Der erste Traubenzucker-Härtefall Alexander Müller, 08.06.2019 08:01 Uhr
Der kleine Knirps kann noch nicht über den HV-Tisch gucken – aber er weiß, was er will: „Daf ich Bomboms ham?“, fragt er den Apotheker. Der tut so, als hätte er nichts gehört und berät die Mutter weiter gewissenhaft zu Fieberzäpfchen. „Ich will Bomboms!“, schallt es nachdrücklicher aus der Außerdersichtwahl. Dem Apotheker steht der Schweiß auf der Stirn. „Ach entschuldigen Sie, darf mein kleiner Theo vielleicht ein Traubenzucker haben?“, mischt sich die Mutter ein. Mit zitternder Hand greift der Apotheker in die versteckte Schachtel unter dem Tresen und lässt die Süßigkeit in die ausgestreckte Hand des Jungen fallen. Schon schnappt die Handschelle zu.
Denn was der Apotheker getan hat, ist ein schweres Verbrechen. Er hat eine Zuwendung gewährt. Sogar zwei, aber gegen die kostenlose Beratung haben Gesetzgeber und Justiz nichts einzuwenden. Es ist der Traubenzucker. Der Preis für die Fieberzäpfchen wurde durch den Drops Intact-Zitrone gesenkt.
Sie haben Recht mit Ihrem Einwand, dass die Mutter die Zäpfchen gar nicht bezahlt. Sie haben auch recht, wenn Sie vortragen, dass bei einem Kinderarzneimittel keine Zuzahlung anfällt. Und nicht zuletzt damit, dass selbst die pfennigfuchsenste Mutter nicht in eine bestimmte Apotheke geht, weil der kleine Theo dort seinen Traubenzucker bekommt (oder seinen Em-eukal-Lolli, Salmiak-Pastille oder Methadon oder wonach immer ihm der Sinn steht). Aber verstehen Sie doch, es geht ums Prinzip. Es geht um die Preisbindung.
Dass die Mutter 2,50 bis 30 Euro geschenkt bekäme, wenn sie das Rezept in die Niederlande geschickt hätte, ist wahr (aktuell sind sogar Doppelbonus-Wochen). Weil der Binnenmarkt anderen Anforderungen genügen muss als die Akutversorgung. Aber dummerweise hat der kleine Theo jetzt Fieber, was sein zuletzt etwas ungebührliches Betragen entschuldigt.
Den Apotheker entschuldigt nichts, er hat kein Binnenmarktprivileg, weil er beraten darf. Und muss deshalb hart bestraft werden. Es wären in Wirklichkeit nicht gleich die Handschellen, die meine lieben Kollegen aus der Grafik in das Bild gezaubert haben, aber eine Abmahnung könnte der Traubenzucker durchaus nach sich ziehen. Denn der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Ofenkrusti-Urteil entschieden, dass die Preisbindung absolut einzuhalten ist.
Das Urteil ist in sich auch schlüssig und konsequent. Der Gesetzgeber will keine Boni, also darf es keine Bagatellgrenze geben. Die ABDA hat diese Klarstellung begrüßt, dafür aber schon wieder Prügel bezogen. Und eine Meinung zu gelernten Geschenken aus der Apotheke hat sowieso jeder: Die Publikumspresse und ihr Publikum. Unabhängig davon gab es in dieser Woche sogar eine Apothekerfrage in der TV-Sendung: Genial neben.
Genial daneben liegen auch die Niederlande. Eine Inländerdiskriminierung deutscher Apotheken aufgrund des Boni-Gefälles vermochte der BGH nicht zu sehen. Die kommt erst, wenn die ausländischen Versandapotheken mit querfinanzierten Boni einen so großen Marktanteil gewonnen haben, dass die Preisbindung hierzulande nicht mehr genug Apotheken am Leben erhält. Oder anders ausgedrückt: Wenn Sie Ihre Apotheke aufgeben, dürfen Sie Rx-Boni gewähren.
Oder Sie versuchen es bis dahin mit einer kleinen Aktion an der Basis: Kollege Jan Thiel bietet seine Taschentücher in einer Schütte zum Mitnehmen an und greift in einem Hinweisschild die BGH-Problematik auf. Sehr lesenswert unter diesem Beitrag der Kommentar von Nutzer „Fachapotheker für Bürokratie“ zu selbst gemischten Teedrogen. Vielen Dank!
So viel in der Presse und im Fernsehen waren die Apotheker…. Das kann im Grunde nicht wundern, war doch am Freitag Tag der Apotheke. In unserer aktuellen Podcast-Folge habe ich in diesem Zusammenhang gesagt, dass der 7. Juni auch Tag des Donuts sei. Das trifft 2019 auch zu, Sie sollten sich den Fettkringelfeiertag aber trotzdem nicht im Kalender einkringeln. Denn mir ist hier eine kleine Ungenauigkeit unterlaufen. Der Tag des Donuts kommt – surprise – aus den USA (National Doughnut Day) und wird dort als Nachfolger eines Aktionstags der Heilsarmee immer am ersten Freitag im Juni begangen, ist also ein in dieser Hinsicht variabler Feiertag. Anders der Tag der Apotheke, der immer am 7. Juni stattfindet, was auch nicht ganz stimmt, da erstmals am 10. September begangen. Mein kalendarisches Interesse war aber schon zu erschöpft, um deshalb noch bei der ABDA nachzufragen.
Spannender ist sowieso, was Ihre Kunden über Sie denken. Dazu empfiehlt sich das Studium der Forsa-Umfrage (Schwerpunkt Eltern/Kind) oder der schon angesprochene Podcast. Letzte Klarstellung dazu: Ich sagte beiläufig, dass wir bei ADHOC den D-Day (6.6.) nicht „feiern“, was in einem verhalten andächtigen Geist gemeint war. Hoffentlich ist nirgendwo das Missverständnis entstanden, wir würden das Ergebnis dieses Einsatzes nicht feiern. Das lag mir nach Anhören der Episode noch auf dem Herzen, aber jetzt weiter im Text.
Der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der GKV-Spitzenverband haben zur Umsetzung des neuen Rahmenvertrags eine Friedenspflicht vereinbart. Also eigentlich haben Sie vereinbart, dass der DAV Retaxationen in der Phase des Übergangs unpassend findet und der GKV-Spitzenverband dem zustimmt und seinerseits die Mitgliedskassen höflich bitten möchte, auf Retaxationen zu verzichten. Na dann.
Und im Markt? Zur Rose kuschelt noch etwas enger mit Migros und dabei haben drei Pilotprojekte die Erwartungen weit übertroffen. Rowa hat für seinen neuen Automaten ein eigenes Foto-Shooting veranstaltet. Die Strüngmanns wollen Galderma kaufen. Und Müller verramscht Magnesium Verla im Katalog. Im Großhandel sind neue Streiks geplant. Wir streiken jetzt auch gemeinsam und gehen ins Wochenende!