Gestatten Ballerstädt. Erna Ballerstädt. Sie ist sehr gerührt, dass sie exklusiv das E-Rezept testen darf und hat hier immer dann ihren Auftritt, wenn das digitale Großprojekt die nächsten Purzelbäume schlägt. „Testphase verlängert“ ist der aktuelle Terminus für: Es läuft noch immer nicht. Aber der Zeitplan wird natürlich trotzdem gehalten. Zwinkersmiley.
Einen vollen Tag vor dem geplanten Beginn der bundesweiten Testphase wurde diese abgeblasen und verkündet, was sich längst abgezeichnet hatte. Die bisherigen Testergebnisse sind in der Einschätzung Beteiligter irgendwo zwischen „problematisch“ und „desaströs“. Deswegen sind alle froh, dass nun vorerst weiter nur in Berlin und Brandenburg getestet wird. Nur vielleicht DocMorris nicht, weil die neue E-Rezept-Kampagne jetzt komplett ins Leere brettert.
Um ein aktuell viel bemühtes Zitat von Christian Lindner ein weiteres Mal zu bemühen: Es ist besser, nicht zu testen, als falsch zu testen. Aus Sicht der Gematik ist das alles halb so wild. Es hätten eben „noch nicht alle Anbieter der Praxis- bzw. Apothekenverwaltungssysteme das für das E-Rezept notwendige Update bereitstellen können“, heißt es. Das ist eine formal korrekte Aussage. So wie: „Es haben noch nicht alle Bundesbürger:innen im Lotto gewonnen.“
Und weil die Gematik beim Bundesgesundheitsministerium eingezogen ist und der Minister gewissermaßen in eine Wohnung der Gematik, ist eine gemeinsame Sprachwelt entstanden. Die Testphase wird „zunächst“ um zwei Monate verlängert, über die bundesweite Einführung wird im Verlauf der Testphase entschieden. Spahn hätte vermutlich formuliert: „Bis zum Sommer können wir jedem ein E-Rezept-Angebot machen.“ Aber Spahn hat als selbst erklärter Hoffnungsträger einer neuen CDU-Generation derzeit weiß Gott anderes zu tun: Das Projekt 2025 steht an.
Die Gematik wird aber dann doch noch sehr konkret: „An der bundesweit verpflichtenden Einführung des E-Rezepts zum 1. Januar 2022 ändert sich nichts.“ Es wird halt allenfalls die Testphase etwas kürzer. Die Teams in den Apotheken und Praxen sollten sich an Silvester dieses Jahr vielleicht besser keinen halben Urlaubstag eintragen. Obwohl im Test unterschiedlichen Quellen zufolge zwischen 0 und einigen Dutzend Rezepte tatsächlich abgerechnet wurden, bleibt die Gematik zuversichtlich. „Showstopper“ seien nicht gefunden worden. In der IT-Sprache sind das gravierende Bugs, vielleicht war aber auch die ursprüngliche Bedeutung gemeint: Standing Ovations des Publikums mitten in einer Aufführung.
Christian Lindner will diesmal unbedingt regieren und sondiert deutlich ernsthafter als vor vier Jahren. „Mister FDP“ dürfte Finanzminister werden, wenn es eine Ampel geben soll. Und die könnte den Apotheker:innen einen Bundesgesundheitsministerium Karl Lauterbach bescheren. Wäre auch halb so wild, meinen wir in unserem Podcast. Die Apotheken haben sich in den vergangenen knapp zwei Jahren noch unverzichtbarer gemacht, also sie schon vor der Pandemie waren. Aktuelles Beispiel: Kaum gilt 2G in Berlin, werden die Apotheken schon wieder wegen Tests überrannt. Und Musterknabe Schittenhelm baur jetzt sogar eigene Impfzentren.
Auch von den Plattformen gibt es Neues: IhreApotheken.de gehört über die Noweda tatsächlich Ihren Apotheken, doch jetzt sollen sich auch Partner an der KGaA beteiligen. Geld einsammeln, um den Versendern im Marketing Paroli bieten zu können. Und keine Angst: Die Noweda behält die Mehrheit. Mitbewerber Gesund.de hat den eigenen Marktplatz auch diese Woche eröffnet und gleich so viele Apotheken an Bord, dass zum Start bei der Suche noch etwas nachgebessert werden musste. Besser als andersherum.
Auf eine gute Parkplatzsituation ist für viele Apotheken wichtig. Da kann man es verstehen, dass ein Inhaber aus Hessen es nicht lustig fand, als die Polizisten (von der Wache gegenüber!) ausgerechnet seine rare Fläche zuparken, nur um ausgerechnet seine Kunden und Lieferanten zu kontrollieren. Hat der Apotheker (laut Zeugen) freundlich angemerkt, hat ihm nichts genutzt. Die Polizeibeamten, die ihr Deeskalationstraining offensichtlich noch vor sich haben, haben auf den Apotheker mit ihren Schlagstöcken eingeknüppelt. Das haben zum Glück viele Augen gesehen, so dass seine Chancen vor Gericht nicht schlecht stehen dürfen.
Die Rezept-Polizei zieht auch wieder los: Bei DJ-Rezepten wird ab Oktober retaxiert, wenn die Dosierung oder der Hinweis DJ fehlt. Also aufpassen: Die neuen Rabattverträge der Ersatzkassen wirken so, als würden sie sich neue Vollabsetzungen selbst schaffen. Zumindest ein veritables Abgabechaos droht in der Offizin, teuer könnte es dann ab 2022 werden, wenn die Abgabeerleichterungen nicht weiter verlängert werden.
Immerhin helfen die Krankenkassen den Apothekern jetzt dabei, Rx-Preisbrecher zu sanktionieren. Eine neue Anlage zum Rahmenvertrag sieht dafür sechs Wächter vor, wobei die Kassen sich immer noch einen schlanken Fuß machen können. Die EU-Kommission hat ihr Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen des Rx-Boni-Verbots derweil kleinlaut eingestellt.
Die Flutkatastrophe im Juli hat auch einige Apotheker ihrer Existenzgrundlage beraubt. Besonders bitter, wenn die Versicherung sich aufgrund schlechter Verträge aus der Verantwortung ziehen kann. Für alle diesmal nicht betroffenen Inhaber:innen ein guter Anlass, sich die eigenen Verträge noch einmal genau anzusehen oder noch besser von unabhängigen Expert:innen prüfen zu lassen. Denn treffen kann es jeden, und Center-Apotheken haben offenbar ein ganz eigenes Risiko. Wer schon fertig ist mit Verträge checken: Schönes Wochenende!
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