Verglichen mit dem Beben des 2hm-Gutachtens war der Ausschlag des Seismografen beim aktuellen Gutachten zum Apothekenmarkt ziemlich schwach. Das könnte aber auch daran liegen, dass bislang nicht alle Teile des Gutachtens bekannt waren. ApoRetrO liegt exklusiv die B-Seite des Gutachtens vor, eigentlich Verschlusssache und voller tiefschürfender Erkenntnisse über den Apothekenmarkt.
Um die flächendeckende Versorgung richtig zu analysieren, muss etwa die mittlere Distanz zwischen den Apotheken auf den Meter genau berechnet werden. Das ist mit Tante Google ja keine große Kunst mehr. So ein vergoldetes Gutachten schaut natürlich tiefer. Weil der Versandhandel strukturell in einem anderen Markt unterwegs ist, müssen alle Vor-Ort-Apotheken mit Versandhandelserlaubnis aus der Flächenstatistik herausgenommen werden. Ist doch logisch, oder?
Auch das Durchschnittsalter der Apotheker wurde berechnet. Dazu wurden die Jahrgänge der Erstsemester recherchiert und aus dem Alter der Absolventen eine durchschnittliche Studiendauer errechnet. Bei einer geschätzten Quote von 4,2 Prozent der Approbierten, die beruflich gänzlich umsatteln und von den Gutachtern vermutete Quereinsteiger, kommen sie auf ein Alter von 42,54274 Jahren – plus/minus zehn Jahre.
Nur eine Modellrechnung erscheint auf den ersten Blick etwas zweifelhaft. Sollte das E-Rezept die Versandapotheken beflügeln, so die Annahme der Gutachter, und diese trotzdem den OTC-Preiskampf intensivieren, müssten die Apotheken Kosten sparen und würden – Annahme 2 – Personal abbauen. These: Entlassen die Apotheken jeden zweiten Mitarbeiter, sparen sie 50 Prozent der Personalkosten. Verrückt!
Jetzt mal im Ernst: An dem veröffentlichten Teil des Gutachtens ist vor allem eins auffällig: dass es unauffällig ist. Die spitzeste These, zu der sich die Autoren versteigen, ist, dass ein Rx-Boni-Verbot den OTC-Preiskampf befeuern würde. Das Apothekensterben haben IGES & Co. in Stadtrandlagen ausgemacht. In der politischen Diskussion dürfte das Papier für keine Seite besonders hilfreich sein.
Der Großhandelsverband Phagro war nach der ADHOC-Veröffentlichung des Gutachtens als erster sprachfähig und das Gegenteil von voll des Lobes: Die vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) berufenen Experten verstünden leider die Regelung zur Großhandelsspanne nicht, so das vernichtende Fazit. Die Abda musste sich neben einer Blitzanalyse unterdessen noch mit der Nonsens-Berichterstattung der Bild auseinandersetzen. Wenigstens ging es diesmal nicht um WhatsApp-Chats.
Bei der ersten Lesung des Apothekenstärkungsgesetzes (VOASG) kündigte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) an, dem Wild-West-Treiben gegen die Preisbindung ein Ende zu bereiten. Super, nach vier Jahren – aber immerhin vor dem Showdown namens E-Rezept. Ein heißer Kandidat für das Zitat der Woche ist übrigens Spahns Unverschämtheit: „Wir wollen die Apotheken für die 20er-Jahre fit machen – für den Alltag und für den Notfall.“
Das größere Drama der Woche lieferte jedoch AvP. Das private Rechenzentrum konnte den Apotheken ab Montagabend kein Geld mehr überweisen. Nach Angaben des Firmenchefs war ein Serverumzug ursächlich, doch natürlich brodelte es in der Gerüchteküche. Welche Rolle spielen die externen Kontrolleure? Und müssen sich die Apotheke Sorgen um ihre Rezepte und ihre Liquidität machen? Die Kommunikation seitens AvP hat wenig zur Beruhigung beigetragen, auch nicht der Abgang zweier Vorstände. Doch am Freitagabend gab es zumindest Seufzer der Erleichterung: die Überweisungen seien angewiesen, hieß es vielerorts. Das Ende vom Lied? Eher nicht.
Der tragische Vorfall von vor einem Jahr wird erneut ins Bewusstsein gerufen: Weil eine werdende Mutter und ihr Baby an einer verunreinigten Glucose-Mischung starben, wird einer Apothekerin jetzt der Prozess gemacht. Die Anklage lautet auf Mord. Ihr Anwalt hat die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft als abwegig bezeichnet.
Zu zweifelhafter Berühmtheit in der Branche gebracht hat es die Popo-Diebin. Ist aber nicht so lustig, wie es klingt. Denn als Ersatz für das entwendete Bargeld lässt sie den Apothekenteams oft verstörende Bilder im Kopf. Versicherungsexperte Michael Jeinsen glaubt fest an eine Bandentätigkeit. Er hat allein nach Erscheinen des jüngsten ADHOC-Beitrags von sieben neuen Fällen erfahren. Also: Seien Sie bei Patienten mit Hämorrhoiden wachsam.
Noch ein paar News aus der Praxis zum Schluss: Mucosolvan Phyto Complete könnte vor dem Comeback stehen – aber der Rechtsstreit bleibt skurril. Noch relatives Neuland für Apotheken ist die Hämophilie-Versorgung. Erste Eindrücke aus der Praxis schildert diese Kollegin. Und hier sind fünf Tipps zur Beratung bei Dyshidrose. Wenn Sie Ihre Apotheke mit Schüßler-Salzen retten müssen, hier entlang. Falls nicht, Glück gehabt. Schönes Wochenende!
APOTHEKE ADHOC Debatte