Apothekenbote sprengt VOASG-Anhörung Alexander Müller, 19.09.2020 08:22 Uhr
Die Woche stand nahezu vollständig im Zeichen von AvP – die Insolvenz des Rechenzentrums ist DAS beherrschende Thema. Sorry, aber für Satire eignet sich wirklich nicht: Dafür sind die Sorgen der Apotheker und auch der Mitarbeiter des Rechenzentrums zu groß, teilweise existenziell. Stellen wir uns lieber gemeinsam vor, wie die Anhörung zum Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) im Bundestag abgelaufen ist.
In Corona-Zeiten ist auch eine öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss nicht mehr dasselbe, insbesondere nicht so richtig öffentlich. Teilnehmer beim Austausch über das Apothekenstärkungsgesetz wurden über Video-Konferenz zugeschaltet – mit den bekannten Erscheinungen, die das mit sich bringt. Da wird gestrickt, da laufen Katzen durchs Bild, kurzum, es wird ungewohnt privat bei Zoom und Skype und Teams.
Und dann kann es durchaus passieren, dass jemandem, der sich sonst eher kritisch gegenüber Apothekern äußert und ihnen nicht das Schwarze unter den Fingernägeln gönnt, nennen wir ihn der Einfachheit halber Karl. L., dass also so jemand auch das geplante Botendiensthonorar nicht goutierte. Und wäre es da nicht bezaubernd, wenn es mitten in der Digi-Telko bei Karlchen an der Tür klingeln würde und es wäre der Botendienst der Apotheke und würde ihm sein Magenmittel bringen? Und alle würden denken: Ach, wie sympathisch.
Wer wirklich bei der Anhörung geladen war: Iris an der Heiden, die Dauerbegutachterin des deutschen Apothekenmarkts. Sie findet, dass es den Apotheken insgesamt gut geht. Weil es aber jedes Jahr hunderten Apotheken so gut geht, dass sie aufgeben, sucht das Iges nach regionalen Gründen. Und das sollte laut an der Heiden auch die Regierung tun, statt mit der Gießkanne Boni-Verbote zu verhängen und pharmazeutische Dienstleistungen zu vergüten. Kurzum: Sie findet, dass das Apothekenstärkungsgesetz die Apotheken nicht stärkt.
Apropos Boni-Verbot: Hat sich die EU-Kommission eigentlich mal zum VOASG geäußert? Immerhin hat die Regierung ihre Gesetzgebung ja monatelang geparkt, um auf das Brüsseler Votum zu warten. Nein, die Kommission hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) noch nicht verkündet, wie sie zu seinen Plänen steht. Dafür gab es im Handelsblatt Ausführungen aus Brüssel zum Apothekenmarkt allgemein zu lesen. Das E-Rezept wird den Versandhandel stärken. Ach das wussten Sie schon, Verzeihung. Die Abda hat nochmal ein Positionspapier gen EU geschickt und auf die Bedeutung der Preisbindung hingewiesen.
Ach ja, Preise: Wir dürfen nicht mehr schreiben, was Minister Spahn für seine Villa in Berlin-Dahlem gezahlt haben soll. Der Münsterländer hatte uns erst abgemahnt, über die Medienkanzlei Irle Moser (erste Vervollständigung in der Googlesuche: „irle moser gehalt“). Wir fanden aber, dass ein Minister sich Berichterstattung gefallen lassen muss, wenn er in diesen Zeiten derlei Immobiliengeschäfte tätigt. Keine Neiddebatte, einfach nur Öffentlichkeit.
Spahn will das aber wirklich nicht und hat uns verklagt, natürlich beim Landgericht Hamburg – unter Journalisten als die „Kammer des Schreckens“ bekannt. Die Richter finden, dass wir schon über den Vorgang schreiben dürfen. Die Nennung konkreter Zahlen verletze aber Persönlichkeitsrechte. Gut, lassen wir die Zahl künftig weg, gratulieren Herrn Spahn artig zu seinem tollen Coup vor Gericht und schicken Brot und Salz zum Einzug ins neue Heim.
Und ja natürlich AvP: Das Rechenzentrum hat Insolvenz angemeldet. Genauer: Der Sonderbeauftragte der BaFin hat diesen vollzogen, vollziehen müssen. Außerdem hat er sich mit einem Schreiben an die Apotheken gewandt. Und ADHOC sprach mit dem Insolvenzverwalter, der immerhin schnell für Klarheit sorgen will.
Die AvP-Insolvenz wird außerdem zum Fall für den Staatsanwalt. Die Bafin will ein Strafverfahren anstrengen. Und die entscheidende Frage: Wem gehören die AvP-Millionen? Wie steht es um die Fremdgeldkonten, wie lange kann der Insolvenzverwalter die Abrechnungen der Apotheken einfrieren? Rechtsanwalt Peter Haupt sieht allerdings die Gefahr, dass AvP noch Anspruch auf die Rezepte aus dem September erheben könnte. Im Kern geht es um die Frage, wie die Verträge der Apotheken mit dem Rechenzentrum auszulegen sind. Es bleibt spannend in Düsseldorf.
Wenn Sie bis hierhin durchgehalten haben, freut mich das, aber vielleicht haben Sie ja nicht immer so viel Zeit zu lesen. Deshalb gibt es seit dieser Woche jeden Abend die wichtigsten Meldungen des Tages in einem kompakten Video-Format. Hier gibt es eine kleine Vorschau mit reißerischen Berlinbildern. Am besten gleich den Youtube-Kanal von adhoc24 abonnieren! Danke für das tolle Feedback bislang! Und schönes Wochenende!