Kommentar

Apotheke rausgespart

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Berlin -

Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit sind sinnvolle Prinzipien des Sozialstaates und insbesondere der Krankenversicherung. In einigen Fällen stehen diese Maximen jedoch der sinnvollen Versorgung im Weg. Apotheker und Arzt werden ausgerechnet von der Justiz in eine rechtliche Grauzone gedrängt, wenn es um die praktische Versorgung von schwerkranken Patienten geht. Die Politik wird bald bekennen müssen, ob ihr Empathie oder Effizienz wichtiger ist.

In einem konkreten Fall lässt sich seit Jahren ein Bluterpatient im HZRM Hämophilie-Zentrum Rhein Main in Mörfelden-Walldorf bei Frankfurt behandeln. Weil er ins 230 Kilometer entfernte Schwerte im Ruhrgebiet gezogen ist, wird seine Versorgung mit dem Gerinnungsmittel Feiba nun zum Problem. Man könnte auch sagen: zu einer rechtlichen Posse, wäre die Angelegenheit nicht so ernst.

Ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) zwingt Fachärzte nämlich dazu, Präparate wie Feiba direkt beim Hersteller Baxalta zu ordern. Dass die Richter in Kassel die Ausnahmenvorschrift freihändig zur Pflicht uminterpretiert haben, ist ein Skandal – zumal sie streng genommen gar nicht die Abgabe, sondern nur die Belieferung erfasst. Der Richterspruch macht dem Patienten das Leben unnötigerweise noch schwerer, als es aufgrund seiner Erkrankung ohnedies schon ist: Um an sein Arzneimittel zu gelangen, muss er erneut den weiten Weg in seine Schwerpunktpraxis antreten.

Denn alle, die dem Patienten helfen und den Weg ersparen wollen, sitzen rechtlich in der Falle: Andere hämostaseologisch qualifizierte Ärzte am Wohnort dürfen nicht in die Bresche springen, denn sie sind von der Ausnahmeregelung im Arzneimittelrecht nicht erfasst. Apotheker stehen sogar mit einem Bein im Gefängnis, wenn sie ihren Patienten in solchen Notlagen aushelfen. Ohne Rezept kein Rx-Arzneimittel, das ist der Grundsatz der Offizin, von dem laut Bundesgerichtshof (BGH) nicht einen Zentimeter abgewichen werden darf.

So verkehrt die Ausnahmeregelung die angestrebte qualitativ hochwertige Versorgung ins Gegenteil: Der Patient muss sehen, dass er irgendwo sein Päckchen ausgehändigt bekommt – den ärztlichen Versandhandel würde das BSG bei nächster Gelegenheit nach dem Dispensierrecht womöglich auch noch legalisieren.

Einziger Ausweg wäre eine „Abgabe im Auftrag“ in der Apotheke. BGH und Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) haben schon entschieden, dass Apotheken sich zur Auslieferstelle degradieren dürfen. Doch dann haften sie für die Abgabe und gehen zudem ein hohes wirtschaftliches Risiko ein. Für ein mehrere Tausend Euro teures Präparat wird wohl niemand gerade stehen wollen, wenn es noch nicht einmal eine Abgabeprovision gibt.

Das Beispiel zeigt, dass Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit im Versorgungsalltag schnell in Konflikt mit den berechtigten Patienteninteressen geraten können. In der Diskussion über hochpreisige Arzneimittel ist der Fall ein besonders gefährliches Beispiel, die Arzneimittelversorgung zu Lasten der Apotheken in preiswertere Bahnen umzulenken.

Alle Beteiligten und wahrscheinlich auch die Politik müssen daher nach einer sinnvollen und praktikablen Lösung suchen – für die Patienten, für die Arztpraxen und für die Apotheken, die helfen wollen und denen die Hände gebunden sind. Die Bluter-Versorgung wird kein Einzelfall bleiben. Angesichts der Absicht der Politik, immer mehr Schwerpunktbehandlungszentren aufzubauen, könnten ähnliche Konstellationen künftig häufiger auftreten – insbesondere zu Lasten der Bewohner ländlicher Regionen. Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit sind kein Selbstzweck. Im Zentrum des Gesundheitssystems steht immer noch der Patient.

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