Die perfekte Nachfolgersuche Alexander Müller, 09.11.2019 07:57 Uhr
Leon P. hat viel zu tun: Am kommenden Montag eröffnet er seine Löwen-Apotheke. Nach drei Jahren als angestellter Apotheker und Filialleiter fühlt sich der junge Pharmazeut bereit für die Selbstständigkeit: „Eine eigene Apotheke war schon immer mein Traum!“ Doch eine große Sorge treibt ihn um. Es geht um seinen Nachfolger.
Leon P. hat die Checkliste gewissenhaft abgearbeitet. Die Einrichtung steht, der Kommissionierautomat ist gut gefüllt und das QM-Handbuch pikobello. Sein Team steht bereit, zunächst fängt er mit einer approbierten Kollegin, zwei PTA und einer PKA an. Den Botendienst will er in den ersten Monaten abends selbst übernehmen, um die Kunden so richtig gut kennenzulernen. Kurzum: Es ist alles bereit und bei der Abnahme hat der Amtsapotheker anerkennend durch die Zähne gepfiffen.
Trotzdem schläft Leon P. so schlecht wie zuletzt in den Nächten vorm Staatsexamen. Zukunftssorgen halten ihn abends stundenlang wach. Er hat keine Angst, dass die Apotheke wirtschaftlich nicht erfolgreich sein wird, denn Standort und die entscheidenden Parameter hat er gewissenhaft geprüft. Auch in die Rolle als Chef wird er sich schon reinfinden, ist der frisch gebackene Inhaber überzeugt. Aber was ist, fragt er sich jeden Abend sorgenvoll, wenn er die Apotheke eines Tages abgeben möchte? So oft er von Kollegen gehört oder gelesen, die keinen Nachfolger für ihren Betrieb finden.
Da hilft nur eins: Frühzeitig gegensteuern und Vorsorge treffen: Gleich am nächsten Morgen schaltet Leon eine Anzeige: „Gut geführte Apotheke abzugeben! Umsatz vermutlich 2,5 Millionen Euro. Geplante Übergabe 2058.“ Und etwas kleiner darunter in einem schüchternen Futur II: „Um Nachfolger in den umliegenden Arztpraxen wird der aktuelle Inhaber sich ebenfalls bemüht haben.“ Nur die Idee mit dem Einleger in Umschau und My Life verwirft er schnell wieder – die Verunsicherung auf Kundenseite könnte doch zu groß sein.
Seine Freunde am Apothekerstammtisch amüsieren sich köstlich über die Annonce. Aber Leon P. lässt sich nicht beirren und bei sich: Antizyklisch denken heißt das Zauberwort. Er spricht sogar die jungen Eltern in seiner Offizin an, ob ihr Kind oder ein Spielkamerad aus der Krabbelgruppe vielleicht schon pharmazeutische Neigungen zeige. Und vom befreundeten Chemielehrer am benachbarten Gymnasium lässt er sich die Klausurnoten durchgeben – Fachkräftemangel ist ja absehbar auch für ihn ein Thema.
Sie finden das übertrieben? Mag sein, dass man nicht 38 Jahre vor dem Renteneintritt mit der Nachfolgersuche anfangen sollte. Aber das Beispiel von Apothekerin Monika Prinz zeigt, dass vier Jahre manchmal nicht ausreichen. So lange hat die heute 66-Jährige gemeinsam mit ihrem Mann Friedrich versucht, den Betrieb zu verkaufen. Ihre Kunibertus-Apotheke in Hünsborn/Wenden im Sauerland einfach zu schließen, kommt für die passionierte Apothekerin nicht infrage, die Kunden täten ihr zu leid.
Zu viele gesetzliche Regulierungen und eine ungewisse Zukunft schreckten den Nachwuchs ab, klagt die Apothekerin. Ein nicht unbedeutender Teil der Zukunftsangst betrifft die bevorstehende Einführung des E-Rezepts. Zwar sehen auch die Apotheker die unbestreitbaren Vorteile der auch nicht mehr länger aufzuhaltenden Digitalisierung. Doch auf der anderen Seite gibt es eben die nicht von der Hand zu weisende Sorge, dass ein elektronisches Rezept schneller und leichter zu einer mit Boni lockenden Versandapotheke transferiert werden kann. Und zumindest solange Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Amt ist, wird beim Thema Digitalisierung nicht gebremst. Bei der mittlerweile seinem Haus unterstellten Gematik träumt man schon von OTC-Verkäufen auf der elektronischen Patientenakte.
Manchem geht das alles zu schnell. Erstmal anfangen und sich um die Details später kümmern, klingt zwar erfrischend amerikanisch, ist beim Handling von Patientendaten aber vielleicht nicht immer angezeigt. Unter anderem wurde in dieser Woche intensiv über die Sammlung von Gesundheitsdaten zu Forschungszwecken debattiert. Spahn hat Kritik daran zurückgewiesen. Es gehe darum, Gesundheitsforschung möglich zu machen, und für Patienten mit chronischen Erkrankungen zu besseren Erkenntnissen zukommen.
Der Bundestag hat Spahns Digitale-Versorgungs-Gesetzes (DVG) schließlich auch durchgewinkt. Allerdings hat die Koalition vorher noch einen Rückzieher gemacht: Eigentlich sollten Patienten das Recht erhalten, ihre Verordnungsdaten wieder zu löschen. Dieser Änderungsantrag wurde von der Liste gestrichen. Auch andernorts geht es nun mächtig voran: Gerda ist in Baden-Württemberg gestartet, genauer in Stuttgart und Tuttlingen, aber irgendwo muss man ja anfangen. Gerda steht für „Geschützter E-Rezept Dienst der Apotheken“. Die E-Rezept-App der Versender könnte entsprechend Ulla heißen: Unnötige Liberalisierung der Lieferung von Arzneimitteln. Tatsächlich hat Branchenprimus DocMorris natürlich längst eine App – und die Hausärzte schon eingesammelt. Dagegen protestiert Gabriele Overwiening, Kammerpräsidentin in Westfalen-Lippe.
Damit die Apotheken den Versendern online etwas entgegenzusetzen haben, muskeln die diversen Plattformen weiter auf. In dieser Woche war mal wieder der Zukunftspakt dran, einen neuen Partner zu präsentieren: Mit den privaten Großhändlern von Pharma Privat gibt es einen durchaus prominente Unterstützung. Dafür hat die konkurrierende Initiative Pro AvO mit dem Softwarehaus Mauve einen ersten Umsetzungspartner zertifiziert.
Etwas schwerer sind die Zeiten aktuell für das ARZ Haan. Die Mitarbeiter sorgen sich über die offenbar zahlreichen Abgänge. Die Unternehmensspitze beruhigt: Alles im Griff und um die Abrechnung muss sich erst Recht keiner Sorgen machen. Umso wichtiger, dass das Rechenzentrum Ende der Woche einen neuen Geschäftsführer präsentieren konnte: Hadi Al-Wakil zum zweiten Geschäftsführer der ARZ Service neben Klaus Henkel berufen.
Einen Abgang gibt es dagegen bei der Apothekenkooperation easyApotheke: Vorstand Stephan Just geht von Bord, aufgrund „unterschiedlicher Auffassungen über die weitere Strategie des Unternehmens“. Diese Differenzen scheinen mit einer Anschlussverwendung als externer Berater dagegen nicht zu kollidieren. Gewissermaßen als Abschiedsgeschenk hat Just die easyApotheke an der Düsseldorfer Luegallee wieder an den Start gebracht. Vermutlich in der kommenden Woche eröffnet Paroushak Haftchenari dort ihre vierte Apotheke.
Und zum Schluss noch zwei wirklich skurrile Fälle aus dem Alltag: Eine Apothekerin in Sachsen geriet wegen einer Ortsverwechslung plötzlich unter Verdacht in ihrem Ort. Dabei betraf der Rezeptfälscher-Vorfall eine PTA und zudem eine ganz andere Apotheke. Jetzt kämpft die unschuldig verdächtigte um ihren guten Ruf. Der zweite Fall ist ein Klassiker: Pille danach im Notdienst. Das Besondere hier: Die Kundin ist auf dem Weg, ein Kunde zu werden, die diensthabende Apothekerin wollte in die schon eingeleitete Hormontherapie nicht weiter eingreifen und verweigerte die Abgabe.
So, und nun wünsche ich Ihnen allen einen schönen 30-Jahre-Mauerfall-Tag. Hier sehen Sie, wie die Kollegen das historische Ereignis erlebt haben und wo Promis aus der Branche beim Mauerfall waren. Apotheker Volker Hauffe hatte seine goldenen Zeiten direkt an der ehemaligen Grenze zwar vor dem 9. November 1989 eröffnet, froh über die Wiedervereinigung ist natürlich trotzdem. Und im Podcast WIRKSTOFF.A erzählt Dr. Dagmar Braun, wie sie und ihr Mann Riemser Arzneimittel gerettet haben. Schönes Wochenende!