Großhändler schmieden Pläne im Dieselgate Alexander Müller, 03.03.2018 07:41 Uhr
Noch ist ja kein Fahrverbot ausgesprochen. Und bestimmt gibt es Ausnahmen für eilige Arzneimittel-Lieferungen. Aber dass nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) keine einzige Glühbirne gezittert hätte in den Vorstandsetagen der Großhändler, ist denn doch untertrieben. Gottlob ist dem Großhändler seine Findigkeit in die Wiege gelegt. Wo ein Fahrverbot, da ist auch ein Weg zur Apotheke.
Strategie 1: Die Handwerker hoffen auf Ausnahmen bei Diesel-Fahrverboten. Das könnte auch für die Großhändler das gesuchte Schlupfloch bedeuten. Die Lieferfahrzeuge müssten nur etwas umgestaltet werden. Denkbare Lösungen: SanitärCorp, GAWA (Gas/Wasser) oder Allianz Heizcare. Kostenpunkt: Etwa 8,95 Euro pro Fahrzeug. Wäre möglich.
Strategie 2: Die Schilder „eilige Arzneimittel“ in oder an den Lieferwagen durch „extrem lebenswichtige Arzneimittel (müssen sofort zugestellt werden)“ ersetzen. So sehen die Kontrolleure gleich, dass es sich um extrem lebenswichtige Arzneimittel handelt.
Strategie 3: Auf Eselskarren umsteigen. Mal ehrlich, im Ruhrgebiet, auf dem oder innerhalb des Münchener Rings, im Großraum Köln, im Moloch Berlin und auf der gesamten A1 ist man sowieso selten schneller als ein Pony unterwegs. Risiko dieser Strategie: Proteste von Subunternehmern und Tierschützern.
Strategie 4: Bierbike. Die lustigen Gefährte sind in jeder Großstadt (und jeder heranwachsenden) nicht mehr aus dem Straßenbild wegzudenken. Und alle, die sich jemals gefragt haben, warum sie ihr Auto regelmäßig zum TÜV bringen oder ihr Fahrrad vorschriftsmäßig beleuchten müssen, während der Junggesellenabschied „Arschvoll“ mit Erlaubnis und Ansage hackenstramm am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen darf, wird sich beruhigt finden in dem Wissen, dass hier eilige Arzneimittel ausgeliefert werden. Pharmazeutische Beratung inklusive.
Und Sorgen um die Kosten müssen sich die Großhändler auch nicht machen. Schließlich gibt es noch die Königsstrategie „individuelle Konditionen“. Wer sagt denn, dass die Großhändler die Kosten des #Dieselgate selbst tragen müssen? Anders gefragt: Wer braucht denn hier bitte die Arzneimittel?
Also gibt es ab sofort eine „Reine-Luft-Gebühr“, eine „Rußpartikelfilterpauschale“, den „Euro-7-Beitrag“. Die Flotte wird auf Benziner umgestellt, „bezahlt von Ihrer Apotheke“. Die Sparprogramme in den Schubladen klingen bewusst verschieden, um das Kartellamt zu verwirren: „Super“ bei Gehe, „Super+“ bei Phoenix, „Genosse bleifrei“ bei der Noweda usw.
Das Schlimme ist: Die Wirklichkeit klingt manchmal selbst wie Satire: Phoenix verlangt von den Apothekern einen Konditionssicherungsausgleich, Sanacorp erhöht die eigene „Basisspanne“ und die Noweda hat gleich einen ganzen Strauß an Sparmaßnahmen, vom variablen Servicebeitrag über die Tourengebühr bis zum DGA/Kostenausgleich.
Zur Kasse gebeten werden die Apotheker aber nicht nur von ihren Lieferanten, sondern auch von ihrer eigenen Standesvertretung. Die ABDA kassiert für den Securpharm-Server einen Zehner pro Apotheke – monatlich und zuzüglich Mehrwertsteuer plus eine einmalige Lizenzgebühr von ebenfalls zehn Euro. Ob die Hersteller die Umstellung künstlich strecken?
Oder aber der Fiskus schaut mal vorbei und in der Kasse nach, ob da nicht was zu holen ist. Doch Obacht: Die Steuerberater warnen vor Betrügern, die sich das Modell der Kassennachschau zunutze machen und sich mit gefälschten Ausweisen in Betriebe einschleichen. Sie erkennen Trittbrettfahrer in Ihrer Apotheke daran, dass diese nicht gleich Ihr ganzes Geld wollen. Am besten dem Team bei einer Betriebsversammlung Fotos von echten Finanzbeamten zeigen.
Weniger lustig muss die Betriebsversammlung bei der EU-Versandapotheke gewesen sein. Rund 50 Mitarbeiter wurden beurlaubt, das endgültige Aus des Anbieters aus Cottbus scheint nah. Die Versanderlaubnis wurde von der Behörde entzogen und die finanziellen Engpässe scheinen evident.
Vor der Pleite schützen will die ABDA ihre Schäfchen. Deswegen will sie gar nicht erst über das unsägliche Honorargutachten reden. Mit niemandem. Und die Kammern und Verbände sollen das Gutachten genauso totschweigen. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt erklärt jetzt immerhin erstmals, warum er das Gutachten so miserabel findet.
Aber vielleicht hat die ABDA Glück und die neue Regierung interessiert sich gar nicht mehr für das Honorargutachten. Immerhin bekommt die CDU das Wirtschaftsministerium und im BMG wird Jens Spahn übernehmen. Die Grünen löchern ihn schon mal prophylaktisch zum Rx-Versandverbot.
Mal sehen, ob die Apotheker Hermann Gröhe noch hinterherweinen. Immerhin hat der scheidende Minister das Rx-Versandverbot im Koalitionsvertrag hinterlassen. Da er als Vater der Initiative gelten darf, handelt es sich tatsächlich irgendwie um ein „Männergesetz“ – wenn es denn kommt. Spahn wird sich vor allem um seine digitale Identität kümmern – und um die aller anderen. Und Superkräfte hatte der 37-Jährige entgegen anderslautender Gerüchte aus Kreisen der Jungen Union auch nicht. Vitamin D übrigens auch nicht. Hier geht's zum Streit über NEM.
Sollte ein Rx-Versandverbot kommen, würde das unter anderem DocMorris recht hart treffen. Vielleicht setzt sich dann die Idee mit der Kaffeefahrt zur Bonus-Apotheke durch. Aber nicht nur deshalb gibt es Menschen, die den Apothekern Mut zusprechen. Keine Angst vor dem Gegner im Netz, sagt Christian Busch, Geschäftsführer des Versandmodehauses Walbusch. Und bei VISION.A wird er noch viel mehr sagen. Ausgejodelt hat dagegen Klosterfrau bei Ricola.
Wenn Sie schon einmal etwas richtig Peinliches zu einem Kunden gesagt haben, dann können Sie mit diesen Kollegen mitfühlen. Anderenfalls können Sie etwas dazulernen. Und wenn Ihnen schon lange gar nichts mehr peinlich ist, mieten Sie doch ein Bierbike und übernehmen den Botendienst für die Kollegen. Schönes Wochenende!