Energieverbrauch: Die Apotheken-Verbote Alexander Müller, 20.08.2022 08:07 Uhr
Die Gasspeicher sind viel weniger voll als wünschenswert. Auch wenn es inmitten brennender Wälder und begehbarem Rheingrund unvorstellbar erscheint: Es könnte kalt werden im Winter. Also müssen wir alle Energie sparen. Wirtschaftsminister Robert Habeck hat seinen Plan vorgelegt. Im nächsten Schritt soll es branchenspezifische Vorgaben geben. Mögliche Verbote für Apotheken hier exklusiv geleakt!
Eingangsschleuse
Während Corona durften nur drei Leute gleichzeitig in die Offizin. Diese Vorschrift wird geändert. Ab Außentemperaturen von unter 20 °C dürfen immer nur fünf Personen gleichzeitig die Apotheke betreten oder verlassen. Denn durch das ständige Tür auf/Tür zu geht zu viel Wärme verloren.
Shampoo-Obergrenze
Weil überlanges Duschen den Warmwasserverbrauch unnötig in die Höhe treibt und beim Haarewaschen regelmäßig Shampoo zum Einsatz kommt, müssen Apotheken den Verkauf einschränken. Die Abgabe pro Person wird auf eine Packung pro Winter begrenzt, die Personendaten müssen erfasst werden. Drogeriemärkte sind von der Regelung befreit, weil ihnen das zu aufwändig wäre.
Keine elektrische Eisenbahn im Schaufenster
Die Kinder lieben sie und sie verleiht dem Schaufenster einen liebenswert historischen Touch: die kleine Märklin-Bahn fährt seit Jahren unermüdlich hin und her. Damit muss Schluss sein.
Keine Kommissionierautomaten
Ja, ja, der liebe „Kommi“ erspart viele Wege und ermöglicht ein ununterbrochenes Beratungsgespräch. Aber er frisst eben auch deutlich mehr Strom als ein Generalalphabet. Also müssen die Apotheken bis Oktober den Kommissionierer zurückbauen. Es sei denn, es gibt im Team eine sehr kleine und schlanke Person, die sich hineinwagt und in der chaotischen Lagerung des Automaten zurechtfindet.
Stirnlampen im Notdienst
Im Notdienst die ganze Apotheke beleuchten?! Was für eine Verschwendung! Eine Stirnlampe für den Notdiensthabenden reicht aus. Da es ansonsten dunkel in der Apotheke ist, kann zusätzlich die Bildschirmhelligkeit am Kassenarbeitsplatz auf 2 Prozent gesetzt werden.
Geteilter Kittel
Per Habeck’scher Definition gilt die Arbeit in der Apotheke als mittelschwere körperliche und sehr schwere psychische Tätigkeit, weshalb im Raum eine Höchsttemperatur von 16 °C vorgegeben ist. Für die ewig frierenden Mitarbeiter:innen gibt es die Option des geteilten Doppelkittels. Die sehr enge Zusammenarbeit stärkt das Teamgefühl und wärmt immens.
Botendienst zu Fuß
Botendienste mit Elektroautos sind zwar ein guter Anfang, aber zu Fuß oder mit dem Fahrrad ausgelieferte Arzneimittel haben eine noch bessere Energiebilanz.
Toilettengangbegrenzung
Weniger müssen dürfen. 1,7 Toilettengänge pro Tag (0,85 bei Teilzeit) sind zulässig. Für jeden weiteren muss man einen „Habifair“-Bon für 70 Cent ziehen, die direkt in den Gasspeicher fließen. Da aber ohnehin weniger Energie zum Teekochen zur Verfügung steht, sollte das ausreichen.
Keine Kundenkalender
Die ach so beliebten Kundenkalender werden gestrichen, ihre Abgabe den Apotheken strengstens verboten. Und wozu auch? Man weiß eh nicht, was das neue Jahr bringt...
Spannend an der ECHTEN Verordnung von Wirtschaftsminister Habeck ist für Apotheken nur die Sachen mit den Eingangstüren. Und selbst da fragt man sich, welche Offizin im Winter die ganze Zeit offenstehen soll. Die nächtliche Beleuchtung des Apotheken-A im Notdienst dürfte wohl von den Sparvorgaben ebenso verschont bleiben, die Temperaturobergenzen (s.o.) gelten nicht für Apotheken. Und erfrieren muss hier auch niemand, auch wenn die finanzielle Belastung durch die steigenden Energiekosten durchaus erheblich sein können.
Falls Minister Habeck noch Ideen fehlen, wie er bei den Apotheken sparen kann – die Krankenkassen haben sicher gute Ideen. Im Zweifel holt man sich das Geld einfach von den Inhaber:innen zurück. Zum Beispiel über Sanktionen für Apotheken, die nicht ausreichend bevorratet sind. Das schlägt der BKK Dachverband als Lösung gegen Lieferengpässe vor. Ja, Sie haben richtig gehört: Zu knappe Arzneimittel sollen nicht dezentral beim Großhandel gelagert werden um dann nach Bedarf verteilt zu werden, sondern die Apotheken sollen für das Nichtlagern von Arzneimitteln bestraft werden, die es gar nicht gibt.
Zum Glück dringen die Kassen nicht mit jedem Unsinn durch, den sie dem BMG vorschlagen. Aber auch berechtigte Kritik prallt am Ministerium ab (das am Tag der offenen Tür übrigens geschlossen ist): Die zusätzliche Belastung der Apotheken über eine Erhöhung des Kassenabschlags findet Staatssekretär Edgar Franke „vertretbar“. Immerhin hätten die Apotheken ja Masken und Impfstoff verteilt und bekämen jetzt noch zusätzlich Geld für die pharmazeutischen Dienstleistungen. Daniela Hänel (Freie Apothekerschaft) klärt antwortend darüber auf, dass 1000 Euro im Quartal keine Apotheke retten.
Das E-Rezept sollte ja eigentlich die Versandapotheken retten, so steht es zumindest in ihrer Bibel. Aber es zieht sich ewig, Zur Rose dümpelt weiter vor sich hin. Derweil schickt sich der Gesetzgeber an, Apothekenplattformen von der Weiterleitung der E-Rezepte auszuschließen. Ob das wirklich so eine gute Idee ist, wie die Standesvertretung findet, wird sich zeigen. Denn die Versender könnten dadurch in eine deutliche bessere Position gelangen, weil sie als „Apotheken“ direkt an die TI angeschlossen sind.
Am Ende wird es auf die App der Gematik ankommen – und allein das fühlt sich nicht besonders gut an. Der BMG-Ableger feiert jedenfalls kurz vor dem Start des E-Rezepts in zwei Regionen dessen Vorteile. Darunter genannt: Die Apotheke kann das Medikament per Botendienst bringen, alternativ die Versandapotheke. Dieser Apotheker würde liebend gerne testen und will einer Kollegin ein E-Rezept abkaufen, weil er selbst einfach keins erhält.
Ärger gibt es weiter mit den Teststellen. Auf 120.000 Euro wartet dieser Apotheker. Ob das Ganze mit der jetzt beschlossenen Kontrolle durch das RKI wirklich sicherer und schneller wird, werden wir noch sehen. Aber irgendwie hatte man das RKI in den letzten Monaten mit anderen Aufgaben assoziiert.
Noch einige Rechtstipps zum Schluss: Unverbindliche Preisempfehlungen dürfen keine „Mondpreise“ sein, Sie dürfen – gerade angesichts des Personalmangels auch unsinnig – keinesfalls nur nach „Damen“ suchen und wenn ein Patient 980 Fentanyl-Pflaster verordnet bekommt, müssen sie mit seinem Arzt (hier: mit vielen Ärzten) reden. Schönes Wochenende!