Die Tücken der ePräqualifizierung Alexander Müller, 07.11.2020 07:54 Uhr
Nur weil man ein staatlich geprüfter Arzneimittelexperte ist, weiß man ja nicht automatisch, wie eine Klappleiter funktioniert. Die Kassen sind sich dessen bewusst und überlassen die Hilfsmittelabgabe nicht irgendwelchen Leiterlaien. Präqualifizierung lautet das Hexenwort. Und jetzt ist es an der Zeit für die ePräqualifizierung.
Benötigen Apotheker für das Anmessen einer Bandage wirklich eine Bohrmaschine? Wer weiß. Saarlands Kammer-Präsident Manfred Saar kommt das Verdienst zu, die Öffentlichkeit einmal über die wunderlichsten Vorgaben bei der Präqualifizerung aufgeklärt zu haben. Eine Anekdote war, dass der Kasse das übersandte Foto des Spiegels nicht gefiel. Saar musste zweiten Anlauf starten.
Das ließe sich doch heute alles viel leichter bewerkstelligen: Videokonferenz gestartet und los geht die ePräqualifizierung – spart Aufwand und ist in Pandemiezeiten die angemessene Variante. Apothekerin Mathea startet den Selbstversuch im Pilotprojekt. Sie läuft filmend durch die Apotheke, zeigt den Beratungsraum, zeigt das Spieglein an der Wand. Doch da kommt schon der ersten Einwand von der anderen Seite der Leitung. Was denn das für ein Smartphone sei? Die Bildqualität sei womöglich nicht ausreichend.
Apothekerin Mathea muss kurz nachdenken. „Galaxy S7?“ Aha! Das reicht natürlich nicht, das mobile Endgerät zur Verifizierung der Präqualifizierung darf nicht älter als drei Jahre sein. Auch gibt es Mindestanforderungen zur Auflösung und Tiefenschärfe. Zum Glück hat PTA Tina ein aktuelleres Gerät und leiht es der Chefin. Es geht also weiter. Gar nicht so leicht, mit der Bohrmaschine in der einen und dem Smartphone in der anderen Hand auf die Leiter zu klettern. Aber sie muss sich beeilen. Hoffentlich kommt der Herr vom Arbeitsschutz nicht zu früh vorbei, der die Corona-Maßnahmen in der Offizin prüfen will.
Findet die Inhaberin ja auch in Ordnung, geht schließlich um die Sicherheit ihrer Patienten. Nur hätte sie im besten Drosten‘schen Sinne eigentlich Besseres zu tun: Die Schlange vor der Apotheke ist so lang, dass ihr die Absperrbänder und Heizpilze ausgehen. Und ausgerechnet seit heute ist ihr Approbierter in Corona-Quarantäne – zum Glück nur als Verdachtsfall zweiter Klasse. Und zum Glück darf der Rest des Teams unter den selbst auferlegten Schutzmaßnahmen weiterarbeiten. Ach ja, dem Gesundheitsamt muss sie ihr angepasstes Konzept auch noch schicken, erinnert sich Mathea.
Und dann steht als nächstes schon die eRevision an. Auch das ist eigentlich praktisch. Nur, die penibel geführten Protokolle der QMS-Sitzungen muss sie alle noch digitalisieren und geordnet hochladen. Sollen andere sie altmodisch nennen, aber bei diesen Dingen ist ihr eine Papierversion als Sicherheit immer noch am liebsten. Zu dieser Haltung wird vielleicht auch ihre Kollegin aus der echten Welt wieder zurückkehren. Die hat nämlich jetzt Ärger mit ihrer Kammer, weil die Festplatte samt digitalem QMS-Handbuch abgeraucht ist. Natürlich genau der Rechner ohne Anbindung ans Back-up-System. Leichtsinn? Pech? Von allem etwas. Auf jeden Fall sehr ärgerlich. Sie will sich einen Anwalt nehmen.
Das werden die allermeisten ihrer Kollegen bereits getan haben, die von der AvP-Pleite betroffen sind und mehrstelligere Sorgen haben. Um ihre Forderung in die Insolvenztabelle einzutragen, benötigen sie keinen juristischen Beistand: Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos hat das alles serviceorientiert für sie vorbereitet. Im Video-Interview mit APOTHEKE ADHOC sprach er über den Verfahrensablauf und warum er die Banken in den Fokus nehmen will. Geht es nach Steuerberater Dr. Bernhard Bellinger kann Hoos den Fokus auf dieses Ziel noch etwas nachschärfen. APOTHEKE ADHOC und das Handelsblatt haben zudem weitere Insights aus Vorgängen bei AvP vor der Pleite zu Tage gefördert: Die Chronik eines Absturzes.
Im Aufwind befindet sich dagegen die Shop-Apotheke, daran ändert auch das EuGH-Urteil zur Werbung in Frankreich nicht wirklich etwas. Der Versender hat seine Prognose für dieses Jahr schon wieder angehoben und rechnet jetzt mit 35 Prozent Umsatzplus. Doch die Gerichte weigern sich hartnäckig, eine Inländerdiskriminierung zu sehen.
Mit der soll es ja auch eigentlich bald vorbei sein, wenn mit dem VOASG das Rx-Boni-Verbot für ausländische Versandapotheken kommt. Doch bei Shop-Apotheke überlegt man noch, ob man sich an das Gesetz halten will. #janeisklar. „Konkurrent“ Apo-Discounter hat zwar auch Familie in Holland, bekommt aber auch hierzulande Unterstützung von einer wohlgesonnenen Voltaren-Kampagne.
Schade, wäre eine gute Phase, um die Apotheken vor Ort zu unterstützen. Die fragen sich gerade, wie sie eine Schließung vermeiden, falls sich einer im Team infiziert. Mit Schichtsystem, FFP-Masken (auch auf Rezept) und getrennten Mittagspausen. Und wenn doch alle in Quarantäne müssen: Wer zahlt dann?
Und wir müssen noch kurz über Impfstoffe reden: Für die Vaxigrip-Reserve ist diese Sonder-PZN zu nutzen. Und die Apotheker sollen bitte aufhören, die Grippeimpfstoffe zu bunkern, damit es nicht am Ende noch zu Engpässen kommt. Witzig, oder? Finden viele Ihrer Kollegen auch, lesen Sie mal den Beitrag und dann die Kommentare darunter. Schönes Wochenende!