Das System ist scharf gestellt und verbucht erste Erfolge: Securpharm hat schon am Morgen eine Fälschung aus dem Verkehr gezogen! In der Apotheke vermischen sich die Gefühle: Das Team ist begeistert, dass sich der Aufwand offenbar lohnt, andererseits gedeiht die Ungewissheit, mit was man die Patienten denn bislang versorgt hat.
Alles wie immer: Der Patient betritt die Offizin, legt sein Rezept auf den HV-Tisch. Metformin, wie immer. Schnell den Rabattpartner geprüft und die richtige Packung gefischt. Alles wie immer. Fast. Ab heute gilt Securpharm. Und die Packung hat einen 2D-Code. Also wird sie mit dem neuen Scanner eingelesen und siehe da: Die Ampel auf dem Bildschirm springt auf rot! Alarm, eine Fälschung, zumindest ein Verdachtsfall.
Der Apotheker reagiert mit der Gelassenheit, die ihn die düsteren Vorhersagen und Warnungen haben einüben lassen. Es lächelt dem Kunden freundlich zu und checkt die Freigabe der Charge. Tatsache, hier stimmt etwas nicht: Statt Metformin hat er eine Packung Mon Chérie gegriffen. Den jetzt fragend blickenden Kunden beruhigt mit einem vermurmelten Satz über Rabattverträge, verschwindet noch einmal im Backoffice und kommt wenig später mit der richtigen Packung wieder. Wäre das ohne Securpharm auch gelungen?!
Die Packung Mon Chérie wird vorerst unter Quarantäne gestellt. Eine Praline entnimmt der Apotheker mit Vorsicht und schickt sie direkt an Claudia Bertani (Sie wissen schon, die Pharmazierätin unter den Kirschtesterinnen, die mit dem weißen Cabrio). Die Prüfung bringt Gewissheit: Die Piemont-Kirsche kommt in diesem Fall aus Polen. Aber das ist schon in Ordnung so. Bevor der Apotheker tiefer in das Markenregister und Herstellungsverfahren befasst, gibt er dem Team eine Runde Kirschpralinen aus und freut sich auf den Securpharmstart.
Tatsächlich ist heute in Apotheken bis auf ein paar falsche Fehlermeldungen nicht viel zu erwarten. Denn der Stichtag 9. Februar gilt bekanntermaßen nur für die Hersteller. Ab heute dürfen ab Werk nur noch Packungen freigegeben werden, die codiert sind und den Erstöffnungsschutz haben. Die Läger in den Apotheken werden sich erst allmählich mit Packungen füllen.
Dass die nicht registrierten Testpackungen zunächst noch Fehlermeldungen auslösen, ist in Kauf zu nehmen, finden die Verantwortlichen. Das System muss sich eben noch warmlaufen. Bei Securpharm ist man froh, dass das Ganze an einem Samstag scharf geschaltet wird, weil da nicht so viele arbeiten. So kann man das auch sehen. Nota bene: Den Apotheken hat Securpharm zum Start noch ein paar Arbeitshilfen an die Hand gegeben. Besser spät als nie. Auch Awinta hat es für die umgestellten Asyskunden bis zum Schluss spannend gemacht und das Update erst im Verlauf der Woche installiert. Andere geben sich noch gelassener.
Bitte das Scherzen über Securpharm nicht missverstehen. Mit Arzneimittelsicherheit kann man es eigentlich nicht übertreiben. Doch laut der hauseigenen Securpharm-Statistik gab es 2016 insgesamt 14 Verdachtsfälle auf eien Fälschung in Deutschland, die sich alle nicht bestätigt haben und im Jahr darauf 57 Fälle, von denen sich ein einziger bestätigt hat. Da kann man schon verstehen, dass ein 10-12 Milliarden Euro teures Projekt zumindest hinterfragt wird. Denn der Handel mit gefälschten Arzneimittel in der nicht-legalen Lieferkette ist das eigentliche Problem und der wird auch künftig weitergehen.
Und man hätte erwarten dürfen, dass es zur Einführung reibungslos läuft und die Apotheker nicht wie die Piemontkirsche hinter HV-Tisch stehen und in etwa folgenden Dialog führen: „Geht gleich weiter, ich schaue nur noch kurz, ob Ihr Arzneimittel gefälscht ist.“ „Ja aber, das habe ich doch immer schon bekommen.“ „Und das war auch immer völlig in Ordnung. Wir schauen das nur nochmal nach. Alles ok. Außer ihr Blutdrucksenker neulich, da war Nitrosamin drin, das ist womöglich krebserregend, aber die Packung war auf keinen Fall gefälscht.“
Nicht jeder Rückruf hat mit Arzneimittelsicherheit zu tun. Manchmal geht es nur um die Kennzeichnung: Deshalb musste Mucosolvan Phyto Complete jetzt komplett vom Markt. Sanofi nimmt alle noch in den Apotheken vorhandenen Bestände des Medizinprodukts zurück. Hintergrund ist ein Rechtsstreit mit dem Schutzverband gegen Unwesen in der Wirtschaft. Mehrere hunderttausend Packungen sind betroffen.
Trotzdem gut, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) das Thema Arzneimittelsicherheit jetzt ganz oben auf seine Agenda gesetzt hat. Jedenfalls irgendwo auf die erste Seite seiner To-do-Liste auf dem Weg zur Kanzlerschaft. Und zwischendurch hat er auch noch Zeit gefunden, sich mit einem Apotheker über Apotheken zu unterhalten. Im dritten Teil des Video-Interviews ging es unter anderem um die flächendeckende Versorgung. Und Spahn ließ sich zu der Aussage hinreißen, in Berlin-Köpenick gäbe es de facto keine Apotheke mehr. Ein Ortsansässiger meldet sich: „Wir leben noch!“
Das gilt längst nicht für jeden Standort. Die ABDA hat jetzt die offiziellen Zahlen für 2018 herausgegeben. Unter dem Strich gab fast jeden Tag ein Inhaber auf. Eigentlich auch kein Wunder, wenn Kassen wie die DAK wegen 1 Cent retaxieren oder von ihren Vertragspartnern für die Abgabe von saugenden Inkontinenzhilfen in der Häuslichkeit nicht nur eine ausufernde Präqualifizierung verlangen, sondern neuerdings auch einen Beweis dafür, dass die Apotheke 80 Prozent der Telefonate in 20 Sekunden annimmt. Elf Vertragspartner hat die Kasse bundesweit gefunden, eine Apotheke ist nicht dabei. Und die Ergebnisse vereinzelter Testanrufe lagen im 20-Prozent-Korridor. Dummer Zufall, bedauerlicher Einzelfall.
Manch einer ist froh, wenn er den Zirkus hinter sich hat und sich in den verdienten Ruhestand zurückziehen kann. Dass das für Apotheker Krive gilt, ist nicht anzunehmen. Jedenfalls darf sich die nächste Generation freuen: Olympia-Teilnehmer (1964) Krivec hat nach 50 Berufsjahren seine drei Apotheken übergeben. Drei seiner sieben Kinder sind Apotheker geworden – die Quote ist gar nicht so schlecht. Bei Familientreffen darf trotz dieser offenkundigen Berufszuversicht nicht über die Pharmazie gesprochen werden. Wer die Regel bricht, muss ein Mon Chérie essen. Schönes Wochenende!
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