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Apotheker blamiert sich bei „Wer wird Millionär?“ Alexander Müller, 24.03.2018 07:55 Uhr

Berlin - 

Ein Apotheker hat sich in der Quizsendung „Wer wird Millionär“ blamiert – oder auch nicht. Jedenfalls ist er sehr früh ausgeschieden, weil er die Fragen wahrheitsgemäß beantwortete. Jetzt soll ein Gutachten angefertigt werden, ob ihm eine zweite Chance eingeräumt wird.

Mit Mühe und etwas Glück hatte es Apotheker Christian Klug überhaupt nur zur 200-Euro-Frage geschafft. Jedenfalls sitzt man dann schon nicht mehr so ganz aufrecht auf dem Hocker. Der therapeutisch geschulte Moderator spürt das, versucht zu beruhigen. Erfahrung aus 12.752 Sendungen. Doch Klug ist mit den Gedanken immer noch bei den vier Antwortmöglichkeiten der vorherigen Frage, als der Moderator fragt:

Was ist entscheidend für den Erfolg eines Betriebes?
A: Eine gute BWA
B: Eine gute PTA
C: Ein guter BMI
D: Ein guter BMW

Klug sagt B! Und das ist nicht so klug. Sicher? Ja klar! Dann logge ich jetzt B ein, ohne Joker? Ja, B, ohne meine PTA könnte ich den Laden heute zusperren! Tja, das ist leider falsch, stöhnt der Moderator mit seinem besten Ausdruck bedauernder Anteilnahme. Musik an, Apotheker nach rechts ab und der nächste Kandidat.

Hätte der Moderator nicht mehr auf die Verwendung eines Jokers drängen können? Hätte er, aber er hatte den Apotheker ja immerhin schon bei der Frage davor gerettet:

Wer zahlt verschreibungspflichtige Arzneimittel für gesetzlich Versicherte?
A: Der Arzt
B: Die Krankenkasse
C: Der Patient
D: Der Apotheker

Die erste Antwortmöglichkeit konnte Klug noch ausschließen. Die ärztlichen Kollegen behandeln zwar am Ende des Quartals auch schon mal gratis, bezahlen aber nicht die Medikamente. Die beiden nächsten klingen plausibel: Die Kasse erstattet, der Patient leistet seine Zuzahlung. Doch dann muss Klug an seine jüngsten Retaxationen denken und er sagt D. Nur eine eindringliche Intervention des Moderators und ein Joker retten. Bis zur PTA-Frage.

Wäre das Ganze wirklich passiert, man dürfte über den armen Apotheker trotzdem nicht lachen. Es ist ganz normal, dass wir unsere eigene Wahrnehmung von der Welt haben. Die hat jeder, sonst gäbe es erst gar keine Retaxationen wegen Formfehlern. Und der Wahnsinn in der Apotheke hat sogar Mario Barth verstört – und das muss man erstmal schaffen.

Wie soll man aber auch nicht wahnsinnig werden in diesen wahnsinnigen Zeiten: Wenn man als Apotheker im Notdienst stundenlang in der Warteschleife des ärztlichen Bereitschaftsdienstes hängt, während der Kunde vor der Apotheke im Auto wartet? Oder wenn Homöopathie-Tester in die Apotheke kommen. Den Ergebnissen zufolge sollen im Rahmen der Beratungsgespräche nur 5 Prozent der getesteten Apotheker gesagt haben, dass es für die Wirkung von Homöopathie keine wissenschaftlichen Belege gebe.

Manchmal fragt man sich, wie viele Kunden eigentlich Patienten sind. Bei der Anzahl an Testkäufen in Apotheken könnte hinter jeder Mykose ein Mystery-Shopper stecken. Hier packt mal ein Testkäufer aus, der sogar schon aus Apotheken rausgeflogen ist. Und hier gibt es die Test-Tabelle der Tester.

Ist wirklich alles so schlimm oder „heulen die Kollegen nur alle rum“? Entscheiden Sie das bitte für sich selbst. Preisen Sie ein, ob ihr Großhändler in diesem Jahr schon eine Kürzung angekündigt hat. Und wie wird es morgen aussehen? Die meisten Ihrer Kollegen erwarten, dass der neue Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Apothekenmarkt umkrempeln wird (im BMG legt er schon los). Und viele fragen sich: Wie schmidt ist Spahn?

Bei „Wer wird Millionär“ gab es übrigens neulich wirklich eine Apothekenfrage: „Was kann man in Apotheken kaufen und soll bei hartnäckigem Husten helfen?“ Antwortmöglichkeit A: getrocknete Kirschenstiele. Möglichkeit B: ausgespuckte Apfelkerne. C: verfaulte Orangenschale. D: angebissene Quittenstücke. Na los, das wissen Sie!

Im Fernsehen war der Nachwuchs: Pharmaziestudenten im Mittagsmagazin. Sie hätten auch gleich vom Berufseinstieg reden können. Vollbeschäftigung unter Pharmazeuten ist ja eine schöne Sache. Aber wenn das Ausstellen der Approbation für Apotheker oder die Berufszulassung für PTA wie in Mecklenburg-Vorpommern so lange dauert, dass man erstmal arbeitslos ist, dann kann man nur sagen: Danke Landesprüfungsamt für Gesundheitsberufe.

Dabei kann die Zukunft gar nicht schnell genug beginnen. Sie ist schon dabei, die Apotheker rechts zu überholen. Bei VISION.A wurde viel Kluges über die neuen Herausforderungen gesagt. Nicht jede düstere Prophezeiung wird Wirklichkeit, im Silicon Valley kochen sie auch nur mit Wasser, aber eines ist klar: Einen – seit Jahren erfolgreichen – Verteidigungskampf werden die Apotheker nicht mehr lange überstehen. Mitmachen, weitergehen, nicht hinter dem Fax verstecken! Die App-otheken kommen. Ehre, wem Ehre gebührt: Die VISION.A-Gewinner. Und die Gäste. Und Lobo & Co.

In der näheren Zukunft werden die Apotheker noch über das Rx-Versandverbot diskutieren. CDU-Mann Michael Hennrich meint, es sei nicht per Zufall in den Koalitionsvertrag geraten. Das vielleicht nicht, doch die letzte Überzeugung ist auch nicht mehr zu spüren. Selbst der MVDA kontert die ABDA und äußert, dass ein Rx-Versand notwendig sei. Das entscheidet sich später, jetzt erstmal ab ins Wochenende!