Der Impfpass wurde zwei Wochen nach dem angeblichen Impftermin gedruckt und der Kunde wurde im Impfzentrum zweimal vom selben Arzt geimpft. Jetzt will er in der Apotheke ein Zertifikat. Die Impfpassfälscher werden immer dreister und die Vorgaben für die Apotheken immer widersprüchlicher.
Nicht genug, dass die Apothekenteams ihre Kund:innen erst mit Desinfektionsmittel und dann mit Masken vor einer Corona-Infektion geschützt haben. Sie haben Testzelte aufgeschlagen und in den Impfzentren ausgeholfen. Als der Frostschutzfaktor für Comirnaty gesenkt wurde, haben sie die einst so begehrte Vakzin beschafft, zwischengelagert und an die Praxen verteilt. Und damit die Leute überall beweisen können, wie tapfer sie die Spritze ertragen haben, werden in der Apotheke digitale Impfzertifikate erstellt.
Das Portal dafür ist mittlerweile sicher, leider stellt sich das gelbe Heftchen als gar nicht so fälschungssicher heraus. Teilweise wurden sogar Stempel und Aufkleber aus Impfzentren geklaut, in anderen Fällen sind die Betrüger leichter zu enttarnen. Nur: Was dann? Nicht jede Apothekerin fühlt sich zum Hilfssheriff berufen.
In der Praxis anrufen und fragen, ob Patient xy tatsächlich dort geimpft wurde, ist nicht ohne Erlaubnis erlaubt. Der Datenschutz schützt leider auch die Kleinkriminellen, das ist ein bisschen wie in der Religion. Also gibt es Leitfäden und Handlungsanleitungen: Ein amtliches Dokument vorzeigen lassen ist der erste Schritt. Das war den Ärzt:innen schon zu viel, die wollten keine Amtsstube sein. (Oder sie wollten mit dem „Wir sind doch keine Amtsstube“ kaschieren, dass sie technisch gar nicht in der Lage waren, Zertifikate auszustellen.) Schritt 2: Das Zertifikat nur an den amtlichen Dokumentinhaber aushändigen. Klingt einfacher und logischer als sich der Versorgungsalltag in Apotheken darstellt, geht aber irgendwie.
Der Verdacht erhärtet sich. Das Bundeskriminalamt rät Apotheken allen Ernstes, den falschen Impfpass einzubehalten und die Polizei zu informieren. Wer mehr als 10.000 Mal über Rabattverträge diskutiert hat, kriegt auch das nun folgende Gespräch mit dem Fälscher bestimmt locker hin.
Doch was, wenn der gar nicht wirklich Geimpfte es sich anders überlegt und nun doch kein Zertifikat, dafür aber sehr dringend seinen Impfpass zurückhaben möchte? Dürfen Apotheker:innen und PTA dann Maßnahmen im polizeilichen Sinne ergreifen? Es ist noch nicht abschließend geklärt, ob der Einsatz eines Wasserwerfers mit der Apothekenbetriebsordnung vereinbar ist.
Vielleicht werden die Inhaber:innen aber auch bald verpflichtet, die Personen bei hinreichendem Tatverdacht festzusetzen, bis weitere Maßnahmen eingeleitet werden. Als Erweiterung der Apothekenbetriebsräume müssen dann Zellen für die Untersuchungshaft eingerichtet werden. Die Nutzung des Beratungszimmers ist nicht zulässig, da der Beschuldigte über seine Rechte aufgeklärt werden muss und diese ein Telefonat mit einem Anwalt beinhalten – der Datenschutz verbietet dies aus dem Diskretionszimmer.
Oder doch einfach laufen lassen, am Ende gar Adolf Hitler?! Immerhin ist es aus Sicht des Landgerichts Osnabrück gar nicht so schlimm, einen Impfpass zu fälschen. Aber die nur noch geschäftsführende Regierung will hier schnell nachbessern. Und der schon entlassene Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will auf den letzten Metern seiner Amtszeit noch ein bisschen Impfstoff unters Volk bringen und postuliert den Booster für alle. Er geht wie immer mit gutem Beispiel voran und ist schon aufgefrischt.
Mal sehen, welche Überraschungen die Ampel-Koalition für die Apotheken bereithält. Die epidemische Lage ist – trotz massiv steigender Inzidenz – am 25. November erstmal vorbei, aber die Maßnahmen sollen bis Ende März verlängert werden. Was Rot-Gelb-Grün bei Gesundheit verhandeln, ist geheim, aber morgen verraten wir Ihnen hier, wer neue Gesundheitsministerin wird. Vielleicht.
Wer Angst hat, etwas verpasst zu haben: Hier gibt es für jeden Wochentag eine Zusammenfassung der wichtigsten Meldungen des Tages. Das Beste: Sie müssen nicht einmal lesen. Schönes Wochenende!
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