Spahn bringt eigenes Magazin heraus Alexander Müller, 13.02.2021 07:59 Uhr
In der Apotheke ist heute mehr los als sonst. Vor der Offizin hat sich eine lange Schlange gebildet. Gibt es Gratis-Masken für alle oder ein Millionengewinnspiel? Nein, die neue „Jens“ ist da – das Magazin von und mit Gesundheitsminister Jens Spahn.
Es begann Mitte Februar 2021: Das Landgericht München I hatte die Frechheit, dem Minister einen Kartellverstoß zu unterstellen, nur weil der sich bei der Nischensuchmaschine Google die Top-Platzierung gesichert hatte. Spahn hatte dafür kein Verständnis: Demokratie bedeutet doch, dass die besten und fähigsten einer Gemeinschaft ganz nach oben kommen und die Verantwortung nehmen, oder nicht? Also haben sie auch die besten Informationen. Und die müssen auch ganz oben stehen. Einfache Gleichung, aber der Minister hat sich verrechnet.
Nach der Schlappe vor Gericht hatte Spahn zunächst erwogen, sich einen Doktortitel zu kaufen, damit seinen Botschaften noch mehr Seriosität zugemessen wird und sie im Google-Ranking steigen. Doch Parteifreunde rieten ab. Bild-Zeitung? Zu unberechenbar. Alle zwei Wochen das Cover der Apotheken Umschau kapern? Gibt nur wieder Ärger mit Burda. Spahn besinnt sich auf seine Stärken: Ego-Promo. Er macht einfach sein eigenes Magazin, den Titel hat er schon: Jens Health!
Was steckt drin? Gesundheitsthemen, von den besten Experten in den obersten Bundesbehörden zusammengestellt und abgesegnet, dazu gesundheitspolitische Einblicke aus allererster Hand. Spahn erklärt selbst seine wichtigsten Gesetze und für die ganz eingefleischten Jens-Fans gibt es ein XXL-Faltposter des Superministers. Wenn Umschau und MyLife in der Apotheken überrundet sind, könnte der Sprung in den Kiosk folgen.
Der Ansatz ist ein universeller: Den Evidenz-Enthusiasten liefert Spahn einen Homoöpathie-Check. Den People-Interessierten gibt er wohldosierte Einblicke in sein Privatleben. Die besten Minister-Rezepte zum Nachkochen, Jens Fitness-Programm, „Spahns Sofa“ mit Buch- und Filmtipps. Natürlich dürfen auch die Apothekenmagazin-Klassiker nicht fehlen: Rätselspaß mit Knobel-Spahn und TV-Programm mit Minister-Empfehlung. Moniert wurde von der Leserschaft allerdings, dass der große Selbsteinschätzungstest „Der Kannsler“ schon ausgefüllt ist.
Ein Stück Realsatire haben Spahns Anwälte in Wirklichkeit in München abgeliefert, als sie dem Landgericht weismachen wollten, Google habe keine marktbeherrschende Stellung. Sein Gesundheitsportal will das BMG trotz der Schlappe mit Spahns Nullnummer weiter betreiben. Das ist auch richtig so, nur soll sich das Ministerium eben dem Wettbewerb stellen und die Hinterzimmerdeals weglassen. Und was die Alternativmedizin betrifft, wäre ich auch nicht so hochnäsig an seiner Stelle, wenn man bedenkt, dass der Impfstoff in homöopathischen Dosen geliefert wird und die Alternative zum Impfplan leider Lockdown 3 heißen muss.
Wobei man ja derzeit auch aus einem anderen Grund weniger raus kann: Es ist mal wieder Winter. Ältere Inhaber:innen geben damit an, früher sei es ganz normal gewesen, dann und wann in der Apotheke zu übernachten, für diese Filialleiterin war es das erste Mal. Und auch der Großhandel hatte mit den Straßenverhältnissen zu kämpfen. Dabei durchlebt die Branche laut Phagro ohnehin seit Monaten eine Schlechtwetterlage. Auch die neue Sanacorp-Niederlassung kann nicht darüber hinwegtäuschen. Die Hochpreiser drücken massiv auf die Marge, die Großhändler verlangen eine Honorarreform. Mit anderen Worten: Mehr Geld.
Weniger Geld pro Maske bekommen die Apotheken ab Coupon 2. Auch die „ALG-II-Masken“ werden zum neuen Preis von 3,90 Euro abgerechnet. Deshalb gibt es jetzt drei Sonder-PZN für die Abrechnung. Zum Glück, dass die Krankenkassen mit der Abwicklung nicht mehr zu tun haben, als die Berechtigungsscheine zu verschicken. Sonst würde es erstens nicht laufen und die Apotheken zweitens anschließend retaxiert werden. Unlängst hat wieder ein Landessozialgericht entschieden, dass die Apotheken auch für Doppelverordnungen haften.
Versandapotheken haften dafür, dass die Arzneimittel sicher ausgeliefert werden und beim Transport nicht zu heiß oder zu kalt werden. Das wurde mit dem Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) noch einem „klargestellt“, wie das BMG meint. Die Versender würden die Temperaturkontrolle aber seit jeher beachten. Sagt wer? Der EAMSP. Wer war das nochmal? Der Europäische Verband der Versandapotheken. Na wenn das so ist, kann man die Überwachung ja weiterhin im Niemandsland der deutsch-niederländischen Fastzuständigkeit lassen. Ein paar Versandapotheken gibt es auch hierzulande noch. Aber falls Sie das Plattförmchen von Sanicare noch nicht kennen, macht das auch nichts.
Im Kampf gegen Corona setzt die Bundesregierung jetzt auch auf Laientests. Die SPD will sie sogar kostenlos über die Apotheken verteilen lassen. Die Laientests gibt es zwar erst ab März, aber spätestens dann sind die Apotheken gefragt. Und die meisten haben auch verstanden, dass das eine Chance ist.
Es lohnt sich nicht, wegen der willkürlich anmutenden Kürzung beim Maskenhonorar beleidigt zu sein. Unter dem Strich bleibt es ein sehr gutes Geschäft. Eine Apotheke spendet sogar ihre Erlöse. Vielleicht entfallen mit der Kürzung auch die Debatten um die erlassene Eigenbeteiligung. Das Landgericht Düsseldorf hält den Maskenrabatt ohnehin für unzulässig (aus lustigen Gründen) und HAV-Chef Holger Seyfarth für unpassend. Die dümmsten Sprüche bei der Maskenabgabe werden den Apothekenteams vermutlich noch einige Zeit in den Ohren klingen. Schönes Wochenende!