Wie Spahn Weihnachten gestohlen hat Alexander Müller, 15.12.2018 07:51 Uhr
Mit Geschenken rechnen die Apotheker ja schon lange nicht mehr. Zwar durften Sie sich an der Hand vom lieben Onkel Herrmann die Nase am Schaufenster plattdrücken und das Rx-Versandverbot bestaunen, aber unter dem Weihnachtsbaum liegt es nicht. Da liegt ein Plan B – das gesetzgeberische Geschenkpendant zu braunen Wollsocken in Zeitungspapier verpackt.
Auf ihrem Wunschzettel waren die Apotheker schon bescheiden geworden: Ein Sachbuch über Gleichpreisigkeit. Nicht gerade spektakulär oder größenwahnsinnig. Aber es sieht aus, als ob es überhaupt kein Happy Rx-Mas gibt für die treuen Flächendecker. Viel Auszupacken gab es zwar, als der Minister vorbeischaute, aber Augen zum Leuchten gebracht hat er damit nicht. In einigen glitzerten höchstens Tränen der Wut.
Der Grinch war da und hat ihnen Weihnachten gestohlen. Nicht dieses Weihnachten, das findet mehr oder weniger wie gewohnt statt. Aber alle zukünftigen Weihnachten, vielleicht in zwei Jahren, vielleicht etwas später. Ein Holland-Deckel und eine 5-Prozent-Hürde sind stumpfe Waffen im Kampf gegen Gegner, der nach anderen Regeln spielen darf und über generöse Wettpaten verfügt. Passend zur Stunde kommen neue Zahlen, wie viele Apotheker schon ihr letztes Fest als Inhaber erlebt haben.
Wenn Ihnen die Bildmontage irgendwie vertraut vorkommt, dann sind Sie ein treuer Leser (oder Leserin) mit gutem Erinnerungsvermögen: 2014 hatten wir den G-BA-Vorsitzenden Hecken „vergrincht“. Seien Sie versichert, dass das reiner Zufall ist. Die Geschichte vom Grinch läuft gerade wieder im Kino. (Obwohl es fraglos Menschen gibt, denen die Farbe besser steht als anderen.) Den neuen Film habe ich noch nicht gesehen, aber in der alten Version mit dem genialen Jim Carrey heißt es über den Grinch: „Könnt sein, dass sein Kopf falsch draufgesetzt war, könnt sein, dass die Schuhe ihn drückten sogar. Am wahrscheinlichsten aber, glaub ich, wird sein, sein Herz war einfach zwei Nummern zu klein.“
Viele Apotheken haben jedenfalls den Glauben an den Geist der gegenwärtigen Weihnacht verloren. Nachdem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bei der ABDA-Mitgliederversammlung sein Paket vorgestellt hatte, wurde es nicht nur dort ungemütlich. Auch die Basis kocht, wie eine Blitzumfrage bei APOSCOPE sowie unzählige Leserkommentare verraten. Die Kassen und Karl Lautergrinch feiern den Minister.
ABDA-Präsident Friedemann Schmidt bemühte sich direkt im Anschluss vor laufender Kamera zwar noch, die gemeinsame Basis zu beschwören. Aber schnell wurde klar, dass es noch ein gutes Stück Arbeit bedeuten würde, die Kammern und Verbände zu überzeugen. Wenn sie nicht zustimmen, das hat Spahn unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, bekommen sie gar nichts. Er habe schließlich keinen Zeitdruck. Das ist schon ziemlich grinchig.
Und wenn dann vor Ort doch mal Weihnachtsstimmung aufkommen könnte, gibt es nur doch wieder Ärger – sogar um Weihnachtskugeln, ist es zu fassen. Aber man soll ja nicht immer nur das Schlechte sehen. In vielen Orten schmücken die Apothekenteams ihre Schaufenster ganz friedlich und erfreuen damit die Leute.
Künftig dürfen die Apotheker die Menschen ja nach Spahns Plänen auch noch mit allerhand Dienstleistungen erfreuen – hoffentlich lohnt sich das nicht nur für die schon heute Großen. Denn Dienstleistungen müssen erbracht werden, in der Regel von Menschen. Und wie es um die Personalsuche bestellt ist, zeigt das Beispiel mit den Super-Gehältern. Manch anderer betreibt sein Geschäft sowieso nur noch als Hobby-Apotheke. Wie der sich wohl auf Securpharm vorbereitet?
Gut vorbereitet hatte sich die ABDA auch auf die Schlacht um das Rx-Versandverbot. Gleich drei Gutachten hat sie zur juristischen Machbarkeit anfertigen lassen und den politisch Verantwortlichen vorgelegt. Nur eine breitere Öffentlichkeit sollte mit den Argumenten vorab nicht behelligt werden, so dass die Werke von di Fabio & Co. just an dem Tag veröffentlicht wurden, als das Rx-Versandverbot endgültig abgesagt war.
Denselben Transparenzansatz hat die Organisation mit dem 2hm-Gutachten gefahren. Mit vergleichbarem Erfolg. Das Werk wurde jetzt im Wirtschaftsausschuss des Bundestags besprochen. Die Grünen freuen sich, dass mit dem BMWi ein „gewisses Korrektiv“ da ist gegen das „Gemauschel von BMG und ABDA“. Wenigstens die Kirche wirbt wieder mit Apothekern. Aber ob das ein gutes Omen für die Zukunft ist, überlasse ich als Denksportaufgabe Ihnen. Und wer weiß, vielleicht besinnt sich der Grinch wie im Märchen ja noch und rettet mit einer genialen Temperaturführungsklausel Weihnachten. Frostige Grüße aus der Thermobox!