Die PTA-Schule Alexander Müller, 08.12.2018 07:57 Uhr
Die PTA-Schule war ursprünglich nicht als Internat geplant. Aber die Schülerinnen wollten einfach nicht mehr nach Hause. „Es ist so toll hier“, schwärmt Lisa. „Wir leben hier wie Prinzessinnen“, ergänzt ihre Freundin Jule. Und in der Tat: Seit der Fachkräftemangel die Branche mit eiserner Hand hält, geht es den PTA-Schulen und ihren Abgängern besser denn je zuvor. Auf Schloss Mörserstein wird künftig nur noch von goldenen Tellern gegessen.
Was benötigt eine Apotheke zum Überleben? Mindestens einen Arzt in direkter Nachbarschaft und ausreichend Parkplätze vor der Tür, richtig? Falsch. Was nützen einem die schönsten Verordnungen, wenn niemand hinter dem HV-Tisch steht, der sie entgegennimmt. Und die hochtalentierten Menschen, die rosa Zettel zu Gold spinnen können, werden eben auf PTA-Schulen ausgebildet.
Deswegen ist es nicht nur unzulässig, mit dem Arzt geheime Absprachen über die Zuweisung von Rezepten zu machen, es ist auch vergebene Liebesmüh. Der Zukunft heißt PTA-Zuweisung: Die Schulen werden großzügige Spenden erhalten, wenn sie im Gegenzug diese oder jene Ausbildungsapotheke empfehlen.
Schon mit den Bewerberlisten wird dann gehandelt. Allein für die Nachnamen A-D kann man – je nach Konkurrenzsituation der Apotheken in der Nähe – leicht Preise im vierstelligen Bereich aufrufen. Und veranstaltet eine Apotheke am Ort einen „Tag der offenen Tür“ für Schüler/innen, sind die Kollegen in Alarmbereitschaft. Von Schulgeld an den Ausbildungsstätten ist längst keine Rede mehr, Stipendien plus Handgeld bei einer Verpflichtung für zehn Jahre sind die Zukunft. Von da an ist es nicht mehr weit bis zu Ablösesummen wie im Profifußball und dem Handel mit Transferrechten.
Das schöne PTA-Luftschloss stürzt nur leider in sich zusammen. Denn es stimmt zwar, dass PTA händeringend gesucht werden und dass das Blüten treibt: So kommt es durchaus vor, dass ein Kollege die Angestellten der Wettbewerber an die gesetzlichen Kündigungsfristen erinnert. Aber so wie Rezepte eingelöst werden müssen, müssen Gehälter erwirtschaftet werden. Und viele Inhaber blicken nicht hoffnungsvoll in die Zukunft. Bei einer APOSCOPE-Umfrage gab fast jeder zweite Teilnehmer an, dass er einem guten Freund nicht empfehlen würde, seine Apotheke zu übernehmen. Das ist alarmierend.
Wie sich die Zukunftsaussichten der Apotheken entwickeln, wird die kommende Woche maßgeblich prägen. Dann will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit der ABDA über eine Reform des Apothekenmarktes sprechen. Spahn kann sich nach dem CDU-Parteitag – Glückwunsch an Annegret Kramp-Karrenbauer – wieder voll auf sein Ministeramt konzentrieren.
Dass sich Spahn mit 15 Prozent an der „Tischwahlkabine“ (was für ein schönes Wort) am Ende achtbar geschlagen und seine Stellung als Kronprinz gefestigt hat, dürfte der Stimmung bei dem Spitzentreffen mit den Apothekern nicht abträglich gewesen sein. Die Apotheker haben bei der APOSCOPE-Befragung zwar deutlich mehr für Merz und AKK gestimmt, aber die beiden haben ja auch keine Gesundheitspolitik gemacht. Deshalb sollte sich Spahn auch dieses Ergebnis nicht zu sehr zu Herzen nehmen. Wird er auch nicht.
Marco Sander dagegen wollte nie einen anderen Job. Er wollte Inhaber der Adler-Apotheke im rheinland-pfälzischen Kusel bleiben – und zwar eigentlich bis zur Rente. Doch die Rechnung mit vier Apotheken in dem 5000-Einwohner-Ort ging einfach nicht auf. Gesundheitsreform, Baustellen, Geschäftsschließungen – der Dreiklang seines Scheiterns. „Es wird Tage geben, an denen ich die Apotheke vermissen werde. Die Situationen, in denen man Kunden helfen kann, die netten Gespräche werden mir fehlen.“ Auf der anderen Seite gibt es die Kollegen, sie ihre Rabattaktionen sogar in die „Bild“-Zeitung tragen.
Da kommt auch die Initiative PRO Apotheke vor Ort für ihn zu spät. Unter dem etwas sperrigen Titel PRO AvO wollen Noventi, der Wort & Bild Verlag, Gehe, Sanacorp und BD Rowa eine gemeinsame Plattform bauen beziehungsweise ihre Plattformen vereinen. Das Frühjahr wird spannend. Initiative oder Pakt. Die Noweda hat nach eigenen Angaben schon 4000 Apotheken eingesammelt und ermuntert die eigene Basis, sich 1:1 bei Spahn zu beschweren.
Einer hat gar nichts zu meckern: Nigel Carling findet das deutsche Apothekensystem grandios. Der Brite ist zuversichtlich, dass er auch im Falle eines harten Brexit hier bleiben darf. Seiner persönlichen Lebensplanung kommt der Fachkräftemangel insofern entgegen. Und wer so charmante Dinge sagt, soll auch bleiben: „Die Qualität der Mitarbeiter hier ist wirklich unvergleichbar, vor allem die Ausbildungen zur PTA und PKA sind absolut großartig. Ich würde sagen, selbst die schlechteste PTA in Deutschland ist besser als die beste in Großbritannien.“
Hinter der Grenze bleiben müssen aus bekannten Gründen einige Versandapotheken. Zumindest offiziell. Und manchmal sind die Verflechtungen in dem Bereich schon verwirrend, eine undurchdringliche Hecke. Eine Rose ist eine Rose ist Zur Rose. Nur der Hauptaktionär wurde einmal vergessen, aber das wurde ritterlich geklärt. Nur das Ausliefern der Päckchen darf keinesfalls vergessen werden. Wie die Rezepte ihren Weg aus diesem Pflegeheim zu Fresenius gefunden haben, wird nicht mehr geklärt werden. Dafür hat Floriana Sabatino im NDR sehr schön den Impfstoffengpass erklärt.
So, jetzt noch ein bisschen Weihnachtsstimmung zum Schluss. Wenn Sie meinen, sie hätten das Schaufenster am schönsten dekoriert, dann beweise Sie es und schicken uns ein Foto. Aber Achtung, die Konkurrenz ist so unerbittlich wie beim Werben um PTA-Schüler. Wenn Sie immer noch die Sommer-Deko stehen haben und nicht teilnehmen können, haben Sie vielleicht beim Adventsrätsel mehr Glück. Schönes Wochenende und einen friedvollen zweiten Advent.