Land in Aussicht! Alexander Müller, 06.02.2021 07:59 Uhr
Captain Jens Spahn steht im Mastkorb und blickt in die Ferne: „Impfstoff in Aussicht!“, ruft er zum Deck hinunter. Irgendwas muss er schließlich rufen und mit dem „in Aussicht“ fährt er ganz gut in letzter Zeit – auch wenn die See stürmischer wird.
Was Captain Spahn zum Beispiel gerne in Aussicht stellt, sind Angebote. Bis zum Sommer werden wir jedem ein Impfangebot machen können. Also jedem eine Corona-Impfung verpassen können, der danach fragt. Und wenn gar nicht so viele fragen, weil sie wissen, dass nicht genug Impfstoff da ist, dann ändert das nichts an der Aussicht. Klar soweit? Spahns kleines Geheimnis: Manchmal macht er sich seine Initialen zu Nutze und lässt seine Unterschrift ein bisschen nach Jack Sparrow aussehen.
Ob er das auch bei dem Brief an die EU gemacht hat, weiß er nicht mehr, er hat ja überhaupt erst aus der Zeitung von seinem Brief erfahren. Und wie es sich für einen echten Freibeuter, und von denen hat die Junge Union Borken wahrlich nicht viele hervorgebracht, gehört, kapert Captain Spahn nicht nur Ideen, sondern weiß auch, wann er sich aus dem Staub machen muss. Sollen doch andere über die Planke gehen. Die EU-Kommission drängelt sich ja als weltsympathischste Behörde ja immer gerne mal vor.
Und der heutigen Präsidentin Ursula von der Leyen würde man angesichts ihrer Erfolge als Verteidigungsministerin ein Desaster bei der Impfstoffbeschaffung ja durchaus zutrauen. Aber die „Bild“ hat mit der zypriotischen Gesundheitskommissarin eine noch willkommenere Zielscheibe gefunden. Anders als diese werde Jens Spahn immer sofort zum Pfizer-Chef durchgestellt, wenn er anrufe, hieß es. Das ist der Hook an solchen Geschichten über sehr kurze Drähte: Es wissen von Natur aus nicht so viele davon. Laut „Bild“ sind es Insider.
In den heimatlichen Gewässern gibt Spahn lieber den Captain an Deck. Da gefällt es ihm, den Kurs zu bestimmen – und manchmal auch kurzfristig zu ändern: Da wird als der Erstattungspreis für FFP2-Masken gesenkt, um damit ein anderes Manöver des letzten Augenblicks zu finanzieren: Die Ausgabe von FFP2-Masken an ALG-II-Empfänger, die man vor Weihnachten leider vergessen hatte. Spahn changiert zwischen Staatsmann und Korsar.
Und die Apotheker sollen es bloß nicht wagen, wegen des neuen Salärs aufzumucken. Wer meutert, wird politisch kielgeholt. 3,30 Euro hatte Spahn vorgesehen, die Abda fragte vorsichtig nach 4,03 Euro. Spahn kam auf 3,28 Euro entgegen. So verhandelt ein Pirat. Der Sold ist die Beute, soll also hier im Einkauf liegen. Nun, was das angeht, ist der Captain zwar nicht unbedingt mit leuchtendem Beispiel vorangegangen, aber auch das hält man ihm besser nicht vor. Sonst tauscht Jens Sparrow den Kapitänsmantel blitzschnell gegen die Soutane und predigt, dass eine Pandemie nicht die Zeit sei, den Sündenbock zu suchen und man einander viel werde vergeben müssen. Amen.
Apotheker sind eher ungeübt in solchen Freibeuterzügen. Das merkt man, wenn sie es versuchen. Eher ungelenk wirkte dieser Versuch, 22 Millionen Euro über das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) abzurechnen. So gut war der Maskenpreis nun wirklich nie. War aber wohl ein Versehen. Trotzdem hat eine Kollegin angekündigt, auch unter dem gesenkten Preis auf die Eigenbeteiligung zu verzichten. Ob das erlaubt ist, wird gerade noch in Düsseldorf verhandelt. Am nächsten Mittwoch gibt es eine Entscheidung, aber vermutlich keine endgültige.
Die Frage, ob Spahn den Preis eigentlich unecht rückwirkend absenken durfte, wird dagegen vermutlich nicht vor Gericht geklärt. Der politische Schaden eines Prozesses für die Apotheker wäre wohl sehr viel größer. Anders liegt der Fall bei den Grippeimpfstoffen, die nun in vielen Apotheken kühl gehalten werden. Weil die nationale Reserve viel zu spät ausgeliefert wurde, fordern einige Verbände eine Entschädigung.
Diese Inhaberin möchte mit dem Maskengeld vor allem ihre Mitarbeiter:innen entschädigen. Die Einnahmen fließen direkt ans Team. Wäre vielleicht auch eine Option für Kollegen, die das staatliche „Weihnachtsgeld“ für übertrieben halten.
Wie die Apotheken aber nun den neuen Preis von 3,90 Euro (brutto) abrechnen sollen, um diese Details müssen sie sich mit ihren Dienstleistern jetzt schnellstens selbst kümmern. Denn ab dem 16. Februar darf der zweite Coupon eingelöst werden. Und bis zum 6. März dürfen sich ALG-II-Empäger:innen ihre zehn Masken abholen. Allerdings nicht, wie die Tagesschau zur Freude der Apotheken schreibt „ab kommender Woche“, sondern eher hinter der Mitte des Monats, wenn die Kassen die Berechtigungsscheine verschickt haben.
Beim Verteilen fehlt natürlich jede Apotheke. Und es werden immer weniger, wie die aktuellen Zahlen der Abda belegen. Wird das besser? Eher nicht. Die Steuerberatungsgesellschaft Treuhand Hannover erwartet, dass Corona-Krise und E-Rezept Gewinner und Verlierer hervorbringen wird, den Markt also weiter auseinandertreibt. Da heißt es manchmal auch zusammenhalten: Gemeinsam gegen die AOK Bayern gehen 17 Apotheker vor Gericht – zumindest unterstützen sie den retaxierten Kollegen bei den Prozesskosten.
Gemeinsam feiern dürfen sie vorerst noch nicht. Das weiß auch diese Düsseldorfer Apothekerin, die vom Amt eine offizielle Bestätigung verlangt, dass die Zusammenkunft in ihrer Offizin keine Party war. In diesem Sinne: Trotz Spuck-, und Lolly-, und sonstigen Laientests: Bleibt alle noch ein bisschen zu Hause und gesund. Schönes Wochenende. Aye.