Die Apotheker wollen ein Rx-Versandverbot, fordern es aber nicht. Die Politik fordert es (Bundesrat), will es aber nicht (Gesundheitsminister Spahn). Im Bundestag wird darüber gesprochen, aber nicht abgestimmt. In dieser verfahrenen Situation ist jetzt unverhofft ein Kompromiss aufgetaucht: Ein Rx-Versandverbot wird eingeführt – für nicht lieferfähige Arzneimittel.
Die Ausgangslage: Der EuGH kippt das Rx-Boni-Verbot für EU-Versender, die ABDA schießt aus allen Rohren einmal für das Rx-Versandverbot – und trifft. Der damalige Minister Gröhe kommt damit aber nicht durch, vererbt es immerhin in den Koalitionsvertrag. Sein Nachfolger Spahn mag es nicht und die ABDA findet es so lange alternativlos, bis sich das Verkämpfen nicht mehr lohnt. Dann tritt der PhiP in spe Bühler auf und peitscht das Thema in den Bundestag und plötzlich ist auch der Bundesrat wieder dafür. Für 12,5 Minuten beim Deutschen Apothekertag (DAT) ist die verfasste Apothekerschaft auch wieder dafür, dann kommt Spahn und ist beleidigt. Und dann rudert die ABDA wieder zurück und will lieber ein VOASG als ein RxVV.
Weil eine Unterstützung Bühlers im Petitionsausschuss jetzt irgendwie doof aussähe, versteckt die ABDA ihre RxVV-wäre-machbar-Gutachten in einer abschließbaren Schublade. Hinter vorgehaltener Hand fallen auf der anderen Seite deutliche Worte der Enttäuschung – online fällt die Hand manchmal gleich mit. Die Notwendigkeit einer politischen Lösung wird plötzlich wieder drängender. Aber Spahn nach seinem DAT-Auftritt kann nicht mehr zurück und ABDA-Präsident Friedemann Schmidt kann nach verschiedenen Auftritten nicht mehr glaubhaft nach vorne. Also muss ein Kompromiss gefunden werden.
Und der findet sich: Es gibt ein RxVV mit Einschränkung. Apotheker, also solche mit Versanderlaubnis, dürfen keine verschreibungspflichtigen Arzneimittel mehr versenden, sofern diese nicht lieferbar sind. Defektlisten oder dergleichen spielen dabei keine Rolle, allein die Lieferunfähigkeit der eigenen Apotheke ist entscheidend und muss im Zweifel bewiesen werden. Lager leer = kein Versand. Dieser pragmatischen Lösung konnte auch Schmidt bedenkenlos zustimmen. Und verschmitzt denkt er daran, dass das Engpassproblem wächst und somit auch die Beschwernis für die Versender...
Jetzt mal im Ernst, man kommt auf absurde Gedanken bei dem Thema. Das RxVV ist schon so oft versenkt worden, taucht aber irgendwie immer wieder auf. Und in dieser Woche kam es mit viel Schwung zurück an die Oberfläche. Benedikt Bühler, stolzer Absolvent des als besonders schwierig verschrienen 3. Semesters seines Pharmaziestudiums, war zur Audienz bei der ABDA. Und das Gespräch lief nicht zur Zufriedenheit des Rekordpetenten.
Jedenfalls hat die bevorstehende Anhörung im Petitionsausschuss die Standesvertretung unerwartet unter Druck gesetzt, schon wieder. Wer einen empfindsamen Bundesminister Spahn pikiert und sich echauffierend auf dem Deutschen Apothekertag erlebt hat, kann die Zurückhaltung bei dem Thema verstehen. Einfach nur gutes Timimng beim Apothekerverband Westfalen-Lippe: Der veröffentlicht am Freitag in Interview mit dem CDU-Abgeordneten Marc Heinrichmann. Und der wiederum sitzt im Petitionsausschuss und findet, dass Verbraucher/Wähler/Patienten nicht alles online bestellen sollten. Andere vermuten, der Minister habe Angst vor der Blamage und dass die Wurzel des Problems viel tiefer liegt – in der Niederlassungsfreiheit von 1958. Steile These.
Doch gegen Ende dieser Woche fühlte sich Spahn vielleicht selbst verletzlich, nachdem er mit seinem Organspende-Antrag im Bundestrag nicht durchgekommen war. Von den Grünen ausgestochen, obwohl oder weil er sich mit Karl Lauterbach (SPD) zusammengeschlossen hat. Das ist zugegeben ein ganz anderes und ungleich größeres Thema, aber damit haben mit solchen Fundamentaldebatten haben wir uns früh im Jahr gleich mehrfach herumgeschlagen: zum Beispiel mit der Gewissensfrage. Was darf ein Apotheker verweigern? Wann besteht Kontrahierungszwang?
Das Berliner Berufsgericht für Heilberufe hat entschieden: Es hängt von den Umständen im Einzelfall ab. Im Notdienst herrschen andere Gesetze. Das gilt übrigens auch für die Kunden und in Österreich. Merke: Wer die Bereitschaft zur Unzeit noch nach vorne klingelt, sollte seinen Kopf nicht durch die Notdienstklappe stecken. Jedenfalls nicht, wenn dahinter ein verteidigungsbereiter Hütehund wartet. War das Ganze wirklich so blutig?
Zum Glück müssen sich Versender nicht mit Notdiensten herumschlagen, sondern können ihre Zeit sinnvoller in Gerichtsverfahren nutzen. Und das lohnt sich auch viel mehr. DocMorris hat gegen Kohlpharma gewonnen, weil die Versandapotheke dem Rahmenvertrag beigetreten ist, sich aber nicht daran halten muss. Und Zur Rose bekommt Verstärkung von Amazon. Im Supermarkt geht es strenger zu: Rewe haftet für DocMorris, wenn die Angaben im Werbeblättchen nicht stimmen. Vor Ort finden sich dagegen Apotheken zu einem positiven Bekennerschreiben zusammen, dass sie sich an die Preisbindung halten.
Aber nochmal zum Thema Herstellerabschläge: Ob normale Apotheken den Kassen noch Umsatzsteuer für 2015 zurückzahlen müssen, diese Frage liegt ebenfalls noch vor Gericht. Und damit keine Ansprüche verjähren, wurden hunderte Apotheken verklagt. Und damit sich das im Zweifel auch doppelt lohnt, sollen die Apotheker Zinsen zahlen. Einzelschicksal ist dagegen, wenn man mit seiner Apotheke in das Gravitationsfeld von Zytoservice gekommen ist. Die hatten zwar zuletzt recht aufdringlichen Besuch, das nützt aber den Abgehängten wenig bis nichts. Trotzdem: Schönes Wochenende!
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