ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

pDL: Der erste Härtefall in der Praxis

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Berlin -

Eine erste Blitz-Evaluation der neuen pharmazeutischen Dienstleistungen belegen den positiven Effekt: Bei allen zwölf Männern im besten Alter, bei denen Apotheker Özgür S. heute den Blutdruck gemessen hat, waren die Werte katastrophal und eine Neueinstellung dringend geboten. Und noch eine Gemeinsamkeit fiel auf…

„Oha, 180 zu 110. Das ist wirklich sehr, sehr hoch“, sagt Özgür. „Darüber sollten Sie dringend mal mit Ihrem Hausarzt sprechen.“ Die Augen des Patienten mit dem hochroten Kopf werden schmal: „Ich habe keinen Hausarzt“, sagt er durch zusammengebissene Zähne. „Dann sollten Sie sich einen zulegen. Und der sollte Ihnen aus meiner Sicht schnellstens ein Antihypertensivum verordnen“, klärt der Apotheker auf. „Ich bin der Hausarzt“, sagt der Bluthochdruckpatient. „Oh“, sagt Özgür.

Und der Hypertoniker-Doc war nur den Anfang. Im Laufe des Tages kommt fast ein Dutzend weiterer Mediziner in die Offizin, alles Männer, alle irgendwie berufspolitisch engagiert. Und weil alle eine reichlich ungesunde Gesichtsfarbe haben, schlagen Özgür und sein Team wiederholt vor, die neue Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Aber das scheint die Symptome oft noch zu verschlimmern.

„11,20!“, brüllt der nächste Patient. „Nein, 170 zu 120“, korrigiert PTA Kilian, der diesmal gemessen hat. „11,20 Euro bekommt ihr dafür!!!“, dröhnt es aus dem Beratungszimmer. Der EBM-Fixierte wird aufgeklärt, dass das hier nur die erste von drei Messungen war, dass das Budget gedeckelt ist und die Krankenversicherung vermutlich ein Vielfaches dieses Betrags spart, wenn die Kosten für die – bei unbehandeltem Zustand sicher anstehende – Behandlung der Folgeerkrankungen entfallen. Sogar die Analyse der Polymedikation ließe sich in manchem Fall sparen. Die Schiedsstelle hat sehr genau gerechnet.

Halten wir also ganz unironisch fest: Allein für die Ärzte dürften sich die pharmazeutischen Dienstleistungen. Ein perpetuum mobile. Mit Protest von der verfassten Ärzteschaft ist immer zu rechnen, wenn die Apotheken a) mehr Geld oder b) neue Aufgaben bekommen, die auch nur entfernt nach ärztlicher Tätigkeit riechen. Und wenn wie hier c) beides zusammenkommt, dann kann keine Ärzteorganisation die Füße stillhalten.

Und davon gibt es viele. „Inhaltlich fragwürdig und teuer“, schimpft KBV-Chef Dr. Andreas Gassen, „Apotheken sind keine Arztpraxen-to-go“, stimmt Ärztekammerpräsident Dr. Klaus Reinhardt mit ein. Mehreren Länder-KVen, die Freie Ärzteschaft, die Hausärzte, der Virchow-Bund, der SpiFa – alle finden die pDL doof, unnütz, zu teuer und von den falschen Heilberufler:innen erbracht. Warum die Aufregung? Übersteigerte Verlustangst, ist meine Diagnose.

Doch auch in den Apothekenteams läuft eine Konfliktlinie: Weil für drei von fünf der neuen pDL eine Fortbildung notwendig ist und diese wiederum nur Approbierte absolvieren dürfen, fühlen sich PTA diskriminiert. Wie soll das den Berufsstand stärken, wenn sie künftig die Patient:innen regelmäßig an die approbierten Kolleg:innen verweisen müssen? Wo doch gerade heute Tag der Ausbildung ist und an den PTA-Schulen schon großer Mangel herrscht.

Der Hauptgrund wiederum, warum die Apothekenteams laut einer aposcope-Befragung keine pharmazeutischen Dienstleistungen anbieten wollen, ist Personalmangel. Auf der Pro-Seite stehen vor allem Kundenbindung, erhöhte Therapiesicherheit und die Aufwertung der Apotheke. Zu den pDL gibt es bei APOTHEKE ADHOC ein eigenes Spezial – da finden Sie gesammelt alle Infos.

Ob unser Spezial „Corona-Tests“ eine Zukunft hat, wird sich Mitte kommender Woche zeigen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Bürgertests weiter anbieten. Also nicht er selbst, aber zum Beispiel die Apotheken und Artpraxen. Ob ab Juli aber weiterhin wirklich JEDER ein Testzentrum eröffnen darf, das soll angesichts der gemischten Erfahrungen bei den Abrechnungen noch zwischen Bund und Ländern geklärt werden. Und bei der Gelegenheit gleich, wer welchen Anteil bezahlt und wie viel es überhaupt noch gibt. Wenn es noch Tests gibt. Die Sommerwelle spricht eigentlich sehr dafür. Ärgerlich, dass wieder alles auf den letzten Drücker entschieden wird und die Testteams teilweise schon abgebaut werden.

Der Securpharm-Ausfall in dieser Woche hat den Apotheken erneut ihre schmerzliche Abhängigkeit von der Technik vor Augen geführt. Zwar war das Problem vergleichsweise schnell behoben und die EDV kann die Meldungen nachliefern, aber gerade mit Blick auf die Einführung des E-Rezepts machen sich Apotheken Sorgen. Was ist, wenn das Internet ausfällt (es müssen ja nicht gleich vier Wochen sein)? Die Gematik gibt mehr oder weniger hilfreiche Tipps.

Apropos E-Rezept: Shop Apotheke darf es sich nicht zu leicht machen und sich die Rezepte gleich von den Onlineärzten von Zava schicken lassen. Die Werbung dafür wurde gerichtlich untersagt. Douglas dagegen hat mit Disapo jetzt eine eigene Versandapotheke und will künftig auch einen Kanal für E-Rezepte bauen. Nicht alle Hersteller sind begeistert von dem forschen Auftreten der Parfümeriekette.

Begeistert, aber noch nicht genug begeistert ist eine Apothekerin aus Sicht der IKK in Sachen Umsetzung der Rabattverträge. 92 Prozent Quote ist laut dem Motivationsschreiben der Kasse unterdurchschnittlich. Da geht noch was. Wir gehen jetzt auch: Zu 100 Prozent ins Wochenende. (Außer die, die Notdienst haben. Tarif für Q1: 395,39 Euro.)

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