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Der Apotheker mit den zwei Gesichtern Alexander Müller, 21.04.2018 07:50 Uhr

Berlin - 

„Morgen Chef!“ „Mowen.“ „Huch, was ist denn mit Ihnen los?“ „Ih habe mir ie Tsunne abbebissen.“ Es gibt in der Apotheke viele höfliche, nette Kunden, die sich über die Beratung freuen. Und es gibt hin und wieder welche, die nicht ganz so höflich sind. Wann ist eigentlich der Punkt erreicht, wenn aus dem netten Apotheker der fiese Apotheker wird?

Wieso haben Sie nie irgendetwas da?
Der nette Apotheker: Wir bringen Ihnen das Medikament gerne später vorbei.
Der fiese Apotheker: Wir haben 10.000 Packungen an Lager, Ihres nicht.

Ich musste 10 Kilometer zum Notdienst fahren.
Der nette Apotheker: Die Dienste werden leider zentral verteilt. Wie kann ich Ihnen denn helfen?
Der fiese Apotheker: Ich weiß, Sie haben ja schon zweimal angerufen.

Sie spielen da ewig an Ihrem Computer herum, das kann doch nicht so schwer sein.
Der nette Apotheker: Wir sind auch nicht glücklich über die ganze Bürokratie.
Der fiese Apotheker: Pschscht, ich spiele Candy Crush! Und Sie haben Diabetes.

Geld für die Tüte?! Sie sind ja wie Aldi!
Der nette Apotheker: Das ist unser Beitrag zu Umweltschutz.
Der fiese Apotheker: Wissen Sie was? Heute 2 Euro.

Dann müssen Sie mir das halt bringen.
Der nette Apotheker: Unser Botendienst macht am Nachmittag die Runde. Passt das?
Der fiese Apotheker: Ich muss nur eins: sterben. Aber nicht so bald wie Sie.

Die Umschau bezahlt doch sowieso die Pharmalobby.
Der nette Apotheker: Leider nicht, wir zahlen pro Heft, aber machen Ihnen gerne eine Freude.
Der fiese Apotheker: Das stimmt und die ist auch voller Werbung. Nehmen Sie lieber keine.

Der Rewe hat doch auch bis 23 Uhr geöffnet.
Der nette Apotheker: Für Supermärkte scheint sich das auch zu lohnen.
Der fiese Apotheker: Dann holen Sie sich doch Ihren Blutdrucksenker bei Rewe.

Wieso dauert das mit der Salbe so lange?
Der nette Apotheker: Wir fertigen Ihre Rezeptur individuell und mit großer Präzision an.
Der fiese Apotheker: Ich kann Ihnen auch einfach Nivea mitgeben.

Ich wollte nicht die ganze Apotheke kaufen.
Der nette Apotheker: Bei diesem Sonderangebot verdienen wir schon fast nichts mehr.
Der fiese Apotheker: Das ist wirklich der originellste Spruch, den ich seit Jahren gehört habe. Krass.

Sie sollen bei mir nochmal Blutdruck messen.
Der nette Apotheker: Ja, das machen wir gerne, bitte setzen Sie sich schon mal hin.
Der fiese Apotheker: Sagt wer? Ihr Arzt? Ihre Mutter?

Im Internet kostet das die Hälfte.
Der nette Apotheker: Versandapotheken erbringen auch nicht dieselben Leistungen wie wir, deswegen können sie manchmal preisaggressiver sein.
Der fiese Apotheker: Vielleicht wirkt es dann auch nur halb?

Der Hund macht doch gar nichts.
Der nette Apotheker: Leider dürfen Tiere nicht in die Apotheke – ist eine Vorschrift.
Der fiese Apotheker: Dann soll er draußen nichts machen.

Können Sie das als Geschenk verpacken?
Der nette Apotheker: Im Moment ist es sehr voll. Wenn Sie einen kleinen Moment Geduld haben, mache ich das gleich gerne.
Der fiese Apotheker: Auch wenn es gut riecht: Sie sind hier nicht bei Douglas.

Das Rezept bringe ich später.
Der nette Apotheker: Leider darf ich Ihnen das Arzneimittel nur mit Verordnung herausgeben.
Der fiese Apotheker: Prima, dann gebe ich Ihnen Ihr Medikament auch später.

Sie müssen diese Notdienstgebühr nicht kassieren.
Der nette Apotheker: Das stimmt. Aber 2,50 Euro erscheint mir für unseren Bereitschaftsdienst angemessen.
Der fiese Apotheker: Sie müssen auch nicht klingeln.

Apotheker Andreas Binninger bleibt eigentlich immer freundlich, kann aber auch sehr bestimmt sein: Als ein Kunde telefonierend sein Rezept über den HV-Tisch reichte, sagte der Apotheker trocken: „Wenn Sie Zeit für mich haben, dann habe ich auch Zeit für Sie.“ Wenn Grenzen der Unhöflichkeit überschritten werden, lässt sich Binninger das nicht bieten.

Manche Kunden sind mit dem ganzen System unzufrieden. Da ist es dann schwer zu helfen. Anne H. aus Laupheim beklagt öffentlich ihre Notdienst-Odyssee zwischen Klinik, Bereitschaftsarzt und Apotheke. Sie findet, der Patient sei der Volldepp im System. Komisch, das denken alle anderen auch von sich, ausgenommen diejenigen, die es gemacht haben.

Noch unangenehmer als ein gemeiner Kunde kann ein Besuch des Pharmazierats werden. Wenn der schlecht gelaunt oder naturstreng ist, kann es ungemütlich werden in der Offizin. Einige Dinge, die Sie unbedingt verstecken, gerade rücken oder vorbereiten sollten, damit Sie auch morgen noch mehr oder weniger freundliche Kunden in Empfang nehmen können.

Und wenn man den Kunden wirklich etwas Besonderes bieten will. Dann kann man sie zum Beispiel direkt an der Tür abholen lassen, gemütliche Sitzecken einrichten oder den Kommissionierer anschaulich in die Offizin integrieren. So hat es Apothekerin Monika Wilders im schweizerischen Erlinsbach vorgemacht.

Vorturnen könnte Rebekka Pech den Kunden in der Apotheke ihres Bruders. Wenn es dort eine Stange gäbe. Denn die Apothekerin kennt sich nicht nur mit Rabattarzneimitteln von der Stange aus, sonder auch an der Stange. Die 29-Jährige ist ausgebildete Pole-Dancerin und gibt sogar Kurse an der Uni. In der Apotheke sind gelegentlich immerhin Dehnungsübungen im Generalalphabet zu besichtigen.

Das kann natürlich nicht jeder – und mancher sollte es auch nicht versuchen. Aber mit pharmazeutischem Sachverstand sollte jeder Apotheker glänzen können. Apotheker Matthias Blüm konnte besonders glänzen, als er verhinderte, dass ein dreijähriges Kind ein Erwachsenen-Antibiotikum bekam. Dem Kinderarzt war bei der Verordnung ein Fehler unterlaufen. Für die Wachsamkeit des Pharmazeuten zeigte er sich sehr dankbar, die Familie sowieso.

Etwas undankbar ist die Situation derzeit für Steuerberater: Sie werden von besorgten Apothekern gebeten, einen Vertrag zur Auftragsdatenverarbeitung zu unterschreiben – wegen dieser sich nähernden Datenschutz-Grundverordnung. Problem: Aus Sicht der Steuerberater müssen sie das gar nicht. Problem der Apotheker: Aus Sicht anderer Steuerberater schon. Wäre ja zu einfach sonst.

Kleiner Ausblick zum Schluss: Am Dienstag trifft sich die ABDA-Spitze mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Es soll über eine Reform des Apothekenhonorars geredet werden und natürlich über das Rx-Versandverbot. Das steht zwar auf der To-Do-Liste im Koalitionsvertrag, allerdings mit Notausgang. Und Spahn wirkt, als wäre er gewillt, den zu nutzen. Nun ja, abwarten. Schönes Wochenende!