Kein Apotheker da – die dümmsten Ausreden Alexander Müller, 01.09.2018 07:53 Uhr
Der freundlich-strenge Herr ist von der Aufsicht und möchte den Chef sprechen. Was nun? Der Inhaber ist nicht da und ehrlich gesagt erwartet ihn das Team heute überhaupt nicht mehr zurück. Wäre nicht so schlimm, wenn wenigstens ein Approbierter im Haus wäre. Ist aber nicht. Doch zum Glück gibt es einen Notfallplan und viele viele saudumme Ausreden.
Der Apotheker in seiner Apotheke ist nicht nur ein schöner Satz, sondern apothekenrechtlich durchaus ernst gemeint. Natürlich dürfen auch Inhaber ihre geliebte Offizin mal verlassen, aber dafür gibt es eben klare Regeln. Und wer unentschuldigt fehlt, dem droht Ärger. Dann hat man besser eine gute Erklärung zur Hand, denn für Pharmazieräte gilt dasselbe wie für Lehrer und Fahrkartenkontrolleure: Sie haben jede Ausrede schon gehört und lassen sich nicht gern für dumm verkaufen. Diese Erklärungen bitte weiträumig umfahren:
Das Murmeltier
„Ich hatte Nachtdienst und habe so fest geschlafen im Notdienstzimmer, dass mich niemand wecken konnte. Aber klar, im Notfall wäre ich sofort da gewesen.“
Die Gewissenhafte
„Ich war da, aber unten im Lager, weil ich alle Analgetika-Packungen handschriftlich mit dem neuen Warnhinweis versehen wollte.“
Der Zerstreute
„Ich dachte, ich muss zur Revision zu Ihnen kommen. Da haben wir uns wohl genau verpasst.“
Die verdächtig Detailreiche
„Ich hatte einen Autounfall. Eine 54-jährige Frau mit kurzen grauen Haaren hat mir mit ihrem Atlantic blue metallic farbenen Golf Variant auf der Hermannstraße, Ecke Friedrichstraße die Vorfahrt genommen. Das war vor einer Stunde und 46 Minuten. Deswegen war ich nicht da. Was? Nein, die Polizei haben wir nicht gerufen. Wir regeln das so. Können wir das nicht hier auch so machen..?“
Der Extraterrestre
„Ich wurde von Außerirdischen entführt.“
Die aus der Zeit Gefallene
„Ich habe das mit der Zeitumstellung immer noch nicht so am Schnürrchen. 3 Stunden vorstellen?“
Die Gestaltwandlerin
„Ich hatte nur aus Versehen das PKA-Schild angelegt. Ich bin eigentlich die Inhaberin.“
Der DSGVO-Geschädigte
„Sie dürfen nicht fragen, wo ich war. Hallo, Datenschutz?!“
Die Religiöse
„Ich bin den Jakobsweg gewandert. Ich bin vom Dienst befreit in dieser Zeit. Das fällt unter Religionsfreiheit.“
Das finden Sie komplett lächerlich? Da haben Sie recht. Andererseits ist es nicht so, als ob Kollegen nicht tatsächlich kreativ wären im Erfinden von Ausreden. Da lässt sich eine abwesende Apothekerin schnell von ihrer PTA anrufen, um sich dann über ein Kellerfenster von hinten in die Apotheke zu schleichen und den Kontrolleuren zu erklären, sie habe fest geschlafen im Keller. Durchgekommen ist sie damit vor Gericht nicht, jetzt ist die Betriebserlaubnis weg – mit Galgenfrist.
Vor Gericht getroffen hat sich auch ein Apotheker mit seiner früheren Angestellten – wegen einer Retaxation. Der Abgabefehler war in der Tat sehr ärgerlich, aus Sicht des Inhabers sogar grob fahrlässig. Haften muss die PTA, damals noch in Probezeit, trotzdem nicht, schon weil der Apotheker viel zu spät seine Ansprüche geltend gemacht hat. Früher wäre allerdings auch nicht gegangen, weil die Kassen für die Rezeptprüfung ein Jahr Zeit haben, die DAK ab heute über GfS. Und überhaupt: Gäbe es diese himmelschreiende Ungerechtigkeit mit der Nullretaxation nicht, müssten sich Apotheker und PTA auch nicht vor Gericht streiten.
Noch schlechter lief es vor Gericht für eine Kollegin aus Sachsen-Anhalt: Sie wurde zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt, ihr immerhin beteiligter Sohn auf Bewährung zu einem Jahr und acht Monaten. Die beiden haben es anscheinend aber auch krachen lassen: gewerbsmäßiger Betrug in 171 Fällen, die Kassen um 650.000 Euro erleichtert.
Aber die Kassen sind selbst keine Heiligen. Immer wieder muss die Wettbewerbszentrale einschreiten, weil Versicherte getäuscht werden oder die Werbung irreführender ist, als gesetzlich zugelassen. Mal geht es um den Zusatzbeitrag und vermeintliche Einsparungen, mal um die vermeintlich schlechten Leistungen der Konkurrenz. Die Wettbewerbszentrale hat auch durchgesetzt, dass Hersteller mit Selektivverträgen nicht unbegrenzt auf die Preisbildung Einfluss nehmen dürfen. Es ging in dem Verfahren zwar um Schulranzen, aber was für McNeill gilt, gilt auch für McNeil.
Richtig ins Rollen kommt jetzt endlich die Einführung des E-Rezepts. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat gezeigt, dass er es ernst meint. Die junge Garde von der Teleclinic ist schon sehr weit – und hat potente Geldgeber in der Hinterhand. Die ABDA will sich nicht abhängen lassen und selbst eine digitale Brücke zwischen Arztpraxis und Apotheke bauen, sicher, diskriminierungsfrei und praktikabel. Vorreiter war die ABDA bei dem Thema nie, man will den Glücksrottern aber auch nicht das Feld überlassen.
Nur bei der Taufe hatten die Apotheker – wie schon bei Armin – kein glückliches Händchen. Die Kollegen in Baden-Württemberg nennen ihr innovatives Digitalprojekt ausgerechnet „Gerda“. Laut einschlägiger Elternportale ist der Name nach einem zwischenzeitlichen Totalabsturz im Ranking der beliebtesten Namen immer noch auf einem traurigen Rang 542. Gerda wird von Befragten im Durchschnitt als altmodisch, nicht intelligent, unsportlich und unsympathisch bewertet. Und weil das „D“ im E-Rezept-Konzept auch noch für „Dienst“ steht, heißt das arme Kind sogar „der Gerda“.
Immer noch aktuell ist das Thema Valsartan. In dieser Woche hat eine Betroffene ihre drei Jahre alte Tablette mit zur ARD gebracht und analysieren lassen. Es wurde auch erklärt, warum in Asien produziert wird. Und ewig aktuell ist das Thema Fortbildung. Sollte es zumindest sein. Denn wer faul ist, bekommt es – zumindest in Mecklenburg-Vorpommern – mit der Fortbildungspolizei zu tun. Also los, gleich das Wochenende für eine digitale Fortbildung genutzt und dann analog raus ins Grüne! Schönes Wochenende!