Die Arzneimittel-Engpässe sind so schlimm wie nie, die Regierung muss irgendetwas tun. Und sie tut irgendwas. Das gesetzliche Engpass-Verbot ist in Planung, für den Übergang soll jetzt auf ein bewährtes Mittel zurückgegriffen werden: Berechtigungsscheine für den Bezug von Paracetamol.
Der bislang noch unbekannte Geheimplan sieht folgendes Verfahren vor:
Nach seinen schlechten Erfahrungen mit der Impfstoffübergabe beim Regierungswechsel will sich Minister Lauterbach zunächst einen Überblick über die tatsächlich verfügbare Menge Paracetamol verschaffen. Großhändler und Apotheken bekommen noch vor Weihnachten Listen mit PZN, in die sie die Anzahl der zum Stichtag vorhandenen Packungen eintragen. Die ausgefüllten Listen müssen per Fax an das Bundesgesundheitsministerium geschickt werden. Die Daten werden dort erfasst. Wer gar keine Ware hat, muss den Zettel zerreißen und die Schnipsel faxen.
Parallel zur Bestandsanalyse erhalten die Arztpraxen ebenfalls Listen. Sie müssen angeben, welche Fiebersenker sie an wen verordnet haben und warum (z.B. „Fieber“). Wenn sie ihre Listen über die Telematikinfrastruktur übermitteln, bekommen sie 6 Euro pro Eintrag.
Personen mit Fieber lassen sich in der Arztpraxis ein Rezept ausstellen und schicken dieses an das Bundesamt für Soziale Sicherung. Dort wird es in einen Berechtigungsschein umgewandelt und an den Versicherten zurückgeschickt. Mit diesem Coupon (s. Abbildung oben) lässt sich in der Apotheke eine Packung eines Paracetamol-haltigen Präparats einlösen. Den Eigenanteil von 2 Euro dürfen die Apotheken dem Versicherten erlassen, versprach der Minister. Immerhin sei Weihnachten.
Alternative: Wenn der Arzt oder die Ärztin kein Rezept ausstellen will, darf die Apotheke auch OTC-Paracetamol gegen Berechtigungsschein abgeben. In diesem Fall muss aber die Einnahme in den Betriebsräumen der Apotheke erfolgen und das Fieber zuvor „über eine verlässliche Methode“ festgestellt werden, heißt es in der Verordnung. Die Nutzung des Beratungszimmers wird hierzu in der Begründung des Entwurfs empfohlen.
Coupon hin oder her – es muss trotzdem mehr Paracetamol ran: Mit der Beschaffung wurde ein gewisser Sven Splitter beauftragt, der in diesen Bereichen wohl schon Erfahrung hat. Fertigarzneimittel hat er zwar noch nicht heranschaffen können, dafür aber über die Schweiz importierte Wirkstoffe, die in den Apotheken zu Säften und Zäpfchen verarbeitet werden sollen. „Rezeptur ist für mich ein Stück Heimat“, sagt Splitter. Dass die Ausgangsstoffe schon dreimal so teuer sind wie eine Packung nimmt er gelassen. „Verzeihung, aber so ist das in der Krise.“
Also auf die Coupon-Idee ist (so weit wir wissen) noch niemand gekommen im Ministerium. Aber sein Generikagesetz will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wirklich noch vor Weihnachten vorlegen. Denn der SPD-Politiker kennt die Wahrheit über die Rabattverträge: „Wir haben es zu weit getrieben.“
Auf der Fachebene war das länger klar, jetzt schreit sogar die „Bild“ schon „Weltuntergang“, weil zu viele Präparate fehlen. Und das führt dann natürlich dazu, dass die Leute vollends durchdrehen und zu Hamsterkäufen in die Apotheken rennen. Fiebersäfte sind das neue Klopapier. Der 1. Advent war für die Apotheken wenig besinnlich, mal sehen, was morgen im Notdienst so geht.
Vielleicht könnte die Bild auch noch den Nullretax-Skandal „aufdecken“. Damit wäre den Apotheken wirklich geholfen. Bis die Boulevardkollegen so weit sind, lösen wir die ersten Fälle. Apothekerin Andrea Prochaska aus Mönchen-Gladbach konnte im APOTHEKE ADHOC Webinar schon verkünden, das ihre DJ-Retax zurückgenommen wurde. HAV-Chef Holger Seyfarth hat eingeräumt, dass die Verträge vielleicht nicht immer zum Vorteil der Apotheken ausgehandelt wurden. Für dieses aufrichtige Eingeständnis bekam er live viel Applaus. Und die AOK Sachsen-Anhalt will nun zumindest etwas nachgiebiger sein bei den DJ-Retaxen.
Vollkommen daneben sind dagegen die Ideen der Krankenkassen zum Apotheken-Botendienst. Immerhin mussten die Kassen-Funktionäre bei der Anhörung im Bundestag einmal öffentlich einräumen, dass sie überhaupt keinen Kontakt zu ihren Versicherten haben und vermutlich auch nicht wünschen. Dafür haben Abda und Freie Apothekerschaft den Schulterschluss geübt und die beiden Chefinnen sogar ein gemeinsames Video-Interview gegeben. Kann nur gut sein für den Berufsstand. Weniger harmonisch geht es bei den PTA zu, deren Verband sich im Frühjahr komplett neu aufstellen muss.
Neuigkeiten auch aus dem noch immer fragwürdigen Geschäft der Arzneimittelschnelllieferdienste: Raider heißt jetzt Twix, sonst ändert sich nix. Schönes Wochenende!
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