Gegendemo! Großhändler gehen auf die Straße Alexander Müller, 30.03.2019 07:51 Uhr
Kaum jemand nimmt von der kleinen Gruppe Notiz, die sich vor dem Brandenburger Tor versammelt hat. Es sind die Vertreter des pharmazeutischen Großhandels, die zur Großdemonstration aufgerufen haben. Denn wenn die Apotheker auf die Straße gehen, müssen auch die Lieferanten für ihre Rechte eintreten, oder wenigstens für ihre Kohle. Auch wenn das Grüppchen weniger auffällt als die südkoreanische Reisegruppe: Die Veranstalter sind stolz. Alle sind gekommen! Alle fünf.
„Straßenkampf muss sein, ich trage nicht einmal eine Krawatte“, sagt einer und blitzt kampfeslustig. „Hasta la Rabattsperre siempre“, skandiert ein anderer. Tapfer halten sie ihre Protestplakate in die Höhe. Aber mit dem viel zu klein geschriebenen Text können selbst aufgeschlossene Passanten wenig anfangen: „Nur mit einer ausreichenden Vergütung kann der vollversorgende pharmazeutische Großhandel die vom Gesetzgeber vorgeschriebene angemessene und flächendeckende Belieferung der Apotheken mit allen benötigten Arzneimitteln sicherstellen!“
Vor allem wegen der schwarzen Anzüge und den anderen Plakaten mit dem Euro-Zeichen als einziger Botschaft werden die Großhändler wiederholt für Banker gehalten. „Nein, nicht das KONTO, das SKONTO muss weg“, klärt einer der Demonstranten zwei neugierige Senioren aus Dormagen auf. Und er erzählt geduldig, wie der finstere Gesetzgeber die margengebeutelten Großhändler weiterhin dem Wettbewerb aussetzen will. Schutzlose Konzerne gegen erpresserische Kleinunternehmer, das sei doch einfach unfair.
Aber irgendwie will der Funke zum Bürger nicht so recht überspringen. „Die haben alle noch nie vom Handelsspannenausgleich gehört“, beklagt ein Teilnehmer. Ein Apotheker aus der Nachbarschaft hat Mitleid und spendiert den frierenden Demonstranten heiße Zitrone. „Wir sitzen doch alle in einem Boot“, sagt er, zwinkert und geht zurück in seine Apotheke. Gleich kommt die Nachmittagslieferung.
Nein, die Großhändler fechten für gewöhnlich mit anderen Waffen: Mit Gutachten zum Beispiel, manchmal auch mit geheimen. Die Kanzlei Gleiss Lutz soll herausgefunden haben, warum Großhändler auch nach dem TSVG keine Skonti gewähren dürfen, die an dem 70-Cent-Festzuschlag kratzen. Die Beweisführung ist aber offenbar so schwer zu verstehen, dass man vorerst nicht einmal die eigenen Mitgliedsfirmen damit behelligen will. Es hat ein bisschen etwas von Pfeifen im Walde, wenn man bedenkt, mit welcher Verve die Großhändler gegen die aktuelle Formulierung in der Gesetzesbegründung gekämpft haben.
Und es gibt ja in den eigenen Reihen noch diesen Störenfried namens AEP. Der hat ein eigenes Gutachten in Auftrag gegeben, das zu dem gegenteiligen Ergebnis kommt, die Großhändler dürften sogar ihre gesamte Marge verschenken. Dass man in Alzenau nicht einmal das extra fixierte Fixum haben möchte, wundert mit Blick in die Bilanzen aber schon ein wenig.
Manchmal wird über viel weniger Geld gestritten. Weil es um die Geste geht. Genauer: Um die Dose. Die Notfalldose, die im Kühlschrank darauf wartet, ihren Beitrag zur Seniorenrettung zu leisten. Es gibt eine erstaunlich intensive und vielschichtige Debatte darüber, ob das Ding im Notfall hilft und ob es etwa durch ein Marmeladenglas zu substituieren ist. Ohne sich hier in irgendeiner Form einmischen zu wollen: Lieber nicht für sechs Euro verkaufen den Plastikbecher, macht mehr Ärger als Freude.
Bestimmten Kunden eine große Freude machen kann, wer die alten DDR-Klassiker besorgen kann. Oder zumindest zu guten Alternativen raten kann. Mit der Nachfrage nach Ostmarken kennt sich Gerhard Brunner aus. Der thüringische Apotheker klärt seine Kunden regelmäßig auf, welche Traditionsprodukte der DDR es noch gibt und welche nicht. Zuletzt wurden Rheunervol und Vipratox verlangt – die gäbe es ja immerhin bei Ebay auch noch!
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat am vergangenen Wochenende angekündigt, dass sein Apothekengesetz im April kommt. Die Apotheker wissen noch nicht so richtig, wie sie sich zum Plan D verhalten sollen. Woanders wird der Gang in den Sektkeller schon vorbereitet. „So eine Chance hat man nur einmal im Leben“, heißt es bei Zur Rose. Gemeint ist das E-Rezept, vielleicht aber auch ein bisschen der Minister.
Bitter wird es, wenn der Apotheker vor Ort dem Versender auch noch bei der Abwicklung der Geschäfte helfen muss. Wenn zum Beispiel Päckchen von Apo-Discounter in der Apotheke abgegeben werden, weil der Kunde nicht erreichbar ist. Dass verschickte Arzneimittel immer nur persönlich an den Empfänger übergeben werden, ist so ein Märchen, mit dem sich die Politik den Versandhandel schönredet.
DocMorris ist mit seinen Rx-Boni beim Landgericht Stendal durchgekommen, mit der verqueren Argumentation zu den falschen Quittungen hat man sich dagegen recht peinlich verstrickt. Der Bundesgerichtshof (BGH) wird deutschen Apotheken dagegen auch weiterhin verbieten, Boni zu gewähren und dabei womöglich noch strenger durchgreifen als bisher. Verhandelt wurde über das schon berüchtigte Ofenkrusti, eine Entscheidung gibt es in den nächsten Wochen.
Auch interessant: In einem Verfahren um den Approbationsentzug hat sich das Gericht sehr ausführlich mit der Würde des Apothekers auseinandergesetzt. Und zum Schluss noch die Knallermeldung aus dem Markt: Ex-Hexal-CEO Hans-Helmut Fabry wird Klosterfrau-Chef, und es gibt weitere Wechsel in der Geschäftsführung, die damit fast komplett ausgetauscht ist. Schönes Wochenende!