Apotheker setzt voll auf Zeitschriften Alexander Müller, 06.04.2019 08:04 Uhr
In seiner Freizeit liest Apotheker Mario R. selbst gerne Magazine. Den Rolling Stone hat der Musikfan seit den 80ern im Abo, er interessiert sich aber auch für Reisen, Mountainbikes und Freeclimbing. Auch in seiner Apotheke hat er mit großen Erfolg mit Zeitschriften – vor allem, seit er voll darauf setzt. Mehr als 80 verschiedene Titel hat er im Angebot und jeden Monat werden es mehr.
Das Abo der Apotheken Umschau hatte Mario schon von seinem Vorgänger übernommen. Die Kunden sind einfach abhängig von ihrer Rentnerbravo. Und die Neue Apotheken Illustrierte (NAI) hatte Mario aus staats-, will sagen verbandsmännischer Verantwortung immer zusätzlich bestellt, auch wenn der Suchtfaktor kundenseitig hier weniger besorgniserregend war.
Aber als in der Runde seiner Bikerfreunden unlängst die üblichen Witze über die Zeitungen und ihre Leser gemacht wurden, wurde Mario nachdenklich. Rentnerbravo? Warum eigentlich nicht… Wer die nächste Generation früh an die Apotheke binden will, muss ihr auch etwas bieten. Also nahm er die echte Bravo mit ins Sortiment und – um die Zwischengeneration nicht auszulassen – die Nido gleich mit.
Allerdings zeigte sich schnell eine Schwachstelle in diesem Plan: Der durchschnittliche Rätselheftjunkie in der Offizin ist durchaus gewohnt, seinen Stoff umsonst zu bekommen. Und es geht wirklich ins Geld, wenn zu viele junge Familienväter reinkommen und mit halbherzigem Schuldbewusstsein verkünden: „Ich nehm‘ heut‘ nur die Geo.“
Mario reagierte und stellte radikal um: Die Erkältungsmittel in der Sichtwahl fliegen jetzt sowieso raus und statt das fünfte Allergiepräparat zu präsentieren, setzte Mario auf Magazine. Und er nahm den vollen Kioskpreis. Keine Probleme, der Kunde zahlt. Das Geschäft läuft so gut, dass Mario seinen Abokunden mittlerweile Schmerzsalbe oder Nahrungsergänzungsmittel als Zugabe gratis mit dazu gibt. Vor der Digitalisierung hat er jetzt noch mehr Angst als vorher, aber für den Moment läuft’s super, geradezu Superillu.
Noch lassen unter anderem die Vorschriften für apothekenüblichen Waren und Dienstleistungen eine solche Umgestaltung der Sichtwahl nicht zu, aber Fakt ist, dass es Bewegung gibt im Zeitungsständer der Offizin. Und dem Wort & Bild Verlag kann aus Sicht manches Apothekers ein bisschen Konkurrenz ganz gut tun. Die etwas nervöse Reaktion aus Baierbrunn lässt zumindest vermuten, dass man den neuen Mitbewerber ernst nimmt. Noweda/Burda sind am 1. April mit der Erstausgabe von MyLife gestartet, inklusive Kuck-Amazon-Bashing: Machen Sie sich selbst ein Bild.
Zum Start der Noweda-Plattform IhreApotheken.de gab es allerdings eine etwas peinliche Panne: Weil man DocMorris bei aller Feindschaft eine gewisse Professionalität im Auftritt offenbar auch in Essen nicht abspricht, hat man sich von den Pflichtangaben der Versandapotheke inspirieren lassen – leider inklusive der ziemlich verräterischen niederländischen Handelsregisternummer. Dass auf der anderen Seite der Partner Apotheken.de die Bestellungen über Amazon-Server abwickelt, war dagegen offenbar bekannt und wird geduldet.
DocMorris sucht den anderen Weg: Aus dem Netz in die wirkliche Welt, jedenfalls so halb. Doch mit einem Automaten ist es eben nicht getan: Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat sich das Ganze vor Ort angeschaut (inklusive Apothekerprotest) und danach entschieden, dass es so eben nicht geht. Automat geschlossen. DocMorris ist eingeschnappt: „Uns verwundert, dass die Landesregierung in Baden-Württemberg den Ausbau der Telemedizin vorantreibt und Modellprojekte der Apotheker mit Millionen fördert, aber Patienten in Orten ohne Apotheke nicht von der Telepharmazie profitieren sollen.“ Effektiver würde man sich vermutlich in Berlin beschweren.
In Hüffenhardt gibt es derzeit keine Apotheke, in Dabel schon. Aber die Gemeinde droht, die Parkplätze zu opfern. Inhaberin Grit Kamphausen tat, was sich die meisten Kollegen nicht trauen: Sie schloss aus Protest. Die Kunden hatten Verständnis, der Bürgermeister will nochmal reden.
Wer meistens nicht zum Reden kommt, sind die Beamten der Finanzbehörden. Die wollen lieber schnell in die Kasse sehen. Besonders perfide: Erst anonymer Testkauf, dann Kassennachschau. Aber wie sich zeigt, sind Apotheker recht gewissenhaft, von frustriert abgebrochenen Prüfungen ist zu hören. Die neue Sau, die durchs Dorf getrieben wird, ist süß-sauer. Jetzt stehen Asia-Imbisse im Fokus des Fiskus. Eine Bitte aus der Redaktion: Den Vietnamesen um die Ecke brauchen wir auch künftig dringend!
Die AOK hat in dieser Woche nicht nur völlig polemisch gegen die Apotheker gepoltert, sondern auch einen recht denkwürdigen Sieg vor Gericht errungen. Nach sieben Jahren Streit wurde eine Apothekerin zu 1000 Euro Vertragsstrafe verdonnert, weil sie bei der Umsetzung des Horror-Rabattvertrags zu Metoprolol deutlich überkreativ war. Weil aber die AOK ein bisschen zu viel Schaum vorm Mund hatte, muss sie die Hälfte der Gerichtskosten tragen, insgesamt fünfstellig. Zahlt für euch gern: die Solidargemeinschaft.
Zum Schluss: Wenn Sie sich zum Jahreswechsel vorgenommen haben, 2019 zehn Kilo abzunehmen und nach dem ersten Quartal jetzt nur noch zwölf fehlen, sollten sie sich ein Beispiel an PTA Nicole Schilling nehmen. Die hat in den vergangenen vier Jahren 77 Kilogramm abgenommen. Also, liebe Leute, Croissant weglegen und eine Runde laufen gehen. Das Wetter ist schön, schönes Wochenende!