Apotheker David B. und Ärztin Nicola L. haben ein Problem: Sie verstehen sich einfach viel zu gut. Und sie sind sich nicht sicher, ob sie das überhaupt noch dürfen. Denn da draußen kratzen sich ihre Standesvertreter gegenseitig die Augen aus.
Davids Apotheke ist nur eine Straße weit entfernt von Nicolas allgemeinmedizinischer Praxis. Entsprechend landen viele ihrer Patient:innen in seiner Apotheke. Und das ist auch gut so, denn beide Teams arbeiten hervorragend zusammen. Fehler der einen oder der anderen Seite werden sich nicht gegenseitig vorgehalten, sondern einfach schnell gelöst. Unkompliziert, effizient und wahnsinnig angenehm.
Doch neulich, als sie die Polymedikation von Frau Meier besprachen, sagte Nicola mit leicht zuckenden Mundwinkeln. „Du David, meine KV hat gesagt, ich soll ihr Fehler melden, die ihr bei der Medikationsanalyse macht.“ „Ja, mach‘ doch“, sagt David, „dann können vielleicht noch andere daraus was lernen.“ „Ich glaube, darum geht es nicht“, sagt Nicola, „da steht was von ‚inkompetenter Beratung durch Apotheken‘.“ Beide fangen an zu lachen. Denn in diesem Fall hatte Nicola die Kontraindikation übersehen.
Die beiden lesen sich die wütenden Stellungnahmen anderer Verbände und Berufsorganisationen durch und wissen nicht, ob sie lachen oder weinen sollen: Mal ist von einer „Kriegserklärung“ die Rede, obwohl angeblich sogar das Bewusstsein dafür da ist, dass solche Begriffe gerade dieser Tage reichlich unangemessen sind, wenn es um 11,20 Euro fürs Blutdruckmessen geht.
Der Ärger scheint vielerorts bedenklich groß zu sein: Dann wird sich wahlweise die Kompetenz oder der Anstand abgesprochen, mit rechtlicher Prüfung gedroht oder gleich mit Boykott. Die KV Hessen rät ihren Mitgliedern sogar dazu, Terminals für E-Rezepte in den Praxen aufzustellen – vermutlich damit die Verordnungen gleich zu Shop Apotheke geschickt werden können (denn dort wollen es einfach nicht mehr werden).
Nicola konnte mit diesem Gegockel der Standesvertreter noch nie viel anfangen. Und sie schickt auch keinen Fehlerbericht, für so einen Blödsinn hat sie bei dem ganzen Stress überhaupt keine Zeit. Aber einen Brief bekommen die KV, der Apothekerverband und die Kammern trotzdem: Ein Foto von Nicola und David, Arm in Arm für die Patient:innen. Kurzer Gruß: „Hört auf mit dem Quatsch!“
Das möchte man nicht nur manch freidrehendem Funktionär zurufen, sondern auch „Team Sparpaket“ im Bundesgesundheitsministerium (BMG). Plötzlich taucht der Referentenentwurf zum GKV-FinStG auf. Den Apotheken will Minister Karl Lauterbach 170 Millionen Euro wegnehmen, weil sie in der Pandemie so viel gearbeitet haben. Und bei den Herstellern sollen die Krankenkassen nach Übergewinnen fahnden. Kein Wunder, dass Karl keine Freunde mehr hat.
Offenbar nicht einmal mehr im Kabinett, denn die FDP-Ministerien Justiz und Finanzen hatten das Vorhaben erstmal auf Eis gelegt. Lauterbach ist gehörig unter Druck und das merkt man auch: Er habe gar kein Spargesetz vorgelegt, sagte er meinem Kollegen am Donnerstag bei einer Abendveranstaltung. Na wenn das so ist, müssen wir das wohl alle missverstanden haben.
In der am Freitagnachmittag dann doch noch offiziell verschickten Version kündigt Lauterbach in einem Begleitstatement dazu noch an, weiter sparen zu wollen. Und für künftige Finanzreformen will er eine Expertenkommission einberufen. Vielleicht kann sich Lauterbach im Verteidigungsministerium noch ein paar Tipps holen, wie man das mit den Beratern möglichst effizient löst. Bei seinem Amtsvorgänger Jens Spahn könnte er sich Beschaffungstipps holen, wenn der aus dem U-Ausschuss Maske zurück in Berlin ist. „Schäbig“ findet Spahn die Profitgier der Masken-Glücksritter.
Wenn 17 Milliarden Euro Sparpaket kein Spargesetz sind, dann ist neue Testverordnung bestimmt auch gar nicht total umständlich und chaotisch. Das muss den testenden Apotheken nur so vorkommen... Einige geben auf, andere machen das Beste daraus. Was allerdings keiner weiteren Interpretation bedarf, ist die rasant steigende Quote positiver Testergebnisse. Denn die deutet zusammen mit den vor dem Zusammenbruch stehenden Kliniken darauf hin, dass die befürchtete „Herbstwelle“ schon im Juli über uns rollt.
Das bedeutet Stress für die Finanzämter. Denn die Steuerbeamten wollten eigentlich in den coronamaßnahmenlosen Sommermonaten verstärkt Apotheken aufsuchen und fröhlich QR-Codes scannen. Dazu benutzen sie die App mit dem düster-klangvollen Namen AmadeusVerify. In diesem Sinne: „Dreh‘ dich nicht um – oh, oh, oh – Der Kommissar geht um.“ Schönes Wochenende!
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