ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Lauterbachs Geheimauftrag im BMG Alexander Müller, 20.03.2021 07:25 Uhr

Berlin - 

Der Gedanke ist omnipräsent: Karl Lauterbach (SPD) sollte Jens Spahn als Bundesgesundheitsminister ablösen. Erst nur als Witz, dann vollkommen ernst gemeint, inzwischen als Running gag. Weiß denn niemand, dass Lauterbach längst einen Schreibtisch im BMG hat?!

2013 war Lauterbach schon einmal ganz nah dran. Damals hatte er für die SPD die Gesundheitspolitik im Koalitionsvertrag verhandelt. Jens Spahn für die Union. Minister wurde: Hermann Gröhe. Das war eher kein Expertiserennen, sondern der Lohn für einen harten Wahlkampf und Anerkennung für ein selbst in Unionskreisen selten gesehenes Talent, bei der CDU-Wahlparty derart herzig neben dem Takt zu klatschen. An Tagen wie diesen stand übrigens Armin Laschet mit auf der Siegerbühne und konnte sein Partyglück gar nicht recht fassen. Andere Zeiten eben.

Die Chefverhandler gingen leer aus. Spahn war zwar seinerzeit als gesundheitspolitischer Sprecher seiner Fraktion auch gehandelt worden, galt aber in der Union noch nicht als ministrabel. Und Lauterbach hatte sich irgendwann einmal verplappert: Er hätte so viel Lust auf den Job als Gesundheitsminister, dass er ihn auch umsonst machen würde. Mit dieser Haltung dringt man bei diesem Koalitionspartner selbstverständlich nicht durch, wie sich aktuell wieder schmerzhaft zeigt.

Der Wind hat sich gedreht. Die Argumente für Lauterbach waren zuletzt einfach zu bestechend: Er ist vom Fach, er isst kein Salz und benötigt aufgrund dieser Tatsache offenbar gar keinen Schlaf mehr, sodass er nachts Studien aufsaugen und tagsüber die Entwicklung der Pandemie korrekt vorhersagen und die angemessenen Maßnahmen vorschlagen kann. ‚There is no glory in prevention‘ ist ein geflügeltes Wort in der Corona-Krise, aber there is auch keine glory in immer Recht behalten. Armer Lauterbach, es war ihm ersichtlich unangenehm, so oft richtig zu liegen mit seinen Vorhersagen.

Und Minister Spahn wurde es immer unangenehmer, so viel erklären zu müssen, das nicht funktioniert. Sein geflügeltes Wort „Wir werden einander verzeihen müssen“ ist ebenfalls präventiv gedacht, um glory geht es dem Glücklosen schon lange nicht mehr. Lauterbach ist seine letzte Rettung. Die beiden arbeiten sich gesundheitspolitisch seit Jahren aneinander ab, kennen sich „ewig“, wie Lauterbach sagt (in Wirklichkeit). Und gestern saßen sie (auch in Wirklichkeit) nicht zufällig zusammen in der Bundespressekonferenz und beschworen ihre gute Zusammenarbeit. Denn was die Wenigsten wissen: Spahn hat Lauterbach längst zu seinem Schattenminister gemacht.

Lauterbach soll die epidemiologische Lage im Blick behalten, mit Virologen auf Augenhöhe diskutieren und dann die richtigen Ratschläge geben. Ja selbst zum Umgang mit unangenehmen Nachfragen wegen Lobbyverstrickungen könnten die beiden sich notfalls austauschen. Die Zusammenarbeit ist für beide ein Gewinn. Spahn bekommt endlich Hilfe. Lauterbach, der in seiner Fraktion jahrelang so wenig Liebe erfahren hat, dass er sich in einer Verzweiflungstat (und humoristischen Glanzleistung) von Hazel Brugger vergiften ließ, findet endlich die Wärme und Anerkennung, ohne die ein Rheinländer nicht leben kann. Der inoffizielle Titel an der Tür „Heimlicher Bundesminister für Gesundheit“ tröstet Lauterbach darüber hinweg, dass er an den Kabinettssitzungen nicht teilnehmen darf. Und solange Spahn im Nebenzimmer keine Impulskäufe oder sonstige beschaffungspolitischen Maßnahmen durchzieht, ist alles gut.

Der echte Jens Spahn hat über den echten Karl Lauterbach gestern übrigens Folgendes gesagt: „Wer weiß, vielleicht wird er ja nochmal Gesundheitsminister.“ So weit hergeholt ist die Idee mit dem Schattenminister als gar nicht. Zwar will Merkel vorerst noch an Spahn festhalten, aber allzu viele Fehltritte darf sich der einstige Kanzlerkandidat-Bewerber nicht mehr erlauben. Erste Einsicht in einem Randthema: Spahn gibt seinen lächerlichen Kampf um die Nennung des Kaufpreises seiner Villa auf.

Die Geschichte mit AstraZeneca ist über den Minister hereingebrochen wie über alle anderen und wenig geeignet, ihn dafür zu kritisieren. Er ist der Stellungnahme des PEI gefolgt und hat die Impfungen mit der Vakzin vorerst ausgesetzt. Er hätte mit guten Gründen auch anders entscheiden können und wäre auch kritisiert worden. Das ist schlicht und einfach eine extrem undankbare Situation und man darf zumindest überzeugt sein, dass sich niemand in der Regierung mit dieser Entscheidung leicht getan hat. Fußnote: Lauterbach hätte auch so entschieden wie Spahn. Jetzt geht es weiter, allerdings mit Aufklärungsbogen. Bleibt zu hoffen, dass der vorrübergehende Impfstopp keinen negativen Einfluss auf die Impfbereitschaft haben wird.

Denn geimpft werden muss endlich mehr, ob beim Hausarzt (Spahn setzt auf die Apotheken) oder im Impfzentrum und vielleicht bald auch mit dem Impfstoff Curevac (fordert Lauterbach). Die Zahlen steigen rasant, Kanzlerin Merkel zieht enttäuscht die Notbremse, der Oster-Lockdown steht vor der Tür. Es ist absurd, dass sich die Apotheken in dieser Phase allen Ernstes noch mit der Frage befassen müssen, ob das Auseinzeln von Laientests im Verkauf zulässig ist oder nicht. Bei Rewe liegen sie vom Fachpersonal unentdeckt neben dem Zigarettenpapier, bei den Discountern sind sie oft vergriffen. Jetzt hat der erste Spucktest seine Zulassung erhalten und auch Medice hat endlich grünes Licht für den eigenen Test erhalten. Den soll es aber nur in Apotheken geben.

Womöglich auch bei Versandapotheken. Wobei die sich teilweise über Zalando neue Kunden verschaffen wollen oder – wie Zur Rose – angeblich keine Kunden verloren haben trotz Rx-Boni-Verbot. Nicht nur, dass diese Aussage von CEO Walter Oberhänsli die vergangene Geschäftspolitik in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt, sie könnte in einem etwaigen EuGH-Verfahren auch zum Bumerang werden. Aber DocMorris will ja gar nicht mehr nach Luxemburg, sondern auf den Marktplatz. Tatsächlich haben sich schon einige Partner unter dem grünen Herz versammelt. Das wird noch spannend – vor allem wenn das E-Rezept kommt. Weil dieses Thema nach dem hoffentlich baldigen Abflauen der Pandemie schnell ins Zentrum rücken dürfte, gibt es bei APOTHEKE ADHOC jetzt ein eigenes Ressort dafür.

Und wir haben vorausschauend gefragt, ob die Apotheker:innen wirklich lieber Karl Lauterbach als Gesundheitsminister möchten. Das Ergebnis verrate ich hier nicht, damit der echte Karl Lauterbach die Gelegenheit hat, den Link nicht zu klicken. Schönes Wochenende!

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