ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Der Spahn-Lauterbach-Komplex

, Uhr
Berlin -

Apotheker Lasse B. sitzt kopfschüttelnd vor seinem Rechner. Er versteht die Welt nicht mehr, kann Freund und Feind kaum mehr unterscheiden. Wenn Apothekerschreck Karl Lauterbach (SPD) ein sogenanntes Apothekenstärkungsgesetz verhindert, mit dem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Apotheken schwächen will, dann weiß Lasse nicht mehr zu trennen zwischen Gut und Böse.

Er rekapituliert: Minister Hermann Gröhe (CDU) hat das Rx-Versandverbot ins Kabinett eingebracht, die SPD-Ressorts planierten das Vorhaben mit verfassungsrechtlichen Bedenken. Beerdigung erster Klasse. Dann ist das „RxVV“ gefühlt auf der vorletzten Seite des Koalitionsvertrags wieder auferstanden. Hoffnung? Nein, Jens Spahn wurde Minister und ließ durch seine schiere Digitalpräsenz die Euphorie aus der Apothekerschaft entweichen. Beim DAT in München führte er den an diesem Tag bemitleidenswerten ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt geradezu vor. Im Saal wehten Protestplakate, auf denen das Wort Apotheker falsch geschrieben war. Der Tiefpunkt.

Und von da ging es abwärts: Im Dezember stellten beide zusammen Plan B vor, den die Mitgliedsorganisationen aber so nach kurzer Intensivberatung nicht wollten. Plan C war dann von solchem politischen Unwillen gekennzeichnet, dass andere Lobbyorganisationen schon über ein „Apothekenvernichtungsgesetz“ lästerten. Die ABDA protestierte denn auch mit ein bisschen Anlauf. Doch bevor es bei der Anhörung ins Eingemachte gehen konnte, kam „Hilfe“ von ganz unerwarteter Seite: Lauterbach gab Spahn über Bande den gesundheitspolitisch-väterlichen Rat, das Werk gar nicht erst ins Kabinett zu tragen, da es dort ohnehin rasiert würde.

Und jetzt rätseln Lasse und seine Kollegen: Wie groß sind die Bedenken der Verfassungsressorts wirklich? Oder ist die SPD nur aus lieber Gewohnheit dagegen, dass die Apotheker mehr Geld bekommen? Vielleicht wollte Spahn ja, dass sein Entwurf an der Barley-Klippe zerschellt. Ist das Ganze gar ein abgekartetes Spiel zwischen Spahn und Lauterbach? Drei Jahre nach dem EuGH-Urteil zu Rx-Boni ist noch immer nichts passiert, der Gedanke ist so fernliegend nicht. (Und ja, Sie haben recht, es sind noch keine drei Jahre, aber wollen Sie die Wette wirklich eingehen?)

Fakt ist: Karl Lauterbach hat unmissverständlich klar gemacht, dass Spahns Gesetz im Kabinett nur eine kurze Halbwertszeit hätte. Ob der CDU-Minister es aus welcher Motivlage heraus trotzdem einbringt, bleibt abzuwarten. Die Apotheker können und müssen sich jetzt jedenfalls neu sortieren. Die CSU stünde bereit, das Rx-Versandverbot wieder in den Ring zu werfen – in Kenntnis, was die Verfassungsressorts damit machen würden. Das werden noch lange Verhandlungsnächte.

In Heerlen macht auch niemand ein Auge zu, aber nicht aus Sorge – vor Lachen findet niemand in den Schlaf. Das Rx-Versandverbot kommt nicht, die Gleichpreisigkeit wird gerade verabschiedet und ein Boni-Deckel als Alternative würde man als margenschonende Kartellmaßnahme der Regierung sofort abgreifen. Und alles Warten führt zum E-Rezept. Die Plakatprofis bei DocMorris können schon gar nicht mehr an sich halten vor Vorfreude. Die Apotheker lassen sich davon inspirieren, im sicheren Vertrauen darauf, dass solche Urheberrechtsverstöße unter Satire fallen.

Wenn das alles so kommt oder bleibt, kann DocMorris auf solche Eskapaden wie in Hüffenhardt gerne verzichten. Die persönliche Beratung – und sei es via Videochat – zählt sowieso nicht zum Markenkern und ist am Ende noch kostspielig. Vor Gericht musste sich die Versandapotheke dennoch anhören, dass sie mit ihrer Verteidigungsstrategie EU-Recht missbrauche.

Auch ohne Versandhandel ist der Konkurrenzdruck unter den Apothekern zuweilen groß. Aufgabe: Zählen Sie die Inhaber in Ihrem Umfeld, nicht die Apotheken. Und wenn gerade kein Kollege nebenan ist, kann man sich ja auch selbst die Kunden abjagen. Dass das keine gute Idee ist, musste dieser Apotheker lernen, der den Standort an einem der beiden Center-Ausgänge wieder aufgab.

Anders sieht es aus, wenn alle Apotheken im näheren Umkreis zur Familie gehören, oder zumindest zum erweiterten Clan. Hier in Berlin würde man den Begriff zwar nicht so leichtfertig benutzen wie der Münchener Dr. Stefan Hartmann, aber sein Plädoyer für die Clan-Apotheke hat einige spannende Fragen über Synergieeffekte, Qualität und Verantwortung in Apotheken in den Raum gestellt, über die es sich zu diskutieren lohnt. Gern auch mit Anstand und Respekt.

Ein vergleichsweise einfaches Ansinnen: Die Brigitte ging der Wahrheit über exklusive Pharma-Kosmetik auf den Grund. Eine weitere Meldung aus diesem abgelegenen Landstrich der Pharmazie: ProSieben steigt bei FreiÖl ein. Aber was soll man sagen, wenn heute schon in Pixi-Büchern für Kinder Werbung von Herstellern zu lesen ist? In diesem Sinne: Dieses ApoRetrO wurde präsentiert von der Lauterbach GmbH, Ihrem Schweißfachbetrieb für Blech- und Betonstahlverarbeitung*. Schönes Wochenende! (*Viele Grüße nach Bitterfeld, das war ein Scherz…)

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
Kein Bewusstsein für Leistung vorhanden
Notdienst: Apotheker für 50 Prozent Luxus-Aufschlag
294 Euro für alle – mit Ausnahmen
Berlin: Eine Stelle für den Kammerbeitrag
Mehr aus Ressort
Neue Nische für Zwischenhändler
Skonto über Großhandelsapotheken?
„Die Kosten steigen zurzeit ins Unermessliche“
Weihnachtsgeld: So kürzen die Inhaber

APOTHEKE ADHOC Debatte