Die Polizei wartet vor der Automatiktür. Drinnen ist Notdienst. Der nächste Kunde hat schon wieder keinen Notfall, eher eine Notlage. Die Ausgangssperre treibt die Menschen in dieser Nacht in Scharen in die Apotheke.
Um Mitternacht stieg die Regierung mit Büffeltritt auf die Notbremse. Apothekerin Julia steht allein in ihrer dunklen Apotheke und denkt darüber nach, ob eine angekündigte und terminierte „Notbremse“ sprachlich eigentlich so gelungen ist. Packen wir den Ausdruck zum „Brückenlockdown“ und zu den „Soforthilfen“, denkt sie, als die Notdienstglocke sie jäh aus ihren Gedanken reißt.
Die junge Frau ist auf dem Heimweg und hat kein medizinisches Problem. Allenfalls erste Anzeichen Verfolgungswahn, denkt Julia. Denn die Kundin kauft schmerzfrei Ibuprofen, zahlt freudig die Notdienstgebühr und erklärt, das sei immer noch viel günstiger als ein Ordnungsgeld. Sie sei einfach zu spät dran – und der Weg über die Apotheke hebe die Ausgangssperre auf. Medikamente darf man sich schließlich immer holen. Julia schmunzelt, sie findet die Idee lustig. Noch.
Die ganze Nacht über geht das so weiter. Immer wieder kommen Kunden und kaufen sich Alibi-Nasenspray oder – offenbar bereits ein Running Gag auf Twitter – „Wick Wege Night“. Da klingelt das Telefon. Es ist die Polizei. Die Beamtin am anderen Ende fragt sehr direkt, ob eben ein junger Mann in der Apotheke gewesen sei und eine Flasche Bio-Rote-Bete-Mehrfruchtsaft gekauft hat. Da Julia gesundheitsbezogene Daten hier nicht übermäßig kompromittiert sieht, bejaht sie wahrheitsgemäß.
In den frühen Morgenstunden hat sich vor der Apotheke eine kleine Schlange gebildet, die Wartenden plaudern auf Abstand und kaufen dann in der Offizin gut gelaunt Salmiak-Pastillen. Auf dem Parkplatz vor der Apotheke steht ein Streifenwagen, das Blaulicht blinkt, die Beamten sind schlecht gelaunt, aber machtlos. Julia überlegt, ob sie die Öffnungszeiten ihres Testzentrums ausweiten soll.
Welche Wirkung die Ausgangssperre entfalten wird, bleibt abzuwarten. Die Politik sah sich jedenfalls zu dieser Maßnahme gezwungen, da die Infektionszahlen auf hohem Niveau stagnieren. Eine andere sind die Tests in Unternehmen. Auch in Apotheken können sich die Mitarbeiter:innen testen lassen. Nichts Neues für Betriebe, in denen selbst schon Bürgertests durchgeführt werden. Trotzdem werden neue arbeitsrechtliche Fragen aufgeworfen.
Center-Apotheken haben es in der Corona-Krise nicht leicht. Doch Claudia Heidl, Inhaberin der Arcaden-Apotheke in Berlin, gewinnt gerade viele neue Stammkunden. Zusammen mit ihrem Team testet sie was das Zeug hält: Mittlerweile ist das System so eingespielt, dass zwischen den vergebenen Terminen auch Laufkundschaft mit akutem Shopping-Bedürfnis zum Zug kommt. Im Video ermuntert Heidl ihre Kolleg:innen, auch jetzt noch mit dem Testen zu beginnen.
Denn auch wenn das Impfprogramm spürbar ins Rollen kommt und dann noch die Fachärzte einsteigen, sind definitiv noch ein paar Monate zu gehen. Und bei der Impfstoffverteilung gibt es ja ohnehin wöchentlich neue Wendungen und Überraschungen: Zwischendurch der Abschied von AstraZeneca, Und für die KW 18 gibt es schon wieder neue Vorgaben für die Bestellung, die allerdings auch schon wieder geändert wurden: Der Impfstoff von Janssen ist doch nicht dabei. Dafür kommt mehr AstraZeneca – und auch nicht später. Wäre ja auch zu einfach sonst.
In mehreren Bundesländern darf sich mit Vaxzevria mittlerweile impfen lassen, wer will. Dass die Stiko bei der Formulierung ihrer Empfehlung noch einmal nachjustiert, wird auf die Debatten in den Wartezimmern nur noch geringen Einfluss haben. Natürlich war auch die Politik getrieben von neuen Erkenntnissen, aber die Kommunikation war trotzdem eine Katastrophe. Zudem kommt das nachhaltig gestörte Verhältnis zwischen AstraZeneca und der EU.
Für das Honorar der Apotheken spielt es keine Rolle, welche Vials sie an die Praxen liefern. Nur für die befreundeten Großhändler dürfen sie für die Ultratiefkühlware mehr abrechnen. Nachdem die KBV zunächst eine falsche IK-Nummer vergeben hatte, ist der Prozess jetzt immerhin geklärt. Das neue Kennzeichen kann sogar ausgelesen werden.
Neuer Ärger droht mit den Rechenzentren, die den Aufwand mit den zweckentfremdeten rosa Wunschzetteln natürlich auch nicht umsonst machen wollen. Man kann die teilweise schon aufgerufenen Gebühren auch positiv sehen: Das ARZ Haan beispielsweise liefert der Abda damit gute Argumente bei dem Versuch, eine angemessenere Vergütung für die Impfstofflogistik auszuhandeln. Ausgewählte Apotheken sollen den Aufwand mit der Stoppuhr in der Hand messen.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verkündet zwar, dass die Priorisierung der Impfstoffe bald aufgehoben werden kann, hat aber weiterhin viele andere Baustellen. Mal geht es um die Immobilienkredite der Sparkasse, mal um die Beteiligung seines Ehemanns bei der Maskenbeschaffung. Und sein Haus hat nicht nur von merkwürdigen Firmen gekauft, sondern gegen einen Händler vor dem Landgericht Bonn in erster Instanz einen Prozess gegen einen Lieferanten verloren: Der Bund muss 1,8 Millionen Euro nachzahlen, der Fall könnte sich aber noch ein bisschen hinziehen – vielleicht bis nach der Bundestagswahl. Schönes Wochenende!
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