ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Impfpass-Apotheke konsequent

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Berlin -

Am Montag wird die Apotheke mal wieder überrannt werden. Erste Vorboten kommen schon zum Ende der Woche und fragen, ob sie ihren digitalen Impfpass haben können. Apothekerin Marie freut sich schon total auf die Diskussionen. Sie hat Notdienst und malt sich die nächsten Tage aus.

Es ist eigentlich wie immer: Irgendwer sagt, dass irgendwas jetzt geht oder dass es irgendwas anderes kostenlos gibt. Und dann äußert jemand das vergiftete Kompliment, dass es „wichtig und richtig“ sei, dafür die „etablierten Strukturen in der Fläche“ zu nutzen. Damit sind dann immer die Apotheken gemeint. Marie wäre manchmal gern etwas weniger dezentral und wohnortnah.

Marie hat mal Pharmazie studiert und sie berät leidenschaftlich gern zu Arzneimitteln, spricht eigentlich lieber über Kontraindikationen als über das Wetter. Zertifikate Ausstellen zählt sie eigentlich nicht zu ihren Kernaufgaben. Aber was tut man nicht alles, um die Pandemie zu bekämpfen und eine sichere Rückkehr zur Normalität zu ermöglichen? Ihr Team wird also brav alle Daten eingeben, Dokumente prüfen und den Code ausdrucken. Offenbar besteht im Gesundheitsministerium doch kein so großes Vertrauern in digitale Lösungen. Hier gibt es eine kleine Anleitung für Maries Kolleg:innen – Teil 1 und Teil 2.

Marie würde ihre Approbationsurkunde darauf verwetten, dass einer unter den ersten 15 Impfpasskunden sich – Umschau und die My life greifend – über das Honorar mokieren wird. „18 Euro für das bisschen Tippen…“ Sie wird jetzt schon sauer, wenn sie daran denkt. „Das sind die gleichen Leute, die mehr als das doppelte für ihren neuen Personalausweis zahlen – aus eigener Tasche und obwohl eigentlich der Staat will, dass sie ihn haben. Und für den Perso muss man sogar zweimal bei der Behörde antanzen.“

Das bringt Marie auf eine Idee: Wenn ihre Apotheke schon solche Beamten-Aufgaben übernehmen soll, dann auch konsequent. Ein Teil des HV-Tischs wird umgebaut und in eine Amtsstube verwandelt, inklusive Stempelkissen und vor sich hinsterbender Zimmerpflanze. Maries Approbierter Felix übernimmt den Posten am Schreibtisch. Der mag solche Sachen, kümmert sich sonst ums QMS und kommuniziert mit den Krankenkassen. „Der nächste Bitte. Ausweis. Impfpass. Ausdruck oder digital? Der nächste Bitte.“

Aber beim QR-Code will Marie nicht stehen bleiben. Voller Service für Geimpf-Genesene: Die dürfen ihr Zertifikat in der Apotheke sofort ausprobieren und nebenan bei PTA Tina eine Reise buchen. Keine apothekenübliche Dienstleistung? Von wegen! Nach über einem Jahr Pandemie ist der Gesundheitsbezug bei jedweder Reise leicht zu belegen – vom Cluburlaub bis zur ungeführten Sahara-Durchquerung.

Wer will es Marie verübeln, dass sie im Notdienst auf solche verworrenen Gedanken kommt? Sie ist müde und durcheinander nach dem Chaos in den vergangen Tagen. QR-Codes in Echtzeit drucken, RKI-Software für Apotheken, Portal überlastet, Hotline überfragt. Und der DAV schraubt am Zertifikatsmonopol. Minister Spahn kündigt den Impfpass groß an und bittet die Leute im nächsten Atemzug, nicht die Apotheken zu stürmen.

Die Praxen haben sich rausgetan. Klar, die Ärzteschaft hat ja im Moment auch andere Sorgen: Impfstoff verimpfen, der nicht nicht da ist und die Kontrolle von Testzentren energisch ablehnen. Das mit dem Testen scheint sich aber ohnehin zu verlaufen. Immer mehr Apotheken schließen ihre Teststellen. Auch das Laientest-Geschäft ist tot: dm verkauft die Diagnostika für 95 Cent.

Wechselhafte Erfahrungen im Ein- und Verkauf hat auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG). Der Koalitionsstreit um die „Spahn-Masken“ droht wenige Monate vor der Bundestagswahl zu eskalieren und es könnte ausgerechnet der Wahltermin sein, der Spahn jetzt vor dem Jobverlust bewahrt.

Ausgerechnet jetzt wirft auch noch der Bundesrechnungshof (BRH) dem Minister ein allzu lockeres Händchen bei der Verwendung von Steuergeldern vor. Kliniken, Intensivbetten und auch die FFP2-Masken empfinden die Prüfer als deutliche Überkompensation der erbrachten Leistungen. Aber dazu ist nun wirklich alles gesagt und jetzt allmählich auch von jedem und jeder. Die Abda bewies mal wieder gutes Timing und veröffentlichte just am BRH-Tag die wirtschaftlichen Zahlen der Apotheken. Ohne Erfolg bemühte man sich, über die Folie mit dem gestiegenen Rohgewinn schnell hinwegzugehen. Dabei müssen sich die Apotheken gar nicht schämen: Krisenbezwinger dürfen auch Geld verdienen. Schönes Wochenende!

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