Im Wahlkampf sticht ein Interviewformat heraus: Kinderreporter:innen bringen Spitzenpolitiker:innen reihenweise in Verlegenheit. Die Abda will so einen Coup beim Deutschen Apothekertag (DAT): Gesucht werden Kinder, die Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) grillen.
Für das ZDF hat „Logo“-Kinderreporter Alexander den AfD-Kandidaten Tino Chrupalla Schachmatt gesetzt. Eine einfache Nachfrage zu dessen Lieblingsgedicht brachte die volkstümelnde Fassade zum Einsturz. Pauline und Romeo haben für Late Night Berlin (ProSieben) Olaf Scholz (SPD) und Armin Laschet (CDU) auf besonders wunde Punkte ihrer Politik angesprochen. Das wurde zwar wegen des „Knopfes im Ohr“ als manipulativ kritisiert und wirkte auch etwas weniger authentisch – trotzdem war es vielsagend, wie unterschiedlich sich die Kanzlerkandidatin in dieser Ausnahmesituation schlugen. Das Interview mit Annalena Baerbock (Grüne) folgt noch.
Das Format ist auf jeden Fall erfrischend und könnte sich auch für den DAT eignen. Denn als Spahn vor zwei Jahren in Düsseldorf zu Besuch war, hat er die Mitgliederversammlung einfach plattgewalzt. Das würde den Kindern nicht passieren. Die würden ganz unschuldig fragen: „Wie viel hat dein Haus gekostet?“ Und: „Wieso darf ich das nicht fragen?“ Und dann: „Du hast ja ganz schön viele Häuser. Verdienst du so viel Geld als Minister?“ Etwas später: „Und warum kennst du die Leute mit den Häusern dann immer?“
„Warum haben so viele in deiner Partei Geld von Firmen haben wollen, nur damit die dem Staat Masken verkaufen? Ist das nicht total korrupt?“ Nachfrage: „Hast du auch schon mal was Korruptes gemacht?“
„Warum hast du nicht verboten, dass Arzneimittel, für die wir ein Rezept brauchen, mit der Post verschickt werden? Du hast das doch versprochen!“ Und wenn Spahn dann mit den rechtlichen Bedenken der Verfassungsressorts um die Ecke kommt: „Hast du es wenigstens versucht? Weil ganz viele Länder in Europa machen das doch auch. Haben die keine Verfassung oder halten die sich einfach nicht an die Gesetze?“
„Ist DocMorris dein Freund?“
Die Kinderreporter würden auch beim Thema Honorierung hart nachfragen: „Wieso sagst du immer: Ich geb dir Geld, wenn du das und das für mich machst, und gibst dann nachher doch weniger?“ „Versprochen ist doch versprochen.“
„Wenn du nach der Wahl nicht mehr Minister sein darfst, was willst du eigentlich dann machen?“ [Pause] „Bitte werd‘ nicht Lehrer.“
APOTHEKE ADHOC hat auch keine Kinderreporter losgeschickt, trotzdem aber Parteien, Kandidaten und Politiker gecheckt. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak etwa will die Apotheker:innen wieder mehr wertschätzen. Warum die Union das in den vergangenen 16 Jahren versäumt hat, verrät er nicht. Aber er findet, dass Apotheken künftig mehr Impfungen durchführen sollen.
Mit derselben Forderung ist übrigens Weltoberarzt Professor Dr. Frank Ulrich Montgomery beim Health Lab by Burda überraschend vorgeprescht. Überraschend wohl auch für ihn selbst, denn er hat schnell nachgeschoben, dass er das eben nicht als Ärztefunktionär gesagt hat. Aber Montgomery ist so glaubhaft dafür, Corona mit allen Mitteln einzudämmen und das Sterben zu beenden, dass ihm die Kolleg:innen hoffentlich nicht böse sind. Der Vortrag war auf jeden Fall ein Highlight. Burda-Vorstand Philipp Welte erinnerte daran, wie Spahn mit seinem Google-Deal den Versuch unternommen hatte, eine „Staatspresse“ zu installieren.
Sabine Dittmar (SPD) hat erklärt, dass Einsparungen bei den Apotheken nach der Bundestagswahl „überflüssig“ seien. Viel mehr zu erwarten haben sie von den Sozialdemokraten aber offenbar auch nicht. Zunächst soll das Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) mal seine Wirkung entfalten. Das wäre ja wirklich wünschenswert, doch leider konnten sich der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der GKV-Spitzenverband nicht auf Details zu den pharmazeutischen Dienstleistungen einigen, die Sache muss also ins Schiedsverfahren.
Für die CDU hat Alexander Krauss versichert, dass er über neue Honorarbausteine nachdenken möchte. Immerhin. Video-Interviews mit Vertreter:innen der anderen Parteien folgen zeitnah. Mit ADHOC-Herausgeber Thomas Bellartz habe ich mich in unserem Podcast NUR MAL SO ZUM WISSEN auch wieder über den Wahlkampf unterhalten, das zweite Triell und das sogenannte Zukunftspaket der CDU. Und dann haben wir ein 100-Tage-Paket für Apotheken geschnürt.
Baerbock hatte keine Zeit, aber die Bundesgeschäftsstelle ihrer Partei hat gegenüber dem Verbund Starke Apotheken (VSA) erklärt, dass die Grünen die Apotheken in ländlichen Gebieten gern mit einem Umlagesystem stärken möchten. Auf der anderen Seite sind sie allerdings für „flexible Preise“ bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Es bleibt kompliziert.
Allzu flexibel bei der Abrechnung von Luftrezepten war ein Apotheker aus Berlin. Er muss sich jetzt vor dem Landgericht verantworten, sein halbgares Geständnis reichte der Richterin für einen Deal noch nicht aus. Doch Fälschung und Betrug lauert in jeder Apotheke – und zwar auf Kundenseite: Das Bundeskriminalamt warnt davor, dass es eine wachsende Nachfrage nach gefälschten Impfausweisen gibt. Die Teams sollen die Augen offen halten.
Das sollten sie spätestens ab Oktober auch bei der Impfstoffbestellung, denn dann ändern sich einige Vorgaben. Und aufgrund der nunmehr festgestelltem längeren Haltbarkeit von Comirnaty können auch formal „abgelaufene“ Vials an die Praxen ausgeliefert werden. Und Impfteams müssen die Apotheken, bei denen sie beziehen, regelmäßig wechseln. Neue Impfstoffe gibt es aber auch: Novavax startet eine klinische Studie zu einem Kombiimpfstoff.
Es ist der heimliche Traum vieler Hersteller: Ohne Umweg über die Apotheke direkt an die Kund:innen zu liefern. Nicht wenige Firmen haben in den vergangenen Jahren heimlich eigene Webshops aufgebaut. Aber nicht nur Kosmetik und NEM, sondern richtige echte Arzneimittel. Eine Möglichkeit dazu hat Fabian Kaske mit seiner Versandapotheke Dr.Vital geschaffen. Der Holland-Versender leiht seine Lizenz gewissermaßen für den OTC-Versand. Die bislang teilnehmenden Hersteller möchten aus naheliegenden Gründen zunächst einmal unerkannt testen.
Verschreibungspflichtige Tierarzneimittel dürfen dagegen gar nicht verschickt werden. Der Bundesrat hat das Tierarzneimittelgesetz beschlossen. Begründet wird dies mit der „Problematik des verbreiteten illegalen Verkaufs von Tierarzneimitteln im Internethandel, der eine Bedrohung für die Gesundheit von Mensch und Tier darstellt“. Kinderreporter, übernehmt bitte! Schönes Wochenende!
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