Julia Boss ist schon etwas aufgeregt an ihrem ersten Arbeitstag. Zwar kennt sie die Apotheke in- und auswendig, schließlich arbeitet sie schon seit Jahren hier, aber ab heute ist alles anders: Sie ist offiziell Chef-PTA, Jahrgangsbeste der allerersten Abschlussklasse dieses ganz neu eingeführten Ausbildungsberufs.
„Auf ein Pharmaziestudium hatte ich keine Lust, aber nach einigen Jahren als PTA hatte ich immer das Gefühl: Da muss doch noch was kommen“, beschreibt Boss ihre Motivation. Ihre Chefin sei zwar locker gewesen und habe auch den PTA viele Freiheiten eingeräumt – aber eben nur innerhalb der rechtlichen Grenzen. Und die waren Boss irgendwann zu eng, wie anderen Kollegen auch.
Zum Glück gab es eine PTA-Reform nach der heftig umstrittenen PTA-Reform im Jahr 2019. Die „normale“ Ausbildung wurde nicht erneut angefasst, den Ärger wollte sich Spahns Nachfolger ersparen. Stattdessen wurde die Chef-PTA auf die Offizin losgelassen. Sie soll die Lücke schließen zwischen Inhaber und Team.
Nach erfolgreichem Abschluss erhalten die C-PTA zusätzliche Kompetenzen in der Apotheke. Sie dürfen den Inhaber kurzfristig vertreten, falls dieser mal dringend einen Nachmittag frei benötigt. Allerdings hat die Berufsvertretung der Apotheker durchgesetzt, dass die Vertretung nicht länger als sechs Stunden am Stück erfolgen darf, samstags nur vier Stunden. Notdienste können die Chef-PTA auch übernehmen, aber maximal zweieinhalb pro Quartal und unter der Voraussetzung, dass der Inhaber nicht weiter als 12,51 Kilometer von der Apotheke entfernt wohnt (Zweitwohnsitz reicht nicht).
Julia Boss war schon PTA, hat die neue Ausbildung aber trotzdem komplett durchlaufen. Das ging im ersten Jahrgang nicht anders, später soll es eine zweijährige Aufbauausbildung für examinierte PTA geben. Die reguläre Ausbildung dauert drei Jahre plus ein praktisches Jahr in der Apotheke. Auf dem Stundenplan stehen bekannte Inhalte für pharmazeutisches Fachpersonal, aber auch Fächer wie Urlaubsplanung, Mediation und „Vorbereitung des Betriebs auf eine Revision und/oder steuerliche Betriebsprüfung“. Als Wahlpflichtfach kann man „Unterstützung bei der Nachfolgersuche“ oder „Abwicklung nach Insolvenz“ besuchen, Lieferengpassmanagement soll dagegen jetzt doch Pflichtfach werden.
Kritiker aus den Reihen der Apotheker finden die neue Kompetenzaufteilung zu kleinteilig und gleichzeitig zu weitreichend. Vielleicht sind sie aber auch nur etwas beleidigt, weil man sich als Approbierter ohne entsprechende Aufbauausbildung nicht als Chef-PTA anstellen lassen kann. „Sorry, du bist NUR Apotheker“, das hört sich einfach nicht schön an.
Chef-PTA hört sich vielleicht gut an, ist aber eher ein Zukunftsprojekt. In Wirklichkeit strampelt sich die Regierung noch mit der PTA-Reform ab. Das Haus von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat einen Entwurf vorgelegt, der im Bundesrat ziemlich zerfleddert wurde. Das freute wiederum den BVpta, der mit Spahn nicht zufrieden war und sich auch einen kleines Nachtreten gegen die ABDA nicht verkneifen wollte. Dieser PTA-Schulleiter erklärt, warum er nicht so viel davon hält, die Ausbildungszeit zu verlängern. Und: Nicht jede PTA will mehr Verantwortung. (Na klar, es kann nur eine CPTA geben!)
Die Apotheker müssen dagegen mit ansehen, wie ihr Stärkungsgesetz zerbröselt. Andererseits finden viele das womöglich besser, als wenn es in seiner ganzen Schönheit gekommen wäre. Noch ist das VOASG nicht in der Restmülltonne, aber so richtig frisch sieht es auch nicht mehr aus. Die EU-Kommission muss sich noch finden und wird bestimmt etwas am Boni-Verbot zu meckern haben. Und hierzulande fristet die Groko ein ziemlich todessehnsüchtiges Dasein.
Aber Spahn ist ein ehrgeiziger Minister, zerlegt das Gesetz und schiebt es anderen unter. Auf diese Weise kommt wenigstens das schöne Wort Omnibus zu seltenen Ehren. Im gestern im Bundestag erstmals besprochenen Masernschutzgesetz sind jetzt die Impf-Modellprojekte der Apotheker enthalten. Was immer noch besser passt als die ebenfalls geomnibussten Folgeverordnungen oder gar das Werbeverbot für Schönheitsoperationen. Letzteres stammt nicht aus dem VOASG (Lobby-Check), da Schönheits-OPs keine apothekenübliche Dienstleistung sind.
Bedeutender für die Apotheker sind die beiden Verordnungen, die am Montag im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden sollen. Damit gibt es nämlich mehr Geld – und zwar ohne zusätzliche Mehrleistung. Mehr Geld für den Notdienst und mehr Geld für die BtM-Abgabe. Das ist doch auch einfach mal schön.
Nicht so schön sind die anhaltenden Lieferengpässe. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt wurde von seinem MDR befragt, was man denn dagegen tun könne. „Mangelverwaltung“ war seine Antwort und Wiederansiedlung der Arzneimittelproduktion in Europa als Langfristprojekt. Zuversicht strahlte das nicht unbedingt aus, wenn einer sagt: „Es macht keinen Spaß mehr.“
Zum Thema Medikamentenmangel hat sich in dieser Woche fast jeder geäußert: Der Kassenverband vdek dahingehend, dass es eigentlich gar keine Lieferengpässe gibt und wenn doch, dann sind daran nicht die Rabattverträge schuld. Punkt. Der BPI findet, dass man zwischen Exklusivvertrag und Totalausfall schon einen Zusammenhang sehen kann. Und selbst die Bild-Zeitung wagt einen Erklärungsversuch.
In der Apotheke versuchen Chef, Chefin und Chef-PTA mit allen legalen Mitteln, die benötigten Arzneimittel zu besorgen. Und sei es über Facebook. Vielleicht erweist sich irgendeiner der 712 Freunde mal als echter. Rechtlich wichtig: Nur im akuten Bedarf ist die nachbarschaftliche Hilfe erlaubt.
Mit solchen juristischen Detailfragen hat sich ein Apothekerehepaar aus Brandenburg offenbar nicht zu lange beschäftigt. Die sollen sich Arzneimittel auf anderem Weg verschafft haben, in dem sie gefälschte Rezepte bei Kollegen einlösen ließen. Sitzen immer noch in U-Haft und schweigen. Die Ex-Angestellte hat allerdings ausgepackt, aber nächster Woche wird verhandelt. Dann hören wir uns auch wieder, oder in der Zwischenzeit: Im Podcast über das schöne Thema Schwangerschaft. Schönes Wochenende – und passen Sie auf Ihr Fax auf!
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