Spahns versteckte Botschaft Alexander Müller, 28.09.2019 09:53 Uhr
Es gilt das gesprochene Wort. Aber die Wahrheit liegt oft dahinter. Und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat beim Deutschen Apothekertag (DAT) mal wieder alle Register gezogen – verbal und nonverbal. Vor allem nonverbal. Deshalb haben wir wieder unsere hauseigenen Körperspracheanalysten auf den Minister angesetzt. Staunen Sie selbst.
Das Bild oben links (A) zeigt Spahn schon mitten in der Fragerunde. Gerade wurde er erneut auf das Rx-Versandverbot angesprochen. Damit hatte er zwar gerechnet, er hat die Debatten auf dem DAT ja gestern live verfolgt, unentdeckt, da verkleidet als Pharmaziestudent. Aber er hatte schon gehofft, dass das etwas schneller vorbei ist. Hier also seine Gedanken zu A:
Ich fasse das nicht, ich pack‘ das einfach nicht. Das kann jawohl nicht Warzenschwein! Wie oft müssen wir das denn noch durchkauen?! Es. Wird. Kein. Rx. Versandverbot. Geben. Bitte frag mich doch mal einer, was ich gemacht hätte, wenn die Kollegen aus dem Justizressort nichts dagegen haben würden… Richtig: Kein Rx-Versandverbot.
Bei Bild B (oben rechts) hat Spahn gerade gesagt, Apotheke sei für ihn als Landei immer ein Stück Heimat. Den fehlenden Applaus lächelt er einfach weg. Nur Schmidt lacht mit, er hat den Satz von Spahn einfach schon zu oft gehört. Den Beifall gab es dann für das Bekenntnis zur flächendeckenden Versorgung. Spahn denkt: Wundervoll. Ihr habt eine Stunde mit mir und verschwendet Beifall auf diese Floskel. Wenn ich gewusst hätte, dass das so einfach ist, hätte ich gestern nicht eure ganze Debatte bei ADHOC nachgelesen. Jetzt sage ich gleich noch, dass wir alle dasselbe Ziel haben. Is ja auch so. Aber wenn ihr euer RxVV wollen, dann bekommt ihr von mir NixVV.
Bei Bild C hat ein Apotheker gerade gesagt, man lasse sich nicht bedrohen, vielleicht gebe es in drei Monaten ja schon einen anderen Gesundheitsminister. Verbal hat Spahn sinngemäß geäußert, dass ihn das kalt lasse, er sei ja Münsterländer. Er hat aber etwas beleidigt nachgeschoben, dass er sich solche Sätze schon merke. Und gedacht hat er (Abbildung C, unten links):
Kann sein, dass ich in drei Monaten nicht mehr Gesundheitsminister bin. Aber weg bin ich noch lange nicht. Vielleicht bin ich dann Kanzler. Oder Imperator. Mit deinen armseligen Fähigkeiten bist du weder mir noch der dunklen Seite der Macht gewachsen! Wenn du dich nicht bekehren lässt, werde ich dich vernichten! Du junger Narr, erst jetzt, wo dein Ende naht, hast du die Dinge erkannt!
Womit wir beim letzten Bild wären. Spahn hat gemerkt, dass ihm heute hier kein Unheil droht. Die Apotheker werden nicht auf die Bundesratstaube setzen, sondern den VOASG-Spatz nehmen, den Spahn in seiner Faust zerdrückt. „Fein, warum nicht gleich so? Freut mich, dass wir zueinander gefunden haben. Aber wo ist eigentlich der fröhliche Typ neben mir?“ (Abbildung D, unten rechts).
Damit ist der DAT also über die Bühne und den Bühler gebracht, die Mühen der Ebenen kombiniert mit grundsätzlichen Debatten. Die ABDA-Spitze hat sich oder wurde in eine wenig beneidenswerte Lage gebracht zwischen Bundesrat und politischer Vernunft, oder vielmehr Vernünftigkeit. Es war ein vernehmbares Aufmucken zu spüren an der Basis, aber am Ende hat man sich notgedrungen zusammengerauft und muss nun abwarten, ob die Regierung noch lange genug hält, um den Apothekern überhaupt noch etwas zu erfüllen. Spahn hat – und das stimmt wirklich – am Ende noch an die Apotheker appelliert, sie mögen die Sozis zum Durchhalten überreden.
Und nebenher und drumherum brandete wie immer die Expopharm, deren Ufer inzwischen an den Rändern von zwei Messehallen verläuft, was der Stimmung im Inneren aber keinen Abbruch getan hat. Das gilt nicht nur, aber insbesondere für den Candy-Stand Nummer 1, aber auch für (fast) allen anderen Aussteller, Maskottchen, Besuchern.
Aber über DAT und Expopharm ist in dieser Woche eigentlich alles gesagt und geschrieben. Klicken Sie sich bei nicht ruhen wollendem Interesse durch die zahllosen Galerien, DAT-Berichte, Messe-Geschichten und Marktneuheiten. Tipp: Einfach auf das Sternchen neben der Überschrift bei einem der Texte klicken, dann geht es über das DAT/Expopharm-Spezial zu allen Beiträgen aus Düsseldorf.
Doch auch außerhalb der Messenhallen 1 und 3 hat sich die Apothekerwelt weitergedreht. Sehr tragisch ziemlich unweit in Köln, wo es zwei Todesfälle aufgrund einer verunreinigten Glukose-Rezeptur gegeben hat. Die Apotheken wurden vorsorglich geschlossen. Die Aufklärung steht noch aus. Friedemann Schmidt wurde auch dazu vom ZDF-Morgenmagazin befragt.
Worum es in dem Interview nicht ging, waren Lieferengpässe. Dabei hat die ABDA selbst herausgefunden, dass der Schuh hier besonders drückt. Ein Apotheker hat sich sogar die Mühe gemacht, für die „List of Shame“ eine eigene Website zu programmieren. Das hätte man früher auch keinem erzählen können – und nicht nur wegen der Website.
Als wären Retaxationen der Krankenkasse nicht schon nervig genug, kürzen jetzt auch die privaten Versicherungen Rechnungen auf Null. Eine solche Pseudo-Retax hatte eine Apotheke aus Berlin, weil der Versicherte sein Rezept zu spät eingereicht hatte. Der ist nämlich im Basistarif versichert und hat deshalb nur einen Monat Zeit, sich seine Medikamente zu besorgen. Besonders charmant: Versicherungsrechtlich ist kein Schaden entstanden, weshalb der Apotheker jetzt vor der Alternative steht, die 3500 Euro aus eigener Tasche zu bezahlen oder seinen Kunden zu verklagen.
Was die gute Lage, Lage, Lage für die Apotheke vor Ort ist, ist für den Versender die Positionierung bei Google. Um in den Suchergebnissen möglichst vorne zu landen, hat sich die Versandapotheke Apo-Discounter eine ganze Reihe generischer Webadresse gesichert, darunter Apotheke.de, Apo.com, Apotheke-online.de und Versandapo.de. Doch dieser Generalanspruch wird von Mitbewerbern angefochten. Verkürzt auf die Frage: Wem gehört eigentlich DIE „Apo“?
Uns nicht, uns gehört das Wochenende. Und wenn Sie noch auf der Expopharm sind: Halle 3, Stand E07! Ich gebe eine Runde Zuckerwatte aus!