatznutzen für Patienten häufig nicht feststellbar. Auch Sicht der Kassen sollen zudem der Versandhandel und der selektivvertragliche Wettbewerb gestärkt werden und Pick-up-Stellen erlaubt bleiben.
ABDA-Präsident Friedemann Schmidt kritisierte die „fortgesetzten Angriffe auf unsere Versorgungsstrukturen“. Offenbar hätten die Kassen den Kontakt zur Versorgungsrealität der Versicherten vollständig verloren. Schon wieder redeten die Kassen „der Zerstörung bewährter Strukturen das Wort, die eine gute und flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln in Deutschland garantieren.“ Damit stellten sie in Frage, dass die Gesundheitsversorgung qualitativ hochwertig, wohnortnah und in der Verantwortung der Selbstverwaltung überlassen sein sollte.
Schmidt mahnte, dass künftig Gesundheitskonzerne mit ungebremstem Profitstreben dominieren würden, der Patient seinen Apotheker allenfalls vom Computerdisplay kennen werde und die Versicherten mit Ausgabenkürzungen und Leistungseinschränkungen zu rechnen hätten. Er will nun seine bisher kooperative Zusammenarbeit mit den Kassen überdenken.
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