ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Retax-Firmen treten in Streik Alexander Müller, 20.05.2023 07:54 Uhr

Montage: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

In der kommenden Woche (22.-26. Mai) ist mit einem Warnstreik bei den Rezeptprüffirmen zu rechnen. Die Retaxbuden wollen aus Protest gegen die aktuellen Entwicklungen im Abrechnungsmarkt die Arbeit niederlegen und planen dezentrale Protestaktionen in Apotheken und Geschäftsstellen der Krankenkassen.

Streikführer Nils Geefes bastelt an seinem Protestplakat: „Keine Retax-Retax!“ steht darauf. Dazu erklärt er: „Wir nehmen mit großer Sorge wahr, in welche Richtung sich die politische Diskussion um die Retaxationen dreht. Der Apothekerverband will Nullretaxationen abschaffen und aus Teilen der Ampel ist Sympathie für diese absurde Idee zu hören. Jetzt auch noch diese Gegenäußerung der Bundesregierung! Nicht mit uns! Null Bock ohne Null-Retax! Deswegen streiken wir!“

Die zentralen Forderungen der Gewerkschaft Re.Tax zusammengefasst

  • Formfehler dürfen ausnahmslos retaxiert werden.
  • Jede Krankenkasse muss einmal pro Monat eine neue Abrechnungsvorschrift einführen, die zu Vollabsetzungen führen kann.
  • Bei Retaxationen, die sich nach Widerspruch als unberechtigt erweisen, wird ein Drittel des Betrages (mindestens 50 Euro) dennoch einbehalten, als Aufwandsentschädigung für die Prüffirma.
  • Bei E-Rezepten darf nur im Freitextfeld verordnet werden, da sich Verordnungsfehler sonst zu leicht vermeiden lassen.
  • Pauschale für jede Betriebsstätte: Unabhängig von tatsächlichen Retaxationen muss jede Apotheke einen Beitrag von jährlich 1000 Euro zum Erhalt der flächendeckenden Retax-Infrastruktur leisten.
  • T-Rezepte werden grundsätzlich retaxiert.
  • Die Frist für Retaxationen wird auf zehn Jahre verlängert, die Einspruchsfrist auf 24 Stunden reduziert.
  • Apotheken sollen ruhig mit Tipp-Ex Korrekturen vornehmen (hihihihihi).

Es gehe ihm nicht nur um die eigenen Provisionen, erklärt Geefes. Der ehrenwerte Berufsstand der Formfehlerfinder müsse auch an die nächste Generation der Rezeptkontrolleure denken. „Wo kommen wir denn da hin, wenn der Apotheker auf einen Blick erkennen kann ist, ob das Rezept so stimmt und er es einreichen kann?! Ich verstehe ehrlich gesagt auch gar nicht, warum die Apotheker auf diesen Nervenkitzel verzichten wollen – das macht doch den Beruf erst spannend. Oh nein, jetzt habe ich mich auf dem Protestplakat verschrieben. Könnten Sie die Änderung eben abzeichnen?“

In Wirklichkeit geht es den Retaxbuden leider noch zu gut – kein Anlass für Streiks. Anders bei den Apotheken – und die haben sich jetzt zu einem gemeinsamen Protesttag entschlossen. Am 14. Juni sollen die Apotheken dicht bleiben, in Düsseldorf ist schon Großdemo geplant. Die Abda wünscht sich, dass alle mitmachen und verteilt unterstützend Null-Euro-Scheine.

Noch ist schwer abzuschätzen (hier zwei Prognosen), wie viele sich beteiligen werden. Es gibt solche, die meinen, sich einen geschlossenen Tag nicht leisten zu können, und solche, die schon jetzt die Kolleginnen einschwören. Doch die Mehrheit scheint überzeugt, dass es sich die Apotheker:innen jetzt nicht leisten können, nicht zu streiken.

Bleibt noch die Frage zu klären, ob die Apotheken überhaupt streiken dürfen oder ob Ärger mit der Aufsicht droht. Sollte Letzteres eintreten, dürfte die Zahl der spontanen und gleichzeitig dauerhaften Apothekenschließungen einen neuen Rekordwert erreichen. Dabei geht es schon so steil bergab. Erstmals ist im vergangenen Jahr sogar die Zahl der Filialapotheken zurückgegangen.

Zwar keine dauerhafte Schließung, aber zumindest flexiblere Öffnungszeiten sind jetzt in Rheinland-Pfalz erlaubt. Die Allgemeinverfügung zur Dienstbereitschaft könnte vor allem kleinen Landapotheken helfen, bedarfsgerechter aufzusperren – mit Blick auf die Kundschaft und das eigene Personal.

Ein Teil der Branche hat übrigens schon mit Arbeitskampf zu schaffen: Der Großhandel wird bestreikt. Falls Sie das noch nicht bemerkt haben, spricht das für Ihren Großhändler oder gegen die Kampfkraft der Gewerkschaft. Apropos: Die Adexa unterstützt den Protest der Apotheken.

Was sollen wir noch zum Ärztetag in Essen sagen? Klaus Reinhardt ist mit drei Stimmen Vorsprung wiedergewählt worden und die Ärzte wollen gerne im Notdienst dispensieren. Und auch bei Engpässen und auch wenn Patienten Medikamente zurückbringen, die sie nicht vertragen. Moment mal, war der BÄK-Präsident nicht der Mann mit dem Fetisch für Tauschbörsen und Flohmärkte? Die KBV wiederum ist gegen Versorgung to go in Apotheken und offenbar dagegen, dass mehr Menschen geimpft werden oder ihren Blutdruck checken lassen.

Ein kleiner Lichtblick: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat seinen Füller wiedergefunden und das UPD-Gesetz unterschrieben. Heißt: Die erleichterten Abgabeverlängerungen sind damit in Kraft. Jetzt müssen die Apotheken darauf hoffen, dass sich die Krankenkassen wie versprochen die Füße stillhalten und die Gewerkschaft Re.Tax nichts von der Friedenspflicht mitbekommt. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Schönes Wochenende!