Lauterbachs Rosen-Kurzschluss Alexander Müller, 17.09.2022 08:02 Uhr
Was für eine nette Geste: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat die Delegierten des Deutschen Apothekertags (DAT) überrascht. Am Ende seines Grußwortes ließ er ein Meer von roten Rosenblüten über die Versammlung regnen – als Geste der Versöhnung in harten Zeiten.
In seiner mittellangen Ansprache (hier das echte Komplett-Video) hatte der Minister die Apotheken mehrfach in höchsten Tönen für ihre immense Leistung während der Corona-Pandemie gelobt. Zwischendurch hatte er zwar immer mal wieder etwas von „Lasten verteilen“ und „Kassenabschlag“ und „Hochpreisern“ gemurmelt, dann aber sehr nachdrücklich gesagt: „Für euch ihr Lieben, soll es rote Rosen regnen.“
Verwirrte Stille im Münchener Saal. Kam ihnen das so vor, oder hatte Lauterbach das nicht eben schon einmal gesagt? Soll bei Politikern ja vorkommen. Doch der übergroße Lauterbach auf der Leinwand blickte selbst nervös nach links und rechts, nickte auffordernd in die Kamera und sagte dann noch einmal „Danke! Danke! Für euch soll es ROTE ROSEN regnen!!!“ Diesmal hatte der Saaltechniker sein Stichwort verstanden. Auf Knopfdruck öffneten sich unter der Saaldecke die Luken und Tausende und Abertausende Rosenblätter regneten auf die erstaunte Menge.
Leider hat der DAT in einem Anfall überstürzter Digitalisierung die Handkarten für die Abstimmung gegen Tablets an den Plätzen ausgetauscht, um jede Abstimmung elektronisch durchführen zu können. Und leider ist Rosenblütenblatt so unglücklich in den mobilen Server gesegelt, dass es einen Kurzschluss gab und die Antragsberatung über mehrere Stunden unterbrochen werden musste, so dass der DAT bis mindestens Montagmittag fortgesetzt wird. Minister Lauterbach ließ noch ein Grußwort übermitteln, diesmal per weißer Brieftaube: Es tue ihm sehr sehr leid. „Ich hätte Ihnen das gerne erspart.“
Viele warme Worte
Tja, was anfangen mit diesem Lauterbach-Auftritt beim DAT am Mittwoch, bei dem er zwar in Wirklichkeit keine Rosen regnen ließ, aber außer warmen Worten tatsächlich nicht viel mitgebracht hat. Den Ärger über die Erhöhung des Zwangsabschlags könne er verstehen, davon absehen könne er aber auch nicht, sagte Lauterbach. Den Ärger über Paxlovid vom Arzt kann er nicht verstehen, denn das sei ja eine Ausnahme, aus der Not gebohren. Letztere muss so groß sein, dass der Minister in Zeitungsanzeigen für den Ärzte-Botendienst wirbt.
Die Versammlung konnte nicht viel ausrichten, außer sich das Wort „Effizienzreserven“ zu verbitten. Weil Lauterbach nur auf dem Display über dem DAT schwebte, blieb die Konfrontation gemäßigt (die haben wir übernommen) – und das war trotz aller anderslautenden Versicherungen des Ministers vielleicht doch ein aufgegangener Teil seines Plans des Nichterscheinens. Holetschek war auch nicht da, aber der war auch nicht eingeladen.
Doch die Apothekerschaft sammelte sich und verabschiedete am Freitag einen Antrag auf Honorarerhöhung, flankiert vom Bundesrat, der zumindest nichts von der Erhöhung des Kassenabschlags wissen will. Kammern und Verbände wollen außerdem das Pharmaziestudium schnell reformieren, die PTA-Ausbildung aber nicht.
Gedrückte Stimmung
Die Stimmung in der Branche dürfte entsprechend gedrückt bleiben, jedenfalls laut Abda ist sie das: Der Apothekenklima-Index ist im Keller. Vielleicht wurde beim DAT deshalb so viel über das Klima gesprochen. Das ist fraglos ein drängendes Thema, aber DAS drängendste Thema der Branche?
Die meisten Betriebe werden eher vom chronischen Personalmangel gequält. Und das führt in der Praxis zu unschönen Entwicklungen. Eine Mutter musste drei Apotheken aufsuchen, um die benötigte Rezeptur zu bekommen. Das kann nicht der Anspruch des Berufsstandes sein, kommentiert auch Kollegin Ciulli, die aber auch Verständnis für die Situation der Betriebe mitbringt. Ein schwieriges Feld.
Schwierig auch deshalb, weil die Aussichten nicht unbedingt rosig sind. Die AOK kündigt schon wieder Retaxationen an, die Industrie rechnet mit Insolvenzen und die Energiekrise bringt Teams schon dazu, die Fleecejacke unter dem Kittel zu tragen. Also: Warm anziehen und der Telekom sagen, dass man Internet braucht. Schönes Wochenende!