Ausgerechnet eine „Ehrenerklärung“ sollten die Unionsabgeordneten in der Maskenaffäre jetzt abgeben. Ob das so eine gute Idee ist in einer Partei, in der sich Altkanzler Kohl so nachhaltig auf sein „Ehrenwort“ gesetzt hat? Und mittendrin: Möchtegernkanzler Jens Spahn (CDU). Der scheint im Blätterwald endgültig zum Abschuss freigegeben zu sein – ob nun persönlich involviert in Deals oder nicht.
Um es klar zu sagen: Jens Spahn steht Stand heute nicht im Verdacht, sich persönlich bereichert zu haben. Gegen ihn wird auch nicht ermittelt. Aber dass die Masken-Affäre den Mindestabstand zum Minister jederzeit einhalten würde, kann man halt auch nicht sagen. Mal wird in einer Mail auf „JS“ verwiesen, mal direkt eine Absprache mit ihm ins Feld geführt. Und fast schon als Hobby stellen die Oppositionsparteien ihre Kleinen Anfragen zum Fiege-Deal – neuerdings sogar zu DocMorris.
Spahn ist abgebrüht genug, sich nicht allzu schnell provozieren zu lassen. Doch immer häufiger ist bei ihm dieser beleidigte Tonfall zu hören, wenn er direkt angegangen wird. Gestern etwa wurde er in der Bundespressekonferenz gefragt, WIE korrupt die CDU-Fraktion sei und ob für ihn selbst eigentlich ein Rücktritt infrage komme. Spahn verzieht keine Miene bei solchen Fragen, aber seine Augen werden sehr fest.
Er möchte dann gern daran „erinnern“, wie groß die Not damals war, als es keine Masken gab in den Krankenhäusern und Pflegeheimen. Dass die „allerallerallermeisten Kollegen“ nur Hinweise aus den Wahlkreisen weitergegeben hätten, um zu helfen. „Davon deutlich zu unterscheiden ist alles, was mit Bestechung, Korruption, Vorteilsnahme zu tun hat.“ Damit hat er natürlich recht. Aber er kommt eben auch aus einer Parteifamilie, in der noch immer als „wirtschaftsnah“ gelobt wird, was bei Tageslicht einfach nur korrupt zu nennen ist. Die Antwort die provokante Frage kursiert denn auch seit Tagen als böser Scherz im Netz: Ein Verweis auf die beunruhigend hohe und weiter steigende „Inzidenz“ der Korruption in der Unionsfraktion, bei unbekannter Dunkelziffer.
Zur Rücktrittsfrage sagt Spahn natürlich: gar nichts. Und zu dem ihn persönlich umkreisenden Logistikdeal knirscht er, dass damals eben keine Zeit gewesen sei für langwierige EU-Ausschreibungen. Und dann wechselt er sofort in die Offensive, das ist seine Strategie. Seinerzeit sei er angegangen worden, weil er auf Mails von Händlern gar nicht reagiert habe, heute dafür, dass er sich persönlich eingeschaltet habe. Jetzt bei den Schnelltests sei es wieder dasselbe, beklagt sich Spahn. Dieses „Wie man's macht, macht man's verkehrt“-Gejammer wirkt ziemlich underdressed für ein Kabinettsmitglied. Letzte Woche wollte er sich noch zur Kontaktbörse machen, nur damit sich anschließend die Anekdoten aus Gesprächsrunden häufen, in denen Spahn geradezu ausgerastet sein soll, weil er sich dafür nun wirklich nicht zuständig fühlt.
Was sich tatsächlich wiederholt, ist das Chaos, das Spahn mit seiner Politik anrichtet. Erst wurden die Tests monatelang schlechtgeredet, dann hat der Minister erneut völlig überhastet Freitests für alle versprochen. Von Kanzerlin Angela Merkel zurückgepfiffen – und das war kein Racheakt am ungeliebten Spahn, es war eine Notbremse. Nicht einmal Spahns neue Lieblinge aus der Discounter-Drogerie-Familie konnten bei der angekündigten Laientestung Schritt halten: dm wartet immer noch auf die Boson-Tests, Aldi verteilt immerhin schon massenhaft Zertifikate.
Der Aufbau der Testzentren läuft zu spät an, weil die Rahmenbedingungen lange nicht klar waren. Die vorgesehene Vergütung für die Apotheken ist so knapp bemessen, dass die Bundesländer aufstocken müssen. Die Länder haben sich – da muss man Spahn recht geben – bei der Organisation allerdings auch nicht mit Ruhm bekleckert.
Nächstes Kapitel: Verteilung der Corona-Impfstoffe in der Fläche. Wieder wirkt Spahn überhastet, wieder gibt es Ärger mit den Ländern. Spahn schimpft über Johnson & Johnson, weil Impfstoff Nummer 4 vermutlich nicht in der erhofften Menge kommt. Dabei hätte Spahn bei der Impfkampagne eine Dosis Erfolg so dringend nötig. Der „Spiegel“ hat seinen Rücktritt bereits offen gefordert. Der „Stern“ zieht nach mit der Titelstory „Was kann eigentlich Jens Spahn?“
Dass sich die Presse auf ihn eingeschossen hat, liegt nicht nur an seiner fahrigen Politik, sondern auch an seinem Umgang mit Journalisten. Spahn kämpft so verdächtig hartnäckig um diese Immobiliengeschichte, dass er nur immer weitere Nachfragen und Recherchen provoziert. Jetzt schaltet der Minister sogar den Datenschutz ein. Es ist vor allem diese komplette Instinktlosigkeit, die uns an einem Spahn in dieser Phase am meisten überrascht.
Irgendwie erinnert das Ganze an die „Wulff-Affäre“ – den damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff und sein rotes Klinkerhaus in Großburgwedel. Auch wenn sich keiner der ganz harten Vorwürfe gegen ihn bestätigte, waren die Leute seiner damals einfach überdrüssig. Er konnte sein Amt ebenfalls nicht so ausfüllen, wie man es von ihm erwartet hätte.
In Spahns Vergangenheit gibt es definitiv mehr als ein unschuldiges Bobbycar: Die PR-Agentur Politas mit Kunden in der Pharmabranche, das Investment in Taxbutler, während er selbst Staatssekretär im Finanzministerium war. Wie kann er da erstaunt tun, wenn sich die Öffentlichkeit dafür interessiert, dass er seine Wohnung von einem Mann kauft, der später einen sehr prominenten und hoch dotierten Posten bei der Gematik übernimmt. Und wie seinerzeit Wulff überschätzt sich Spahn in der Annahme, die Berichterstattung über seine Person lenken zu können. Wenn am Wochenende herauskäme, dass Spahn dem Bild-Chef die Mailbox vollgeqiatscht hätte – es wird einen nicht mehr wundern.
Minister Spahn hat heute so viel Platz eingenommen. Hier finden Sie die anderen Top-News aller Wochentage kurz zusammengefasst: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag. Schönes Wochenende!
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