ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Großhändler liefern nur noch an Raststätte

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Berlin -

Die Großhändler sind knapp bei Kasse und wollen sich bei den Apotheken ein bisschen Geld pumpen. Aber die haben gar keine Lust, das gesetzlich fixierte Honorar ihrer Lieferanten mit allerlei Sondergebühren zu pimpen. Weil die Spritpreise aber unbestreitbar steigen, trifft man sich irgendwo in der Mitte. Wörtlich.

Selten war es für die Großhändler so einfach, ihr Synchronschwimmen in der Konditionsgestaltung plausibel zu erklären. Kostet der Liter Diesel 2,20 Euro und mehr, wird jede Fahrt teurer und es muss geradezu zwangsläufig einen Aufschlag pro Tour geben. Trotzdem ist Rücksicht auf die Wettbewerbshüter immer geboten, bei dieser Familiengeschichte...

Aber Kartellrecht macht bekanntlich erfinderisch und so überbietet sich die Branche wieder einmal mit ihren Neologismen: „Tourenkostenbeitrag“ klingt herrlich solidarisch, „Energiekostenausgleich“ könnten unaufmerksam lesende Apotheker:innen vielleicht sogar als Zuschuss missverstehen. Allein „Stopgebühr“ wirkt etwas riskant, weil sich daraus allzu leicht der Kampfruf „Stoppt Gebühren!“ ableiten lässt.

Was wäre die Alternative? Weniger Touren. Daran scheiden sich die Geister. Die eine Seite sieht in dem Satz „Haben wir dann am Nachmittag für Sie da“ das letzte große Versprechen an die Kunden und die Daseinsberechtigung der Vor-Ort-Apotheke, die andere Seite findet, dass sich mit ein bisschen Organisation und einer etwas weniger verhätschelten Kundschaft auch die eine oder andere Tour sparen lassen könnte. Das Problem: Halb gesparte Fahrten helfen dem Großhändler je nach Route auch nicht wirklich weiter.

Zum Glück haben die Großhändler traditionell sehr gute Kenntnis vom kleinteiligen Netz der Autobahn-Raststätten. Wurden diese in düsteren Vorzeiten – so ein absolut unbestätigtes Gerücht – noch zu sinisteren Preisabsprachen benutzt, werden sie jetzt als Umschlagplätze neu erfunden. Wer als Apotheke mehr als eine Belieferung am Tag wünscht, der muss zur vorgegeben Zeitpunkt an der Raststätte sein und die Ware in Empfang nehmen. Das heißt: Die Wannen entweder selbst in den eigenen Botendienst-Twingo umladen oder sich diesen Service über die Raststättentransaktionsgebühr buchen (0,80 Euro pro Wanne).

Bislang sind bundesweit 56 Raststätten als Umschlagplätze auserkoren: Von „Leckerhorst“ über „Morkepütz“ bis „Ludergraben“ – alle Großhändler haben zufällig (!) dieselben Raststätten ausgewählt. Bei den Apotheken kommt das ganz gut an: „So trifft man immerhin mal die Kollegen“, sagt ein Inhaber, der mit seinem E-Botenauto selbst gekommen ist. Die Stimmung beim gemeinsamen Verladen ist gut. Nur einmal gab es ein bisschen Stress, weil der mobile Swingerclub „Möchtegern“ sich zur gleichen Zeit dort verabredet hatte.

Die Großhändler sind auch zufrieden. Als Dankeschön für das Entgegenkommen soll es demnächst eine besondere Aktion geben: „Happy Friday! Wir machen für Sie die Türen auf! Jeden Freitag zwischen 15 und 18 Uhr begrüßen wir Sie herzlich bei O-Saft und Schnittchen in unseren Niederlassungen. Das Beste: Die Abendtour können Sie gleich mitnehmen! Frischer geht nicht!“

Keine Sorge, liebe Leserinnen und Leser, ganz so weit ist es noch nicht. Aber die Frustration bei den Apotheken ist schon spürbar angesichts der neuen Kürzungswelle. Mal sehen, wie viel in Einzelgesprächen noch wegverhandelt werden kann. Weitere Ertragsminderungen können die Apotheken schlecht gebrauchen – zumal sie von den steigenden Lohn- und Energiekosten genauso betroffen sind.

Und jetzt kommt auch noch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit seinem Sparprogramm um die Ecke. Details will er noch nicht verraten. „Das Einzige, was ich sagen kann, ist, dass wir eine besonders ausgewogene Belastung, die ja notwendig sein wird, planen.“ Irgendwie klingt das nicht sehr beruhigend. Unruhig dürfte auch die Homöopathie-Hersteller Lauterbachs jüngste Äußerungen zur Alternativmedizin aufgenommen haben. Ein Fan war er ja noch nie, aber sein Lob für die öffentliche Abkehr der Ärzte war ein echter Wirkungstreffer – wenn dieser Begriff in diesem Zusammenhang erlaubt ist.

Ein richtig mieses Bild gibt derzeit Zur Rose ab: Rekordverlust, wenig Hoffnung auf Besserung und ein Management, das die fragenden Analysten bestenfalls ratlos zurücklässt, vielleicht sogar schwer enttäuscht. Ob die neuen CEOs bei Zur Rose und DocMorris das Ruder herumreißen können.

Was allen Versendern schmerzlich fehlt, ist das E-Rezept. Wie bei dem Projekt der aktuelle Stand ist, verrät uns Gematik-Chef Dr. Markus Leyck Dieken am kommenden Mittwoch bei der Zukunftskonferenz VISION.A. Am besten jetzt gleich anmelden und live dabei sein. Hier geht es zum Programm und zu den Tickets.

Über Corona müssen wir auch noch ein bisschen reden: Die Zahlen sind so hoch wie nie, in einzelnen Apotheken fallen 90 Prozent des Teams wegen Quarantäne aus. Die Bürgertests soll es noch bis Ende Mai geben und ab Oktober braucht man drei Antigen-Kontakte für einen vollständigen Immunschutz. Was das für die Zertifikate bedeutet, recherchieren Sie bitte täglich neu. Und achten Sie darauf, wer im Team wie viele Zertifikate ausstellt und wer plötzlich mit dem Porsche zur Arbeit kommt.

Ebenfalls Ende Mai gilt die neue Preisangabenverordnung. Ein Leser hat die Folgen gut zusammengefasst. Der korrekte Bezugspreis für Allergodil Nasenspray ist künftig 1686,00 Euro / Liter. Das ist gelebter Verbraucherschutz. Bei Eigenpreisvergleichen müssen Sie künftig immer 30 Tage zurückzählen. Gilt das eigentlich auch für Rabattaktion von Gesund.de? Über Plattformen und Schnelllieferdienste reden wir übrigens auch bei VISION.A. Und bestimmt auch über die Möchtegernapotheke dm. Also, wir sehen uns am Mittwoch! Schönes Wochenende!

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