Mit diesem Aufschrei war zu rechnen – und die Ärzte enttäuschten nicht: Kaum hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) seine Pläne öffentlich gemacht, Apothekern das Impfen zu erlauben, warnten die Mediziner vor einem Abfall des Qualitätsniveaus. Aber was, wenn das alles nur Theater und Strategie gewesen wäre. Eine Verschwörungstheorie.
Die Impfdebatte wird aktuell an zwei Enden geführt, beide mit Eigenschaften einer Lunte. Zur Stärkung der Apotheken sollen diese neue Aufgaben erhalten und ihren Kunden einen Pieks zum Beispiel gegen die Grippe verabreichen können. Das erzürnt die Ärzte, die zwar ständig über Überlastung klagen, aber auch bloß nichts abgeben wollen – und man möchte hinzufügen: schon gar nicht an die Apotheker.
Doch das Gerangel ist Kindergeburtstag im Vergleich mit dem, was sich an der anderen Front abspielt. Hier stehen sich nicht mehr nur paranoide Impfgegner und missionierende Impfbefürworter unversöhnlich gegenüber, seit über die Einführung einer Impfpflicht debattiert wird, ist das Meinungsspektrum deutlich aufgefächert. Denn der staatlich erzwungene Eingriff in die körperliche Unversehrtheit geht selbst vielen zu weit, die der Immunisierung eigentlich positiv gegenüberstehen.
Und jetzt zur Verschwörungstheorie: Die Ärzte haben das kommen sehen und das Impfrecht selbst in Spahns „Apothekenstärkungsgesetz“ lobbyiert. Das hat für sie gleich zwei Vorteile: Sie können sich gegenüber der Politik als die Geprellten inszenieren und ihrerseits Forderungen stellen. Sie verlagern zweitens – und das ist noch viel wichtiger – diese schreckliche Impfpflichtdebatte von der Praxis in die Offizin. Sollen sich doch die Kollegen Pillendreher mit den Impfgegnern herumschlagen, viel Spaß damit.
Selbst wenn die ärztlichen Kollegen in Wirklichkeit nicht so durchtrieben und böse sind: Viele Apotheker wollen den Service Impfen gar nicht anbieten, wie eine APOSCOPE-Umfrage ergeben hat. Weil die Kassen bestimmt eh nicht genug dafür bezahlen, die Versicherungen die Hand aufhalten werden, das Personal fehlt und die Ärzte wie gesehen empfindsam sind bei dem Thema. Hier ein Plädoyer dafür. Und ein Plädoyer dagegen. Weitere Stimmen: Herr Lauterbach kann sich das vorstellen, mahnte Ärztepräsident Montgomery, dass das Impfen aus gutem Grund „eine urärztliche Aufgabe“ sei.
ABDA-Präsident Friedemann Schmidt findet den Entwurf von Minister Spahn einen Schritt in die richtige Richtung. Bei der wasserdichten Umsetzung der Gleichpreisigkeit von rezeptpflichtigen Arzneimitteln sei ordnungspolitisch aber noch einige Arbeit zu tun, gibt er dem Minister mit auf den Weg. Die ABDA ist aber sowieso überzeugt davon, dass das Ganze wieder in Luxemburg landet. Die Protestgruppe #retteMeineÄhDeineApotheke mausert sich indes zur ABDA-Nachwuchsorganisation und verschickt jetzt ePostkarten an Abgeordnete.
Die beste Lobbyarbeit für die Apotheker hat in dieser Woche aber der Bundesrat geleistet. Die Länderkammer hat dem TSVG zugestimmt, aber dabei bemerkt, dass es nicht „konstruktiv im Sinne einer ausreichenden Versorgung“ sei, dass die Vergütung der Apotheken für die Ausgabe des Impfstoffes an Praxen künftig gedeckelt ist. Denn ab einer bestimmten Menge müssten sie deshalb „künftig umsonst arbeiten“. Ob die Apotheken dazu bereit seien, sei ungewiss. Na und ob…
Apotheker müssen sich heute sogar von ihren Boten verklagen lassen, weil die nicht den eigens angeschafften Dienstwagen nutzen wollen. Das passt zu Spahns Vorschlag, den Botendienst auszuweiten und zur Regelleistung zu machen. Bei den Apothekern kommt diese Idee gut an. Lieber wäre ihnen allerdings ein Rx-Versandverbot gewesen. Vor allem dem E-Rezept trauen viele vor Ort noch nicht über den Weg, auch wenn es unbestreitbare Vorteile für alle hat. CGM hat auf der DMEA gezeigt, wie das Ganze aussehen könnte. Keine Angst haben, gut nutzen.
Versandapotheken kochen schließlich auch nur mit Wasser. Und manchmal ihr eigenes Süppchen mit einer privaten Krankenversicherung. Für Mycare mag sich das lohnen, aber die Bayerische Beamtenkrankenkasse hat mit einem Deal den Zorn der Apotheker auf sich gezogen. Die kleine Zuweisung ist zwar nicht neu, wird aber auch nicht besser.
Was Spahn noch in sein Gesetz geschrieben hat, ist ein Arzneimittelabgabeverbot an Automaten ohne Apotheke. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat trotzdem über das Ding von DocMorris verhandelt und will am 15. Mai sein Urteil verkünden. Irgendwie hat man das Gefühl, dass das letzte Wort auch dann nicht gesprochen sein wird.
Und auch Spahns Gesetz ist ja erstmal ein Entwurf. Muss noch durchs Kabinett und durchs Parlament. Und da ist bekanntlich noch kein Gesetz so rausgekommen, wie es reingegangen ist. Wie mit den Patienten in der Apotheke. Im Idealfall gut beraten wieder raus. In diesem Sinne, schönes Wochenende!
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