Pilotprojekt: Apotheker geht hausieren Alexander Müller, 30.11.2019 07:59 Uhr
Die letzte Meile zum Kunden ist die härteste, aber hier liegt auch das meiste Kundengold. Deshalb hat ein Apotheker aus Bochum ein Pilotprojekt gestartet: Als fliegender Händler geht er von Haustür zu Haustür und fragt die Anwohner, ob sie etwas benötigen. Die ersten Erfahrungen sind positiv – und sehr kräftezehrend.
Den Bedarf des Patienten kennen, bevor dieser selbst etwas merkt, das ist der Anspruch des Apothekers. Deshalb hat er sein Rollköfferchen mit den gängigsten OTC-Arzneimitteln befüllt und dreht immer am späten Nachmittag seine Runde. „Früher lohnt es sich nicht, weil dann viele nicht zu Hause sind. Außerdem muss ich auch noch in der Apotheke sein.“ Natürlich könnte er auch jemanden schicken, aber irgendwie erscheint es ihm seriöser, wenn der Chef persönlich kommt.
In seiner fliegenden Hausapotheke hat „Captain OTC“ fast alles, was im Akutfall benötigt wird – wenn es benötigt wird. Denn zugegeben, an neun von zehn Türen klingelt er umsonst. Böse Reaktionen der ungefragt beratenen habe er aber noch nie erfahren. Selbst die kerngesunden finden den fürsorglichen Service sehr zuvorkommend.
Und genau darum geht es. Zuvorkommen. Und zwar allen anderen. Vor-Ort-Apotheke auf ein ganz neues Level heben. Denn eines ist klar: Besteht tatsächlich einmal Bedarf, ist der Erfolg grenzenlos. „Ich fühle mich tatsächlich nicht ganz wohl. Ist wohl eine Erkältung im Anmarsch, ich wollte später eh noch in die Apotheke gehen“, schnieft es erfreut an der Haustür. Umsatz getätigt, Kunden glücklich gemacht. Funktioniert auch bei Tierhaltern.
Extra Gebühren verlangt der Apotheker in der Pilotphase vorerst nicht. Wenn sich die Kunden erstmal an den Service gewohnt haben und den Weg zu einer Apotheke gar nicht mehr alleine finden, kann er immer noch kassieren. Natürlich hätten die Hersteller auch liebend gern Exklusivplätze im Köfferchen, aber auf entsprechende Anfragen geht der Pharmazeut selbstverständlich nicht ein. Er wählt frei nach eigener Überzeugung aus und variiert bei den Anbietern vergleichbarer Produkte.
Ob er mit seiner Idee rechtlich auf der richtigen Straßenseite ist, weiß er selbst nicht genau, noch hat kein Pharmazierat seinen Weg gekreuzt. Er redet sich aber ein, einen sicheren Weg gefunden zu haben. Hat der Kunde in spe an der Haustür wirklich Kopfschmerzen, zückt der Apotheker sein Tablet und lässt den Patienten selbst die Bestellung auslösen. Da der Apotheker eine Versandhandelserlaubnis hat und sich selbst als externen Botendienst beauftragt (eigene Firma!), müsste das eigentlich glatt gehen…
Wie das so mit den Pilotprojekten ist: Manche heben erstmal ab, bevor Kurs und Ziel feststehen. Zum Beispiel dieses Projekt in Frankfurt. Apotheken liefern über Tiramizoo Thomapyrin, umsonst, innerhalb von zwei Stunden als eine Art Versandhandelsbotendienst. Falls sich jetzt jemand unsicher ist: Der Rollkoffer ist ausgedacht, das Tiramisu gibt’s wirklich. Und sorry, wenn wir die Idee nicht wie erhofft abfeiern, nur weil sie mit digital zu tun hat. Vielleicht hätte die Curacado-Truppe die Nerven behalten und das Ding zu Ende denken sollen. Der nicht initiative Teil von Pro AvO steht jetzt auch etwas ratlos am Spielfeldrand.
Auf der anderen Seite sieht sich die Noweda mit ihrem Zukunftspakt schon weiter. Zwar werden auf Nachfrage keine Zahlen zu den bisher erfolgten Bestellungen über IhreApotheken.de verraten. Aber vor einer Woche hat man sich in Essen trotzdem sehr für das bisher Erreichte gefeiert. Mitfeiern darf bei der Genossenschaft aber nur, wer brav bestellt. Und der Vertrieb sitzt jetzt im Vorstand.
Wie man als Großhändler die Apotheker wirklich ärgert, konnten wir in dieser Woche in Österreich sehen. Die Gehe-Schwester Herba Chemosan hat Tüten mit Werbung für Hausapotheken an ihre Kunden verschickt. Dazu muss man wissen, dass Hausapotheke ein Euphemismus für dispensierende Ärzte ist. Elegante Parade eines Apothekers: Eine Tüte im gleichen Style auf Facebook gepostet mit der Botschaft, dass es ja zum Glück noch andere Großhändler gebe.
Unerfreuliche Post haben vor allem Apotheker in Sachsen-Anhalt bekommen – und zwar von der ortsansässigen AOK sowie außerhalb – auch der Landesgrenzen – von der IKK gesund plus. Diese beiden Kassen fordern aufgrund eines Steuerrechtsstreits zwischen dem Fiskus und einer niederländischen Versandapotheke jetzt eine Verjährungsverzichtserklärung für etwaige Rückforderungen bei der Besteuerung der Herstellerabschläge. Klingt schlimmer als es ist.
Noch direkter möchte easyApotheke Geld bei den eigenen Mitgliedern einsammeln. Zumindest wird über eine Beteiligung der Apotheker an der AG ernsthaft nachgedacht. Das grüne Franchise-Konzept wird nicht gleich zur zweiten Noweda, aber es sieht wie ein ernstgemeinter Versuch aus, die Mitglieder enger zu binden und dabei gleichzeitig Geld einzusammeln. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.
Was sonst noch war: Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will nicht an den Rabattverträgen rütteln, Hexal schlägt sich wegen Biosan mit dem Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) herum und die Hausärzte kooperieren jetzt mit Migasa und Alphanet. Dieser SPD-Abgeordnete befragt die EU-Kommission wegen DocMorris.
Diese PKA hat Arzneimittel im Wert von 500.000 Euro geklaut und auf dem Schwarzmarkt verkauft. Sie ist damit erstaunlich lange nicht aufgeflogen, jetzt aber schon. Apothekerin Heike K. und ihr Mann Manfred sind schon einen Schritt weiter: Das Amtsgericht Nordhausen verurteilte beide zu Haftstrafen, die ebenfalls beteiligte PTA kam mit einer Bewährungsstrafe davon. Sie dagegen werden jetzt sofort ins Wochenende entlassen. Machen Sie das Beste daraus!