Ab sofort: Zwei-Klassen-Botendienst Alexander Müller, 21.08.2021 07:50 Uhr
Leider ist der Blutdrucksenker nicht vorrätig – was beim Kunden augenblicklich den Bedarf nach einer höheren Dosierung auslöst. Tja, neuer Rabattvertragspartner eben. „Aber es kommt am Nachmittag, wir können Ihnen das gerne bringen“, sagt der Apotheker. „Das heißt, Moment, das geht ja leider doch nicht…“
Der Kunde ist verwirrt. Von seiner Stammapotheke ist er den freundlichen Service eigentlich gewohnt. Der Apotheker erklärt es ihm: Er sei bei einer Ersatzkasse versichert und die seien gegen den Botendienst. „Die möchten nicht, dass wir uns an den 2,50 Euro bereichern“, erklärt der Apotheker.
Der Kunde ist verwirrt: „Wieso bereichern? Sie fahren doch bestimmt eine Viertelstunde mit dem Auto zu mir.“ Ja, das stimmt und deswegen fährt die Apotheke auch seit Einführung dieses üppigen Honorars auch keine einzige Tour mehr als früher. Aber da der Ersatzkassenverband sich jetzt dafür einsetzt, dass nur notwendige Botendienste erstattet werden sollen, fürchtet der Apotheker irgendwann Retaxationen, wenn er die Sonder-PZN bei einem mobilen 55-Jährigen aufdruckt.
Der Kunde ist verwirrt. Retaxationen? „Wenn unsere Leistung unwirtschaftlich ist, weil Sie selbst kommen könnten, lässt die Kasse mir einen Brief schicken, in dem sie mir ankündigt, dass sie mir 2,50 Euro von der nächsten Rechnung abzieht und wenn mein Widerspruch dagegen dann abgelehnt wird, lässt die Kasse mir einen zweiten Brief dieses Inhalts schicken und kürzt die nächste Abrechnung um 2,50 Euro.
Der Kunde ist verwirrt. „Aber das ist doch totaler Schwachsinn! Das ist doch alles viel teurer, als wenn Sie mir das eben bringen und dafür diese läppischen Zweifuffzig kriegen.“ Der Apotheker nickt: „Und deswegen wehre ich mich ja auch gegen diesen Schwachsinn“, erklärt er und bringt noch im Beisein des Kunden im Schaufenster Schild mit den Logos der Erstkassen an: „Wir müssen leider selber laufen.“ Der Kunde schmunzelt. Und seinen Blutdrucksenker bekommt er heute trotzdem gebracht. Darüber freut er sich so, dass er seiner Kasse einen gepfefferten Brief schreibt – 2,50 Euro in Briefmarken legt er zum Spaß bei.
Um es klarzustellen: Die Ersatzkassen haben noch nicht angekündigt, den Botendienst zu retaxieren. Aber wenn schon die AOK Bayern gerichtlich gestoppt werden muss, um Apotheken nicht in eine „nicht hinzunehmende Rechtsunsicherheit“ zu stürzen, ist der Scherz auch nicht weit hergeholt.
Leider hat der vdek auf Nachfrage seine Statistiken nicht näher erklärt. Dabei hätte uns wirklich interessiert, wie 24 von 14.000 Apotheken ein Viertel der Botendienstkosten auslösen sollen. Nur so viel: „Die Zahl 14.000 ist das Ergebnis einer IK-bezogenen Auswertung, es handelt sich also um die Anzahl der Institutionskennzeichen.“ Weitere Werte und Auswertungen werden nicht preisgegeben. Der AOK-Bundesverband hat zwar noch keine Botendienste gezählt, schließt sich der Kritik an der Vergütung grundsätzlich an.
Die Forderung steht im Raum: Botendienst nur bei belegtem Bedarf und überhaupt sollten die Apotheken nur nach Leistung bezahlt werden, legt der vdek nach. So mancher Inhaber und manche Inhaberin würde das sofort unterschreiben, solange nicht 2hm mit der Berechnung beauftragt wird. Ob die Kassen damit wirklich die erhofften Einsparungen erzielen würden, wenn ein angemessenes Preisschild an jeder Gemeinwohlpflicht hinge?
Deswegen hinkt auch der Vergleich mit den Versandapotheken, den die Ersatzkassen auch noch meinten, ins Spiel bringen zu müssen. Von wegen, die würden immer alles umsonst liefern. Apotheker Behrens hat das gekonnt gekontert: Sollten die Versender auch innerhalb weniger Stunden liefern, können sie die Mini-Pauschale gerne ebenfalls erhalten. Apropos Vergleich mit Versendern: Pharmatechnik integriert die Onlinepreise jetzt in die Software und bietet den Apothekern sogar die explosive Option der Doppelpreisstrategie.
Und rund um die Uhr Patient:innen versorgt – und zwar unabhängig vom Impfstatus. Denn auch wenn die allermeisten aus dem Team geimpft sind und dies auch den Kund:innen ans Herz legen: Eine Einlasskontrolle ist in der Apotheke unvorstellbar.
Laut einer aktuellen aposcope-Befragung ist die Mehrheit der Aptheker:innen und PTA aber schon dafür, dass Ungeimpfte ihre Tests künftig selbst zahlen sollen. Genau das soll ja auch kommen, weshalb die Drogeriekette dm ihre Testzelte auch eilig bundesweit abbaut. Der Beitrag zur Pandemiebekämpfung ist hier offenbar abgeschlossen, man stehe aber für künftige gesundheitspolitische Aktionen bereit, heißt es aus Karlsruhe. Solange die Bezahlung stimmt, könnte man hinzufügen.
In einer Apotheke in Lünen ist beim Testen ein Fehler passiert. Ein Kunde hatte seinen gebuchten Termin nicht wahrgenommen, weshalb in dem Slot eine andere Person getestet werden konnte. Leider bekam der Schwänzer das Ergebnis zugeschickt und machte das auch noch publik. „Es handelt sich um ein einmaliges menschliches Versagen, das nicht vorkommen dürfte“, bedauert der Apotheker. Das sich aber kaum vermeiden lässt, Fehler werden überall gemacht. Über den richtigen Umgang damit haben wir in der neuen Episode unseres Podcasts NUR MAL SO ZUM WISSEN gesprochen.
Im Podcast gibt es auch schon eine Wahlkampf-Folge – und der tobt ja geradezu auch rund um die Apotheke. Dieser Kollege ist zwar kein Grüner, fand die Schmähkampagne aber trotzdem richtig blöd und hat Konsequenzen gezogen. Konsequent war auch die Kollegin, die die AfD vor ihrer Apotheke verscheuchte. Es stellte sich heraus, dass die Herren zu blöd gewesen waren, den Lageplan richtig zu interpretieren. Und die CDU wirbt schon wieder für DocMorris. Best friends 4ever. Schönes Wochenende! (Nächste Woche klappt das auch mit den Genesenenzertifikaten...)