Bon nur mit Unterschrift gültig Alexander Müller, 14.12.2019 08:05 Uhr
Bäcker Tenk hat sich öffentlichkeitswirksam über die Belegausgabepflicht aufgeregt. Doch das ist nichts im Vergleich zu Apothekerin Franziska Bon. Die hat gerade von der neuesten Auflage in der Kassensicherungsverordnung (KassenSichV) erfahren und ist komplett ausgerastet: „Was?! Jetzt soll ich auch noch jeden einzelnen Bon unterschreiben?!“
Bon geht die überarbeitete Vorschrift noch einmal Punkt für Punkt durch: Demnach muss ein Beleg mindestens enthalten:
- den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers,
- das Datum der Belegausstellung (Winterzeit)
- die Menge und die Art der gelieferten Gegenstände inklusive Einkaufspreis und gewährter Rabatte der vorgelagerten Handelsstufen
- eine Bestätigung, dass das abgegeben Arzneimittel lieferfähig war
- die Unterschrift des leistenden Unternehmers von links nach recht in Schönschrift
Bon setzt also auf jeden Bon ihr Kürzel – eine hoheitliche Aufgabe, die der Erlaubnisinhaber auch nicht delegieren darf. Was das Finanzministerium nicht bedacht hat: Der erweiterten Anforderungen verschärfen die Präsenzpflicht zu einer Nie-außer-Haus-Pflicht. Selbst Kunden bedienen kann Bon fast gar nicht mehr, permanent läuft zwischen den vier Kassenplätzen hin und her und setzt ihre Unterschrift auf die Belege. Fiskus-Safety first. In ihrem Team hat ihr das den liebevollen Spitznamen „rasendes Bonbon“ eingebracht.
Ärger mit dem Fiskus gab es trotzdem: Eines Tages stand der Ambassadeur des Finanzamts in der Offizin und monierte den ausgestellten Beleg. Nicht weil jeder Bon mit Bon unterschrieben war, sondern weil der Beamte das nicht gut lesen konnte. Naja, es sei ja schließlich auch ihre Unterschrift, sagte Bon und verwies auf die Inhaber-Regelung. Doch der Betriebsprüfer blieb kühl und unerbittlich und legte Bon die Vorschrift vor: „Die Angaben auf einem Beleg müssen für jedermann ohne maschinelle Unterstützung lesbar sein.“
Und während jetzt heiße Tränen auf den Bon fallen, Tränen der Heiterkeit, der Verzweiflung und Wut, verlassen wir Bons Bon-Apotheke und begeben uns in die Wirklichkeit: Dort gibt es auch eine Bonpflicht, aber zu Glück sind die Auflagen nicht ganz so absurd. Aber so weit ist der Weg nicht. Deshalb dämmert der Politik allmählich, dass diese Belegausgabepflicht ein ziemlicher Quatsch ist. Selbst die FDP steht mal wieder an der Seite der Apotheker – zumindest sind die Pharmazeuten bei der Solidaritätsadresse mit gemeint.
Über den Extra-Papierkorb von CGM Lauer haben noch viele in der Branche gelacht, mehr noch über die eBon-App aus dem Hause Pharmatechnik. Doch dann kam die ABDA und machte ABDA-Sachen: Die Apotheker daran erinnern, dass sie die für die Kunden eigens liebevoll ausgedruckten und von diesen dann kaltherzig zurückgelassenen Bons schreddern müssen, damit die KassenSichV nicht mit der DSGVO ins Gemenge gerät.
Die älteren ADHOC-Leser werden sich noch an jene aufdringlich-anbiedernde Redensart erinnern, die früher in keiner offiziellen Äußerung der Großhändler fehlen durfte: „Wir sitzen alle in einem Boot.“ Damit sollten die Apotheker beschwichtigt werden, wenn Konditionen gekürzt wurden oder der Phagro im BMG für ein apothekenfeindliches Honorarmodell lobbyierten.
Am Donnerstag kam mir die Boot-Metapher wieder in den Sinn. Bald sitzen wirklich alle in einem Boot, oder besser: in einem Boots. Der Name des Tankers: USS GO Alliance. Walgreens Boots Alliance und McKesson legen ihr Großhandelsgeschäft in Deutschland zusammen. Alliance Healthcare Deutschland übernimmt in der Fusion mit Gehe die Führungsrolle und die Machtverhältnisse in der Branche verschieben sich gewaltig. So leicht kann man sich eines Stefano Pessina nicht entledigen.
Klar, dass die Genossenschaften Noweda und Sanacorp jetzt ihren familiären Wesenskern beschwören. Und AEP-Chef Jens Graefe weissagt in seinem freistehenden Zentrallager, dass sich die Zahl der Niederlassungen des fusionierten Konkurrenten schon bald annähern wird. Tatsächlich dürfte kaum mehr als die Hälfte der 42 Standorte die Flitterwochen überleben.
Den nervösen Briefen einiger AOKen und einzelner IKKen sind weitere gefolgt, noch nervöser, da die Frist bis Jahresende immer kürzer wird. Jetzt hat die Steuerberatungsgesellschaft Treuhand Hannover darauf hingewiesen, dass die Kassen überhaupt keine Ansprüche gegen deutsche Apotheken haben, die verjähren könnten – und zwar ganz egal, wie der Bundesfinanzhof entscheidet. Deswegen können die Apotheken die geforderte Verzichtserklärung auf Einrede der Verjährung vermutlich genauso gefahrlos unterschreiben wie das Risiko einzugehen, sich verklagen zu lassen.
Wer solche Freunde bei den Leistungsträgern hat, braucht eigentlich keine Einbrecher mehr, die einem für 100.000 Schleifen die Bude verwüsten. Apropos Buden: Kleinere lassen sich schlecht verkaufen. Das ist bekannt. Aber auch Ärztehäuser sind keine Gelddruckmaschine mehr und Center-Standorte eher auf der Liste der gefährdeten Arten, sagt Marco Benz von der Beratungsfirma Apomind.
Besonders lohnenswert können Standorte in Grenznähe sein. Viel diskutiert ist die aufsichtsrechtliche Lage der Grenzapotheken. Was auf jeden Fall hilft: Das Siegel eines deutschen Pharmazierats. Wenn sich in einer Ecke partout niemand mehr niederlassen will, ist der Staat in der Pflicht: Dann stellt das Amt einen Apotheker an und betreibt eine Notapotheke.
Wieder mehr in seiner eigenen Apotheke stehen möchte Friedemann Schmidt. Als ABDA-Präsident will er im nächsten Dezember nicht noch einmal kandidieren, bis dahin aber jeden Tag im Amt genießen. Das klingt viel trauriger als es vermutlich gemeint war, was wiederum eine Überschrift seiner Regierungszeit sein könnte. Ob es der ABDA hilft mit einer „lame duck“ in die heiße Phase des VOASG und Einführung des E-Rezepts (mit der eigenen lame WebApp) zu gehen? Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) treibt sich immerhin schon in den Wohnzimmern Hallenser Rentnern herum und testet die digitalen Verordnungswege. Kry übt sich. Schönes Wochenende!