Gematik legt nach – ePGla ersetzt E-Rezept Alexander Müller, 21.11.2020 07:54 Uhr
E-Rezept ist doch total 2019, denkt man sich bei der Gematik. Viel zu umständlich, viel zu wenige Informationen. Deswegen wird jetzt das nächste Großprojekt gestemmt, die elektronische Patientenbrille – kurz ePGla (weil das besser klingt als ePaBrill). Eine damit ausgestatte Apothekerin oder PTA sieht auf den ersten Blick, was der Patientin fehlt und was sie will.
Die ePGla funktioniert über einen Iris-Scan. 1,2 Sekunden Blickkontakt genügen: Vor die Augen des pharmazeutischen Fachpersonals werden alle in der Kundendatei hinterlegten Daten projiziert sowie die gesamte Medikationshistorie samt Wechselwirkungscheck. Doch das ist längst nicht alles. Die Brille kann auch Vitaldaten messen, die aktuelle Stimmungslage erfassen und erleichtert damit den Einstieg ins Gespräch.
Das Team in der Fiktionalis-Apotheke, in der die Brille getestet wird, ist begeistert: Schon bevor der Kunde am HV-Tisch angekommen ist, hat ihn die ePGla erfasst und dank der Verbindung zum Warenlager festgestellt, dass das Rabattarzneimittel vorrätig ist. Ein angedeutetes Nicken der Apothekerin begrüßt nicht nur Kundin Gerda S., sondern löst auch die Auslieferung beim ebenfalls verbundenen Kommissionierer aus. „Zuzahlungsstatus: befreit“ zeigt die Superbrille an und „Stimmung: gut gelaunt.“
An das zweite Bild im Blickfeld hat man sich schnell gewöhnt. Es erfordert nur etwas mehr Konzentration, das Kundengespräch ohne von außen erkennbare Ablenkung weiter zu führen und gleichzeitig die Sonder-PZN zu blinzeln. Dialogvorschläge soll die ePGla mit dem nächsten Update zusätzlich liefern, ebenso die langersehnte Dioptrien-Option. Etwas praxisfern war keiner bei der Gematik auf die Idee gekommen, die Dinger mit variabler Sehstärke auf den Markt zu bringen. Die Unfälle im Gegenverkehr hinter dem HV-Tisch sind ein klarer Minuspunkt. Die bestens vorbereitete Kundin wollte übrigens heute nur die Umschau. „Wie bitte? Mai Leif? Na, dann eben die.“
Bevor Sie jetzt bei Ihrem Softwarehaus anrufen und auch so eine ePGla bestellen wollen, warten wir zunächst mal auf das E-Rezept. Wobei, etwas ist schon dran an der Geschichte. Gematik-Chef Dr. Markus Leyck Dieken hat im Interview mit APOTHEKE ADHOC erklärt, warum der ganze Wirbel um die E-RezeptApps übertrieben sein könnte. Viele Patienten werden ihr E-Rezept wahrscheinlich schlicht mit ihrer Versichertenkarte einlösen. Also sei auch die Beteiligung von eHealth-Tec nicht zu wild.
Und überhaupt: Die Apotheken sollten sich auf ihre Stärke vor Ort besinnen, empfiehlt der Plattform-Experte Hamidreza Hosseini. „An solchen lokalen Netzwerken werden sich die großen Plattformen die Zähne ausbeißen“, so der Dozent für Plattformökonomie und Digitalisierung an der WHU Otto Beisheim School of Management. „Denn es ist für große Plattformen schwer, da hereinzukommen, wo persönliche Beziehungen und Geflechte eine große Rolle spielen, wo der Händler die Kunden persönlich kennt, sie teilweise länger begleitet, versteht und ihnen ein besonderes Erlebnis bietet. Die lokale Verzahnung ist der große Unique Selling Point der Apotheken.“
Das macht Mut und Mut tut Not angesichts der unleugbaren Tatsache, dass Amazon nun wirklich ernst macht und als „Pharmacy“ in den Rx-Markt einsteigt. Vermutlich haben die sogar so eine eBrille schon in der Pipeline, die viel mehr kann, als man sich vorstellen kann. Der Amazon-Kenner Fabian Kaske vermutet trotzdem, dass sich der Versandkonzern noch etwas Zeit lassen wird mit dem Markteinstieg in Deutschland. Andererseits: Mit einer Übernahme von Shop Apotheke hätte man schnell einen Fuß in der Tür. Und zwei Jahre sind auch schnell um – sofern es hoffentlich nicht wieder Corona-Jahre werden. Hoffnung: Hurra, ein Impfstoff.
Bis die Pandemie überwunden ist, dürfen die Apotheker mit der Politik noch über FFP2-Masken streiten. Und erstaunlich, wie schnell so ein Minister bei Antigentests mit einer Preisbindung am Start sein kann. Ein Anruf im Brüssel und grünes Licht für den Preisdeckel. Den Anruf in der Pizzeria hat der Minister leider ausgelassen. Dafür hat die AfD ein paar rechte Youtuber in den Bundestag reingelassen, um Abgeordnete zu bedrängen, kurz bevor dort über das Infektionsschutzgesetz abgestimmt werden sollte. Da bleibt einem Rümpfen über die US-Zustände auf der Nase stecken.
Mit der Novelle wurde den Apotheken zugesprochen, dass sie Masken verteilen dürfen. Sofern diese nicht vorher zu Testzwecken vom Regierungspräsidium beschlagnahmt wurden. Hat aber auch sein Gutes – stehen die Apotheken beim nächsten ZDF-Besuch nicht wieder am Pranger. Den Platz hätte sich sowieso ein Versender verdient, dessen Masken sogar zurückgerufen werden mussten.
Bei den CBD-Herstellern knallen jetzt bestimmt die Sektkorken, habe ich irgendwo gelesen. Bin nicht sicher, wie CBD-Hersteller feiern, aber Grund genug dazu haben sie. Der EuGH hat für Klarheit gesorgt: Bei den Produkten handelt es sich nicht um Betäubungsmittel. Ein Grund zur Freude bestünde eigentlich auch für Noweda-Apotheker. Sie bekommen 8,5 Prozent Dividende auf ihre Anteile, auf die freiwilligen sogar 10. Das klingt in Niedrigzinszeiten sensationell gut, steht aber im Schatten der gewohnten Dividende von 11 Prozent (beziehungsweise 13,2). Kein Grund zur Klage. Schönes Wochenende!