ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Jetzt in Ihrer Apotheke: 4-lagige Sonderausgabe

, Uhr
Berlin -

In diesem Fall regelt die Nachfrage das Angebot. Denn aus Gründen, die niemand kennt, ist Toilettenpapier gerade besonders gefragt. Und weil Apotheker nicht nur fürsorgliche Heilberufler, sondern auch findige Kaufleute sind, reagieren sie auf das Marktgeschehen. Für die sonst so gefragten Apothekenzeitschriften gibt es jetzt eine alternative Verwendung.

Jede Apotheke hat mindestens einen. Einen Kunden oder eine Kundin, die sehr regelmäßig alle zwei Wochen in die Apotheke kommt, fast nie etwas kauft, aber mit einer beiläufigen Lässigkeit „Ich nehme heute nur die Zeitung“ sagt, als ob es morgen einen größeren OTC-Einkauf gäbe. Nun, diese Kunden sind deutlich seltener geworden, seit man in der Apotheke einzeln eintreten muss und die PTA Handschuhe und Mundschutz trägt. Nur wohin jetzt mit den ganzen Heften?

Es gibt Bedarf, denn es gibt Notdurft. Weil hier irrational gehamstert wurde, fehlt dort das Klopapier. Das muss nicht sein – und die Substitution mit Zeitung wurde ja nicht erst in Baierbrunn erfunden. Aber hier wurde die Idee vollendet: Umschau 4-lagig ist das neue Qualitätsprodukt aus dem Hause Wort & Bild. Das hochwertige Fertigprodukt lässt sich auch aus bestehenden Magazinen herstellen. Dazu werden die Hefte möglichst frei schwimmend eine Nacht in Desinfektionsmittel eingelegt. Gut getrocknet und gerollt ist das Papier keimfrei und geschmeidig.

Die Konkurrenz schläft natürlich nicht und hat die Idee übernommen. Burdas Heft My Life hat sogar einen strategischen Vorteil: Der in häuslicher Quarantäne so gefragte Rätselteil kommt extra und muss nicht erst aus dem Magazin herausgetrennt werden. Und schon denken Noweda und Burda über neue Zielgruppen nach: Das Kindermagazin Platsch soll komplett in die Windelproduktion überführt werden: Dry Life lautet der Projektname.

Apotheker sollten allerdings einen Rat beherzigen: Das Klopapier auf keinen Fall wie die Zeitschrift gratis abgeben, sondern zu einem vernünftigen Preis verkaufen. Sonst stehen demnächst Kontaktsperre-Ignoranten dicht gedrängt in der Offizin und rufen über das Plexiglas: „Ich nehm‘ heut nur ne Rolle. Und noch eine für meine Nachbarin.“

Klingt alles sehr ausgedacht für Sie? Ist es auch. Aber andererseits nicht so weit hergeholt, denn diese Kollegin verkauft tatsächlich Toilettenpapier. Und sie macht nicht einmal Geschäft mit der Not der Menschen. Die meisten ihrer Kollegen sind dagegen nicht händeringend auf der Suche nach Möglichkeiten, mehr Menschen in die Offizin zu locken. Zwar ist der Wahnsinn in dieser Woche etwas abgeflaut, aber viele Apothekenteams arbeiten noch an den Maßnahmen, um potenziell infizierte Kunden auf Distanz zu halten. Plexiglas, Laborzelt, Abstandshalter, Corona-Ampel und Botendienst für gefährdete Mitmenschen – und manchmal auch ein Kettensägenschutzhelm. Andere Chefs sind bei den Schutzmaßnahmen so geizig, dass das Team nur noch mit Angst zur Arbeit kommt.

Lieblingsanekdote diese Woche: Eine Apothekerin bittet ihre Kunden, sich die Hände zu desinfizieren und klebt nach zwei Tagen ein Schild über dieses Hinweisschild: Die Kunden möchten doch bitte bitte beim Händedesinfizieren nicht ihr Rezept in den Mund nehmen. Irgendwie wundert einen die schnelle Ausbreitung nicht, wenn Kunden eine verhängte Quarantäne auch noch absichtlich ignorieren.

Trotz aller Schutzmaßnahmen hat das Virus natürlich auch Apothekenteams befallen – zumal diese leider bei der Verteilung von Schutzausrüstung ziemlich weit hinten in der Nahrungskette stehen. Bundesweit 19 Apotheken mussten wegen Corona schließen, hier berichtet eine Inhaberin. Ihr Tipp an die Kollegen: Seid vorbereitet, im Ernstfall geht die Schließung sehr schnell. Auch ohne Zwangsschließung hart getroffen sind in dieser Phase alle Center-Apotheken. Was es bedeutet, wenn die Kundenströme plötzlich ausbleiben, berichtet dieser Inhaber.

Dass sich die Branche insgesamt in einer neuen Welt aufwacht, wenn die Pandemie abgeklungen ist, vermutet Fabian Kaske. Seine Marketingagentur hat eine Studie über den Corona-Effekt erstellt. Seine Vermutung: Weil die Menschen jetzt zu Hause den Onlinehandel ausprobieren, werden 30 Prozent des OTC-Umsatzes dauerhaft in diesem Kanal bleiben. Die düsteren Prognosen gibt es als Video, Podcast oder Charts.

Da akut benötigte Dinge wie Fiebersaft kanpp werden, schlägt Thomas Preis vom Apothekerverband Nordrhein vor, den Versandhandel mit Arzneimitteln in der Pandemiephase komplett zu verbieten. Sein Argument: Im Lager in Holland nützt das knappe Medikament dem Patienten nichts, wenn er es sofort benötigt. Wird Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf diesen Vorschlag eingehen? Vermutlich nicht, er rät Apotheken aber, bei der Paracetamol-Agabe streng zu sein. Die ABDA hält den Vorschlag aus den eigenen Reihen nicht einmal einer Antwort für würdig, die Anfrage lief ins Leere.

Aber schauen wir auch auf die Sonnenseiten: Den kreativen Umgang der Teams mit der Krise, wie sie nicht den Mut verlieren. Oder die aufmunternden Worte der Geschäftspartner, die jetzt zu den Apotheken halten. Ja selbst die AOK zahlt plötzlich für den Botendienst. Zwar nicht bundesweit und auch nur zwei Euro, aber immerhin! Und daher zum Schluss die Bitte und der Appell an Sie: Schicken Sie uns Ihr Video mit einem kurzen Statement. Ihre Erlebnisse, Ihre Anekdote, Ihr skurrilster Moment der vergangenen Wochen. „WIR GEGEN CORONA“ heißt das Format, mit dem wir ein bisschen Freude in Ihren Alltag bringen wollen. Bleiben Sie gesund und guter Dinge! Schönes Wochenende!

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr aus Ressort
Neue Nische für Zwischenhändler
Skonto über Großhandelsapotheken?
„Die Kosten steigen zurzeit ins Unermessliche“
Weihnachtsgeld: So kürzen die Inhaber

APOTHEKE ADHOC Debatte