Der Plan für den DocMorris-Marktplatz Alexander Müller, 26.09.2020 08:00 Uhr
DocMorris will zurück auf den Marktplatz. Das Image des gesichtslosen Callcenter-Versenders soll eingetauscht werden gegen Persönlichkeit, Nähe, Versorgung vor Ort. Jetzt liegen erstmals Pläne vor, wie sich die Zur Rose Tochter den Marktplatz vorstellt. Kurz gesagt: In der Mitte alles grün und drum herum alles zu.
Päckchen packen reicht heute nicht mehr, auch eine bis ins Letzte perfektionierte Logistik begeistert den verwöhnten Kunden heute kaum noch – zumal die letzte Meile der Auslieferung dann doch oft schmerzhaft steinig ist. Also muss auch DocMorris – Amazon macht es vor – mehr bieten: Gesundheitsplattform ist das Gebot der Stunde. Klingt trotzdem noch etwas distanziert, der Begriff Marktplatz hat dagegen so etwas heimeliges. Und da Zur Rose-CEO Walter Oberhänsli seinen Faible für Historisches bewiesen hat, soll sich das neue Konzept an Bewährtem orientieren.
Sollten die Apotheken doch nicht so superglücklich mit den Plänen des Versenders sein, wird eben der Platz zwischen den Apotheken zurückerobert. Bude an Bude mit grüner Planen reiht sich dann auf dem Marktplatz. Und da gibt es einfach alles: Arzneimittel sowieso, denn die Auslieferung an einem mobilen Verkaufstresen auf Kopfsteinpflaster ist eine Spielart des Versandhandels, deren Verbot verfassungsrechtliche Bedenken entgegenstehen.
Gleich nebenan wird telemedizinische Beratung feilgenboten, Krankschreibung vor Ort inklusive, mit privatem Krankentransport nach Hause. Neben dem DocMorris-Barbier und Badeknechten teilen sich Schmied und Zinngießer einen Stand. Und auf besonderen Wunsch aus der Unternehmensspitze soll im Zentrum des Marktplatzes eine grüngoldene Richtstätte entstehen – nur symbolisch natürlich. Denn ernsthaften Ärger kann sich auf dem Marktplatz nur einhandeln, wer die Wahlfreiheit des Patienten beschränkt. Dazu wird aber kaum noch Gelegenheit sein, da die umliegenden Geschäfte (und Apotheken) laut Modellzeichnung bereits aufgegeben haben. Schöne grüne Welt.
Das traurige an dieser ApoRetrO-Dystopie ist, dass sie im digitalen Raum durchaus eine realistische Zukunft hat. Zwar hat Oberhänsli gesagt, es wäre „dümmlich“, einen Kanal aus der unlängst übernommenen Teleclinic in die eigene Versandapotheke zu forcieren, aber irgendwie kann er das selbst kaum glauben. Denn an anderer Stelle sagte er dem Tagesspiegel, dass die Telemedizin eine wichtige Ergänzung für die Kunden der Versandapotheke sei und man sich in Richtung eines Ökosystems entwickele.
Und dann kam er wirklich, der historische Vergleich: „Ich bin wirklich sehr geschichtsaffin, ich finde auch das Edikt von Salerno toll, aber nichtsdestotrotz: Es kann doch nicht der Anspruch sein, dass wir uns sklavisch an 800 Jahre alten Gesetzen orientieren. Sonst würden wir heute noch mit dem Hackebeil die Köpfe von Delinquenten abschlagen.“ In dieser Rolle sieht man sich bei Zur Rose ja traditionell nicht, auch wenn man sich ja gerne zwischen den Zeilen im Gesetzestext bewegt. Aber Oberhänsli versprach, nicht gegen geltende Gesetze verstoßen zu wollen. Ein merkwürdiges Versprechen. Also im Ernst jetzt: Merken Sie sich das!
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will den Apothekern ihr Botendiensthonorar nicht wegnehmen, nur halbieren. 2,50 Euro pro Ausfahrt sollten doch reichen. Die Abda bittet den Minister, noch einmal darüber nachzudenken, ob es nicht doch bei 5 Euro bleiben kann.
AvP-Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos hat im Video-Interview mit APOTHEKE ADHOC Rede und Antwort gestanden, hier die wichtigsten Thesen. Nach dem Start des Insolvenzverfahrens wird immer klarer, dass die betroffenen Apotheker noch lange auf ihr Geld warten müssen. Und selbst wenn ihnen als Gläubiger des Rechenzentrums Sonderrechte eingeräumt werden, ist nicht genug für alle Forderungen da. Die Apothekerkammern und -verbände schlagen Alarm, weil sie mit einer Schließungswelle rechnen und wenden sich hilfesuchend an die Politik. Diese Apothekerin tritt sogar aus der CSU aus, als Protestnote. Doch zu dem geforderten Rettungsschirm hat sich bislang noch niemand erklärt. Tja, Bank müsste man sein.
Dann bekommt man, wie jetzt die Apobank, höchstens verboten, eine Dividende auszuzahlen. Das Düsseldorfer Bankhaus beteuert zwar, trotz IT-Millionengrab dazu in der Lage zu sein, aber die Bankenaufsicht will fitte Kreditinstitute, damit die Corona-gedrückte Wirtschaft sich genug Geld leihen kann. Also muss auch die Apobank die Ausschüttung um ein Jahr verschieben.
Höchste Zeit, dass sich die Apotheker neue Einnahmequellen erschließen. Zwar verdient man sich mit der Grippeschutzimpfung an sich keine goldene Nase, aber wenigstens kommen mehr Leute öfter in die Apotheke. Denn die roten Nasen bleiben ja derzeit auch fern und die Cannabisernte fällt auch aus. In NRW geht jedenfalls das erste Impf-Pilotprojekt los, die Apotheker haben an den Kollegen geübt. Genug Impfstoff sollte auch da sein, nachdem Spahn die nationale Reserve spendiert hat. Und ganz ehrlich: Ich würde mich lieber in der Apotheke impfen lassen als auf dem Marktplatz. Schönes Wochenende!
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