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Moderner Apothekerkampf

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Berlin -

Samstag, 3 Uhr in der Früh: Martina und Kai sind extra aufgestanden, um die Entscheidungen bei ihren Lieblingswettkämpfen live zu verfolgen. Jetzt sitzt das Apothekerpaar vorm Fernseher und fiebert mit. Kai sogar wortwörtlich, er hat die Männergrippe. Vielleicht kommt er deshalb zu der etwas verwegenen These: „Apotheke ist im Grunde wie Curling“.

Martina wendet sich ihm mit erhobenen Augenbrauen zu und wartet, ob noch eine Erklärung kommt. „Weil…?“, fragt sie nach gefühlt fünf Minuten. „Wir geben das Arzneimittel ab und können uns nicht sicher sein, wo es am Ende landet. Wenn alles glatt läuft, und die Beratung gut war, kommt es ins Ziel“, erklärt Kai. „Ah ja“, sagt Martina. „Das Wischen vor den Steinen ist die Beratung, die einzige Chance, ihren Weg zu beeinflussen“, fabuliert Kai weiter. „Und dann kommt die Kasse und haut den Stein aus dem Zentrum raus und uns eine Nullretax rein“, erwidert Martina mürrisch.

Aber sie hat sich angesteckt, vielleicht sogar wortwörtlich: „Ich finde Apotheke ist eher wie Abfahrt: Bei der Rezeptbelieferung versucht man irgendwie die Kontrolle zu behalten und nur keinen kleinsten Fehler zu machen, damit man nicht abfliegt.“ Kai schlägt vor: „Oder Bob: Es geht steil bergab mit den Apothekern und wer Pech hat, den haut’s schon vorher aus der Kurve.“

Martina: „Ich mache Einkunstlauf für unsere Kunden. Ich wirbele den ganzen Tag herum und mache die gewagtesten Sprünge. Nur Applaus gibt es selten...“ Kai halblaut: „Ich finde, bei euch sieht das immer eher nach Shorttrack aus, wild und chaotisch.“ „Freestyle Schatz, Freestyle“, sagt Martina. „Das Studium war dann eher Eishockey“, fügt sie hinzu. Wenn der Prof ‘Foul’ gepfiffen hat, musste man seine Strafzeit im Trockensemsester absitzen.“ „Foul?“ „Nein, faul…“

„Oder warte, jetzt hab ich’s: Apotheke ist moderner Fünfkampf: Retax abschießen, Genehmigung durchfechten, im HV ackern wie ein Pferd, Querfeldeinlauf durch das Dickicht der Vorschriften und sich dabei irgendwie über Wasser halten!“ Kai ist stolz wie Bolle. Doch Martina meint nur lächelnd: „Liebling, das gibt es nur bei den olympischen Sommerspielen.“

Viel Zeit, die olympischen Spiele nachts im Fernsehen zu verfolgen, hat auch Apotheker Johannes Jaenicke. Denn als Landapotheker leistet er mehr Notdienste im Jahr, als die gesamte deutsche Olympiamannschaft Goldmedaillen zusammenrodeln kann. Damit er seine Kinder wenigstens ab und zu sehen kann, nimmt er sie manchmal einfach mit in den Notdienst. So kann man dem Nachwuchsmangel in der Offizin auch begegnen.

Kollegin Nadine Freialdenhoven hat vor ihrer Selbstständigkeit bewusst Erfahrungen in anderen Apotheken gesammelt: Bei verschiedenen Inhabervertretungen hat sie sich angesehen, wie es in anderen Apotheken so läuft. Jetzt ist selbst stolze Besitzerin der Struwwelpeter Apotheke in Kerpen. Und damit steht sie künftig selbst vor der schwierigen Aufgabe, gutes Personal zu finden und zu halten. Vor allem wenn PTA auf einmal den Außendienst für sich entdecken und der Apotheke den Rücken kehren.

Ansonsten war diese Woche geprägt von Gerichtsprozessen unter unschön ausschweifender Beteiligung von Apothekern. Vor dem Landgericht Berlin muss sich eine ganze Rezeptfälscher-Bande verantworten. Die beiden Hauptbeschuldigten waren schon zu Protestauftakt umfassend geständig – trotzdem gibt es noch viele Fragen zu klären. Am Freitag musste unterbrochen werden, weil ein Zeuge nicht vernehmungsfähig war.

Deutlich unspektakulärer ist der zweite Fall, der in Berlin verhandelt wird: Eine Apothekerin soll die onkologische Ambulanz der Charité mit dringend benötigter Technik ausgestattet haben und das Gericht soll nun klären, ob als Gegenleistung dafür Rezepte ihren Weg in die Apotheke gefunden haben. Ein Oberarzt hat die Apothekerin aber aussagend entlastet.

Ein Apotheker aus Chemnitz ist sein Verfahren sogar schon los. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Revision gegen das Urteil des Landgerichts zurückgenommen. Der Vorwurf der Steuerhinterziehung ist damit vom Tisch. Und im Datenaffäre-Prozess geht es mittlerweile hauptsächlich um die Frage, ob man auch nur theoretisch Daten klauen kann, die aus Bequemlichkeit kein bisschen gegen Zugriff gesichert werden.

Weiter geht dagegen der Prozess gegen „Pfusch-Apotheker“ Peter S. In dieser Woche wurde über sein Vermögen und seine Verbindlichkeiten gesprochen, seine Anwälte haben außerdem mit geschmacklosen Vergleichen auf sich aufmerksam gemacht.

Das Geschäft mit der Retaxation scheint auch nach der Neufassung des Rahmenvertrags noch ein lukratives zu sein. Ein britischer Hedgefonds hat sich eine Retaxfirma gekauft und gkeich Ex-TK-Chef Norbert Klusen als Vorsitzenden des Beirats berufen.

Die DAK will beim Retaxieren noch etwas mehr rausholen und hat die Dienstleistung ausgeschrieben. Qualität und Preis werden offenbar gleich gewichtet. Memo: „Duplikat“ ist kein Retaxgrund. Und die BKK Energie ist bei ihren IK-Retaxen zurückgerudert.

Die JuLis dagegen bleiben ihrer neuen Linie treu: Der FDP-Nachwuchs setzt sich mal wieder für Apothekenketten ein. Und gegen das Rx-Versandverbot. Noch-Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) wurde dagegen auf Facebook dafür abgewatscht, dass er sich für das Vorhaben aus dem neuen Koalitionsvertrag gefeiert hat.

Dabei haben die Versandapotheken in dieser Woche kein besonders gutes Bild abgegeben. Die EU-Versandapotheke lässt Kunden regelmäßig auf ihre Arzneimittel warten und gibt Rezepte an eine Partnerapotheke weiter. Und nach der Übernahme der Deutschen Internet Apotheke wurden vermeintliche Kunden gebeten, ihre Daten für die neue Inhaberin freizugeben. Problem: Die Kunden konnten sich nicht erinnern, je bei der Versandapotheke bestellt zu haben. Dann lieber eine Mini-Apotheke in der Lücke übernehmen und alle Kunden persönlich kennen. Schönes Wochenende!

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